«Bloss nicht Deutschland, bloss nicht Deutschland, bloss nicht Deutschland, bloss nicht Deutschland …»
Die Befürchtungen, die wir vor der WM in Russland hatten, sind nicht eingetroffen. Die Schweiz trifft in den Achtelfinals nicht auf den Titelverteidiger, sondern auf Schweden. Wobei es seinen Reiz gehabt hätte, auf Deutschland in der aktuellen Verfassung zu treffen und den grossen Nachbarn aus dem Turnier zu werfen.
Gerade das Scheitern von einem der meistgenannten Favoriten zeigt, was an dieser WM drinliegt: alles. Im Guten wie im Schlechten.
Die Schweiz hat nicht die besten Fussballer der Welt. Aber eine Mannschaft ist mehr als die Summe ihrer Einzelteile. Die Schweiz hat eine Nationalmannschaft, die harmoniert und funktioniert, die einen Plan hat und die die Balance findet zwischen Kampf und Spiel. Was dabei herauskommt, wenn all dies fehlt, muss der vierfache Weltmeister Deutschland gerade schmerzlich erfahren. Unter dem Strich macht Vladimir Petkovics Auswahl sehr vieles sehr richtig.
Wenn nach einem Unentschieden, das den Einzug in die K.o.-Phase sichergestellt hat, die Qualität des Spiels kritisiert wird, dann ist das ein gutes Zeichen. Denn es bedeutet nicht, dass Spieler und Fans nun überheblich geworden sind. Sondern dass sich alle bewusst sind, dass es dieses Team besser kann als beim 2:2 gegen Costa Rica. Das hat es gegen Brasilien (1:1) und Serbien (2:1) gezeigt, als es zwei Mal einen Rückstand aufholte.
Nun sind auch gegen Schweden die Qualitäten gefordert, welche die Schweiz zu einem der stärksten Teams der WM-Vorrunde gemacht haben. Die Skandinavier haben in der Barrage Italien geschlagen, an der WM Südkorea (1:0) und Mexiko (3:0), und gegen Deutschland (1:2) haben sie erst in der 95. Minute verloren. Auch die Schweden, ein defensiv starkes Kollektiv, werden mit breiter Brust in den Achtelfinal gehen. Auch für sie ist die Schweiz wohl ein Wunschlos; besser jedenfalls, als auf Brasilien zu treffen.
Vladimir Petkovic hat bisher stets betont, das eigene Spiel nicht zu sehr vom Gegner abhängig zu machen. Damit ist er gut gefahren und das wird er auch gegen Schweden so handhaben. Denn der Trainer hat eine Equipe, die sich sehen lassen kann. Sie hat den «Krieger» Valon Behrami, den Taktgeber Granit Xhaka, den aufstrebenden Manuel Akanji, den zuverlässigen Ricardo Rodriguez und in Ermangelung eines Knipsers andere Spieler, die sich die Rolle des Torschützen teilen: den nimmermüden Blerim Dzemaili, den Joker Josip Drmic oder die Wundertüte Xherdan Shaqiri. Und mit Yann Sommer hat die Nati einen Goalie, auf den sie sich blind verlassen kann – ein Muss und etwas, das grosse Teams von ganz grossen unterscheidet.
Die Schweizer Spieler sprechen mehr oder weniger offen vom Weltmeistertitel als Ziel. Den kann man nicht einfordern. Aber ein Turnier kann auch dann schon grossartig sein, wenn es nicht mit dem goldenen Pokal in der Hand endet – sagen wir mal: im Halbfinal. Seit die Schweiz 1994 zurück auf der Fussball-Landkarte erschien, schafften dies an Weltmeisterschaften Schweden, Bulgarien, Kroatien, die Türkei, Südkorea oder Uruguay. Teams, die vor dem jeweiligen Turnier niemand so weit vorne erwartet hätte.
Zwölf Jahre nach dem desaströsen Penalty-Ausscheiden gegen die Ukraine, vier Jahre nach dem dramatischen Out in der Verlängerung gegen Argentinien und zwei Jahre nach dem verlorenen Elfmeterschiessen an der EM gegen Polen ist es an der Zeit, dass die Schweiz den nächsten Schritt macht und an einer Endrunde einmal weiter kommt als bis in die Achtelfinals.
2018 kann die WM der Schweiz werden.
Nein Spass beiseite, wird schwer genug aber ich hoffe auch auf eine Retourkutsche für den Hockey-Final. Muss aber nicht zwingend im Penaltyschiessen sein. 😉