Dank einem hart erkämpften Dreisatzsieg gegen die French-Open-Siegerin Barbora Krejcikova steht Belinda Bencic am Tennisturnier der Olympischen Spiele in Tokio im Viertelfinal. Mit einem weiteren Sieg hat sie zwei Chancen, eine Einzelmedaille zu gewinnen – die Zeit ist reif dafür.
Das Talent der Ostschweizerin ist unbestritten. Sie war bei den Juniorinnen die Weltnummer 1 und gewann dort das French Open und Wimbledon. Auch auf der Frauentour ist sie seit Jahren in der Spitze vertreten, gewann einige kleinere Turniere sowie 2015 das WTA-Premier-5-Event in Toronto. Doch der grosse Wurf – sprich ein Erfolg an einem Grand-Slam-Turnier – wollte ihr trotz ihrer guten Spielanlage bislang nicht gelingen.
Ein Halbfinal am US Open ist an grossen Turnieren der bislang grösste Erfolg der 24-Jährigen. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Nach ihren ersten Erfolgen auf der WTA-Tour wurde Bencic lange von diversen Verletzungen geplagt. Danach folgte die Coronavirus-Pandemie, welche die Tenniswelt auf den Kopf stellte. Und auch fehlende mentale Reife machte Bencic immer wieder einen Strich durch die Rechnung.
Das scheint in Tokio bislang anders zu sein. Zwar zeigt sich Bencic auch bei Olympia immer wieder sichtlich genervt – etwa ab Helikopterlärm oder Fehlentscheiden der Linienrichter. Doch sie lässt sich davon nicht aus dem Rhythmus bringen, behält auch nach einem Satzrückstand wie heute gegen Krejcikova die Nerven und gewinnt die entscheidenden Punkte.
Bencic sagt auch selbst immer wieder, dass sie diese Momente braucht, in denen sie während einem Spiel Dampf ablassen kann. Das helfe ihr, den Fokus wieder zu finden. Und es scheint, dass die 24-Jährige immer besonders stark motiviert ist, wenn sie ganz offiziell die Schweiz vertreten kann. Das war jeweils beim Hopman Cup mit Roger Federer oder auch im Fed Cup mit den anderen Schweizerinnen der Fall.
Die mentale Balance, der olympische Spirit und die Freude, mit Viktorija Golubic auch noch in einem Team zu kämpfen sind ein Teil der Gründe, warum der Traum der Olympiamedaille Wirklichkeit werden kann. Das bereits stark ausgedünnte Feld im Frauen-Tableau ist der andere. Nach Weltnummer 1 Ashleigh Barty, Jungstar Iga Swiatek oder Aryna Sabalenka in den Runden zuvor sind heute mit Naomi Osaka und Karolina Pliskova weitere Goldanwärterinnen ausgeschieden. Noch selten war die Ausgangslage rein aufgrund der Konkurrenz für einen grossen Triumph Bencis besser.
Dennoch darf Bencic ihre Gegnerinnen natürlich nicht unterschätzen. Im Viertelfinal wartet Anastassija Pawljutschenkowa vom russischen olympischen Komitee. Die 30-Jährige stand im Frühling im French-Open-Final, ist also auch ein harter Brocken. Aber sie ist für Bencic auch schlagbar und dann würde noch ein Sieg fehlen zur sicheren Medaille. Und falls es im Einzel nicht klappen sollte, hätte sie dank der Doppelkonkurrenz, wo sie mit Golubic ebenfalls im Viertelfinal steht, noch eine zweite Chance auf Edelmetall.