Kaum war Ditaji Kambundji Soldatin und nicht mehr Rekrutin, erledigte sie ihren militärischen Kernauftrag perfekt. Dieser lautet: die Schweiz international ehren- und würdevoll repräsentieren! Die 20-Jährige tat es am vergangenen Wochenende in Paris mit einem nationalen Rekord über 60 Meter Hürden. Mit der neuen Bestzeit von 7,86 Sekunden gehört die Bernerin zur Créme de la créme im europäischen Hürdensprint.
Einen Tag zuvor wurden die 61 Absolventinnen und Absolventen der aktuellen Spitzensport-RS befördert. Sie alle werden fortan als Sportsoldaten 130 Tage pro Jahr im Sold der Armee Sport treiben dürfen – und die Werte der Schweiz als Vorbilder in die Welt hinaustragen. Ditaji Kambundji ist die bekannteste Athletin der aktuellen Klasse.
Auch an diesem Wochenende wird die EM-Dritte von München mit Marschbefehl unterwegs sein. An den Schweizer Meisterschaften in St. Gallen will sie ihre aktuelle Bestzeit erneut angreifen. «Der Lauf in Paris war gut, aber noch lange nicht perfekt», sagt die frisch gebackene Sportsoldatin. Die beste Leistung der Hallensaison will sie sich allerdings für Mitte März aufsparen, wenn in Istanbul die Europameistertitel verteilt werden. Da kann sie im Kampf um die Medaillen ein Wörtchen mitreden.
In den vergangenen Monaten ist einiges passiert im Leben von Ditaji Kambundji, der 10 Jahre jüngeren Schwester von Supersprinterin Mujinga. Zuerst feierte sie im Sommer die Matura, dann die erste internationale Medaille bei der Elite. Im Herbst dann die überraschende Trennung von ihrem langjährigen Trainer Adi Rothenbühler und das Einrücken in die Spitzensport-RS.
Sie habe von anderen Leichtathletinnen viel Positives über dieses Gefäss der Spitzensport-Förderung gehört, diesen Weg als Chance betrachtet und ihren Entscheid nie bereut. «Es war eine extrem spannende Zeit. Ich habe viele Athletinnen und Athleten aus anderen Sportarten kennen gelernt und Freundschaften geschlossen, die über die RS-Zeit hinaus bestehen bleiben werden», sagt Ditaji Kambundji.
Besonders Eindruck hinterliess bei ihr die dreiwöchige Grundausbildung, auch weil sich diese Zeit so sehr vom normalen Alltag einer Spitzensportlerin unterschied. Etwa die Truppeninspektion durch den Oberst oder die Zugschule. «Schliesslich ist man ein Teil der Armee und da gehören solche Dinge dazu», sagt die 20-Jährige pflichtbewusst.
Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine wird die Bedeutung des Militärs auch hierzulande wieder mit etwas anderen Augen gesehen. Wurde dies auch Ditaji Kambundji ab und zu bewusst, wenn sie in den vergangenen Wochen die Militäruniform anzog? «Natürlich ist mir klar, welche Aufgaben eine Armee hat. Aber man weiss auch, wie die eigene Rolle als Sportsoldatin aussieht», sagt sie.
Ebenso prägend wie die neuen Erfahrungen im Tarnanzug war für Ditaji Kambundji der Trainerwechsel. Der Entscheid fiel ihr sicherlich nicht einfach, doch letztlich müsse man, um sich als Athletin weiterzuentwickeln, «gewisse Entscheide fällen».
Der neue Trainingsalltag sieht wöchentlich zwei Einheiten in Basel bei Trainerin Claudine Müller und gemeinsam mit dem schnellsten männlichen Hürdensprinter des Landes, mit Jason Joseph, vor. Die Bernerin ist angetan: «Claudine ist sehr stark im vermitteln von technischen Aspekten. In diesem Bereich sehe ich bei mir noch viel Steigerungspotenzial. Und Jason ist für mich mit seiner Professionalität, seinen hohen Zielen und der extrem grossen Motivation eine Inspirationsquelle».
Daneben trainiert die 20-Jährige dank mehreren Einheiten in Bern bei Florian Clivaz, dem Lebenspartner von Mujinga, so oft zusammen mit ihrer Schwester wie noch nie in ihrer Karriere. Eine Konsequenz aus dem neuen Setting ist auch, dass Ditaji mehr Sprintrennen ohne Hürden absolviert. Die Steigerung des Grundspeeds ist ein weiteres Ziel für dieses Jahr.
Wenn sie auf die vergangenen Grossanlässe zurückblickt, kommen bei Ditaji Kambundji ganz unterschiedliche Erinnerungen auf. Glücksgefühle nach Bronze an der EM, Ärger nach dem Sturz im Final der Hallen-WM. Was hallt länger nach? «Ich bin mir sicher, dass ich von beiderlei Erlebnissen profitieren kann. Ich bin sehr analytisch und frage mich ständig, was ich noch besser machen kann – nach schlechten wie nach guten Rennen.»
Gleich dreimal wird sie am Sonntag in St. Gallen auf dem Weg zum vorgezeichneten Meistertitel aus dem Startblock schnellen. Sie freue sich darauf – und auf das Feedback von Trainerin Claudine Müller. Es ist der letzte Wettkampf von Ditaji Kambundji vor der Hallen-EM in der Türkei. (aargauerzeitung.ch)