Kannst du dich noch an «Comical Ali» erinnern? Muhammad as-Sahhaf, der Informationsminister unter Iraks Diktator Saddam Hussein, bekräftigte selbst dann noch, dass die Amerikaner nicht in Bagdad eingefallen seien, als in seinem Hintergrund bereits US-Panzer zu sehen waren.
Die Organisatoren der Leichtathletik-WM 2019 in Doha könnten seine Nachfolger sein. Vor dem Start liess der Chef des Organisationskomitees verlauten, von total 200'000 Karten seien nur noch 5000 erhältlich.
Und obwohl das Khalifa International Stadium während der Titelkämpfe so gut wie immer so gut wie leer aussieht, sprechen die Veranstalter von vielen verkauften Tickets. Vielleicht stimmt das ja sogar. Aber dann müssen sich zehntausende Besitzer eines Billetts spontan entschieden haben, doch auf einen Besuch zu verzichten.
Am Montagabend kam laut Reportern vor Ort erstmals richtig Stimmung auf. Angeblich wurden viele in Katar beschäftigte ausländische Arbeiter ins Stadion eingeladen und die feierten den äthiopischen Doppelsieg über 5000 Meter, Muktar Edris gewann im Schlussspurt vor Selemon Barega.
Beim Frauen-Final über 100 m sollen sich hingegen am Sonntagabend nach Aussagen von Reportern nur rund 1000 Menschen im weiten Rund verloren haben. Eine triste Angelegenheit.
Die Kapazität des Stadions wurde für die Leichtathletik-WM vorsorglich verringert. Die oberen Ränge wurden mit Planen abgedeckt. Doch auch die zur Verfügung stehenden Plätze (je nach Quelle zwischen 17'000 und 21'000) werden nicht benötigt.
Nach Angaben der WM-Ausrichter war das Stadion am Freitag und Samstag zu 70 bzw. 67 Prozent gefüllt. Am Sonntag habe die Stadionauslastung dann weniger als 50 Prozent betragen. Die Organisatoren sahen den Grund darin, dass der Tag in Katar der Beginn der Arbeitswoche sei.
Die Organisatoren äusserten sich auch dahingehend, dass der Zeitplan nicht in ihrem Sinn sei. Dieser sei für die Abdeckung durch das Fernsehen gestaltet worden. In der Tat verlassen jeweils viele Zuschauer das Stadion, wenn «ihre» Disziplinen vorbei sind: vornehmlich die Ausdauerläufe. Da international die Sprints als Königsdisziplinen angesehen werden, wurden sie zum Abschluss des Abends angesetzt.
Der Geschäftsführer der IAAF sagte der BBC, man setze sich gemeinsam mit dem Veranstalter dafür ein, dass das Stadion voller werde. Er gab zu bedenken, dass sich der Wind in der Region seit der WM-Vergabe gedreht habe. Katar werde mittlerweile von seinen Nachbarländern politisch blockiert, was ebenfalls einen Einfluss auf die tiefen Besucherzahlen habe.
In Doha erhalten auch Sportler Medaillen, die sie an früheren Weltmeisterschaften knapp verpasst haben. Weil einer Kontrahentin nachträglich Doping nachgewiesen werden konnte, erhielt etwa die italienische Hochspringerin Antonietta Di Martino die Bronzemedaille 2009. Zehn Jahre nach der WM in Berlin kann man wohl kaum von einem würdevollen Rahmen sprechen:
Extra aus dem Ausland angereiste Fans sind in Katar übrigens eher selten.
Der Schweizer Delegationsleiter Philipp Bandi sprach davon, dass es für die Leichtathletik «ganz, ganz schlecht» sei, dass das Stadion nicht voll sei.
Man kann das Ganze aber auch mal positiv sehen: Langes Anstehen am Verpflegungsstand entfällt.
Katar hatte zuletzt diverse sportliche Grossanlässe an sich gerissen und richtet 2022 die Fussball-WM aus. Im Emirat gibt es auch die Vision von Olympischen Spielen. Doch das Desinteresse an der Leichtathletik-WM könnte diese Bemühungen torpedieren. Der frühere Marketingdirektor des Internationalen Olympischen Komitees sagte dem Daily Telegraph, eine kaum vorhandene lokale Begeisterung stelle für das IOC eine rote Linie dar. Mit dieser Leichtathletik-WM sende Katar ein sehr negatives Signal aus.
Es darf ja nicht sein, dass Länder ohne wirkliche Infrastruktur, angemessene Klimazone (welche Hochleistungssport zulässt) oder grundlegende Menschenrechte beim Erbauen der Stadien missachten, solche Spiele überhaupt ausführen dürfen.
Ja ich weiss, Geld und so. Trotzdem.
Fussball WM im Winter? Mol, toll echt. Bravo.