Olympische Spiele sind inzwischen fast alle gleich: Ob in Russland, Südkorea, Brasilien, Japan oder China. Künstlich aufgebaute Welten mit wenig oder kaum Kontakte mit der Aussenwelt. Mit der Wirklichkeit. Wie Raumstationen. Mit einem eigens für die Spiele geschaffenen Bus-Transport-System. Die Hotels sind in diese künstliche Welt eingebunden. Vom Aufwachen bis zum Schlafengehen wird diese Welt nicht nur von den Chronistinnen und Chronisten kaum mehr verlassen. Ohnehin wäre der Aufenthalt in der wirklichen Welt wegen Sprachbarrieren für die meisten von eingeschränktem Nutzen.
Erstmals seit 2012 und viel mehr noch als damals in London gilt diese Olympische Isolation in Paris nicht. Die Spiele sind trotz aller Sicherheitsvorkehrungen nicht ein in sich geschlossenes System. Die Dienstleistungszentren und Wettkampfstätten verteilen sich wie Inseln im Meer einer grossen Stadt, in der die Sprache Voltaires gesprochen wird, die auch in unserem Land zu den offiziellen Landessprachen gehört. Archipel Olympia statt Raumstation Olympia.
Das öffentliche Verkehrssystem (Metro) ist besser als das künstliche, für Olympia aufgebaute. Was das bedeutet, lässt sich optisch an den Arbeitsbedingungen für die mehr als 10'000 Chronistinnen und Chronisten aufzeigen: Es ist nicht mehr erforderlich, in den sterilen Medienzentren ohne vernünftige Versorgung mit Speis und Trank zu arbeiten, die jeder Inspiration und Kreativität abhold sind. Vielmehr ist es möglich, wie einst Ernest Hemingway Quartier und Schreibstube in einer Pariser Wohnung einzurichten, zu Fuss in die nächste Bar zu laufen und sich vom wahren Leben inspirieren zu lassen.
Und vor allem: Die TV-Bilder für die Daheimgebliebenen waren noch nie so gut. Weil nicht alle Arenen mehr oder weniger gleich sind. Immer wieder kommen geschickt die Kulturdenkmäler der Stadt ins Bild, vom Eiffelturm bis Versailles. Wie bei der Tour de France die wunderbaren Landschaften Frankreichs über die ganze Welt verbreitet werden, so haben Milliarden vor den Bildschirmen die Schönheit von Paris erlebt.
Es war die bisher beste Kombination eines globalen Sportspektakels mit den Besonderheiten einer Stadt. Auch wenn Paris diese Spiele nicht brauchte: Es war doch ein unbezahlbares Standortmarketing. Die Frage, ob die Kosten dafür nicht wohl doch zu hoch sind, lassen wir einmal beiseite.
Paris 2024 zeigt letztlich auf, wie Olympische Spiele in der Schweiz gestaltet werden könnten, ja müssten. Das Ziel ist es, die Winterspiele 2038 erstmals seit 1948 wieder in die Schweiz zu holen.
Olympische Spiele 2038 müssten in der Schweiz nach der gleichen Philosophie umgesetzt werden wie Paris 2024. Olympische Inseln über das ganze Land verteilt, mit einem öffentlichen Verkehrssystem vernetzt und die Umgebung der Wettkampfstätten so geschickt ins TV-Bild integriert wie soeben in Paris. Die grandiosen Landschaften unseres Landes für ein TV-Milliarden-Publikum sichtbar gemacht. Ein Transportproblem gibt es nicht: Wir haben das beste, dichteste und pünktlichste Eisenbahnsystem der Welt, das bei Winterspielen in der Schweiz die gleiche Bedeutung hätte wie die Metro bei Paris 2024.
Auch wenn unser Land letztlich diese Spiele so wenig braucht wie Paris sie brauchte: Es wäre doch ein unbezahlbares Standortmarketing. Es wird in zweierlei Beziehung eine Frage der Kosten, des Geldes sein. Erstens: Spiele in der Schweiz sind nur möglich, wenn die Privatwirtschaft zum grössten Teil für die Finanzierung aufkommt und Volksentscheide nicht erforderlich sind.
Zweitens: Die in der Vergangenheit grenzenlos naiven helvetischen Olympia-Träumer sind zum ersten Mal bereit, den für einen Zuschlag unabdingbar erforderlichen Preis zu zahlen: Ein ordentliches Trinkgeld in die Taschen jener, die über die Vergabe entscheiden. Unvergesslich bleibt die wahrhaft zynische, aber vielleicht doch zutreffende Kurzanalyse, warum Sion die Bewerbung für die Spiele von 2006 gegen Turin verloren hat. Obwohl die Bewerbung von Sion in jeder Beziehung im Quadrat besser war: «Die IOC-Verantwortlichen kennen halt den Unterschied zwischen einem Raclette und einem Ferrari.»
Das Problem müsste auch ohne eigene Automobilindustrie zu lösen sein. Immerhin ist die Schweiz nach wie vor eines der wichtigsten Finanzzentren der Welt.
Denn wir haben bei allen vergangenen Abstimmungen über Olympische Spiele gesehen, das wir das eifach nicht Wollen.
Dann schlägt er allen erstes auch noch vor das IOC zu bestechen?
„Ein ordentliches Trinkgeld in die Taschen jener, die über die Vergabe entscheiden.„
Spiele wie in Russland. Bravo.