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Les Bonbons de Klaus

Olympia – eine Traumfabrik, mächtiger und rentabler als Hollywood

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Passanten vor einer Absperrung, die auf die Spiele hinweist.Bild: keystone
Les Bonbons de Klaus

Olympia – eine Traumfabrik, mächtiger und rentabler als Hollywood

Der Kreis schliesst sich. 1924 hat die Geschichte des modernen olympischen Sportes in Paris begonnen und nun wird das olympische Spektakel 100 Jahre später wieder in Paris aufgeführt.
20.07.2024, 15:0027.07.2024, 17:11
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Ein Blick hundert Jahre zurück auf die Spiele von Paris 1924 hilft uns, die Entwicklung der Olympischen Sommerspiele besser zu verstehen. Zwar werden die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit schon 1896 in Athen ausgetragen. Aber erst 1924 in Paris beginnt der olympische Sport Dramen und Heldengeschichten mit weltweiter Ausstrahlung zu produzieren.

Der Schwimmer Johnny Weissmüller (1924 und 1928 insgesamt fünfmal Gold) ist der erste Olympiasieger, der zum Hollywood-Star wird («Tarzan»). In Paris 1924 beginnt die Entwicklung des olympischen Sportes, wie wir ihn heute kennen. Erstmals wird live gesendet: von den Reportern von Radio Paris aus einem Ballonkorb über dem Stadion von Colombes.

Fussball soll Schulfach werden

Paris ist 1924 auch so etwas wie der Geburtsort des modernen Schweizer Sportes: Zum ersten Mal wird nationale Begeisterung entfacht: Die Schweizer Fussballer stürmen bis in den Final des olympischen Turniers, das damals als inoffizielle Weltmeisterschaft gilt. Politiker fordern trotz der Finalniederlage gegen Uruguay (0:3) Fussball als Schulfach. Die Schweiz holt so viele Medaillen (24, davon 7 aus Gold) wie seither nie mehr.

Ab Paris 1924 werden die Spiele zu einer globalen Helden- und Geldfabrik, die verlässlich Dramen produziert und schliesslich ab dem ausgehenden 20. Jahrhundert riesige, heute kaum mehr kontrollier- und steuerbare Milliarden-Summen umsetzt.

Im Unterschied zur Fussball-WM – der einzigen Sportveranstaltung mit einer ähnlichen globalen Ausstrahlung – gibt es bei Olympischen Spielen nicht nur einen Sieger und die Anzahl der teilnehmenden Nationen ist nicht beschränkt. Knapp 11'000 Gladiatorinnen und Gladiatoren werden in den nächsten zwei Wochen in 329 Entscheidungen Heldengeschichten für über 200 Länder schreiben. 1924 waren es etwas mehr als 4000 aus 44 Nationen für 129 Wettkämpfe.

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Finnlands Wunderläufer Paavo Nurmi 1924 in Paris.Bild: keystone

Hochempfindliche Seismographen

In Paris erstellen US-Reporter 1924 einen Medaillenspiegel, um die heraufziehende Vormachtstellung der USA zu dokumentieren, die 99 Medaillen abräumen. Das 20. Jahrhundert wird zum «Amerikanischen Jahrhundert». Sportlich, kulturell, wirtschaftlich, militärisch. Die Schweiz belegt im Medaillenspiegel hinter den USA, Finnland, Frankreich, Grossbritannien und Italien Rang 6. Deutschland ist noch nicht zugelassen, die Sowjets bleiben im Todesjahr von Lenin aussen vor. Wer will, kann den Spielen Beihilfe zum Nationalismus vorwerfen – bis heute.

Die Olympischen Spiele werden auch zu hochempfindlichen Seismographen, die heraufziehende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungen anzeigen. In den 1960er-Jahren gibt es noch keine japanischen Autos in Europa, Japan ist kein «Big Player» in der Weltwirtschaft. Die Londoner «Times» wird die Spiele von 1964 in Tokio, die ersten in Asien, als «Science-Fiction-Spiele» bezeichnen. Erstmals kommen Computer zum Einsatz und Seiko verdrängt den Schweizer Uhrenhersteller Omega bei der offiziellen Zeitmessung. Tokio 1964 lässt den Aufstieg von Japan zur Wirtschafts-Weltmacht bereits erahnen.

Olympia wird zum Big Business

München 1972 wird überschattet von der Geiselnahme der israelischen Athleten und Trainer durch die palästinensische Terrorzelle «Schwarzer September» und der gescheiterten Befreiungsaktion am Flughafen Fürstenfeldbruck. Alle elf israelischen Geiseln, fünf der acht Terroristen und ein Polizist verlieren ihr Leben. Inzwischen ist Terrorismus eine Geissel des 21. Jahrhunderts. Die grösste Sorge der Organisatoren in Paris ist in den nächsten Tagen die Sicherheit.

In Montréal werden die Spiele 1976 erstmals zum kaum mehr kontrollierbaren Milliarden-Business. Eine Entwicklung, die in den 1990er-Jahren so richtig Fahrt aufnimmt und die einsetzende Globalisierung ankündigt. Unfassbare 1,4 Milliarden Dollar kostet das Spektakel 1976 und die kanadischen Steuerzahlenden werden die angehäuften Olympia-Schulden erst 2006 restlos abgetragen haben. 1988 fällt auch noch die letzte Bremse der olympischen Geldmaschine: Der Amateurstatus wird aufgehoben und aus den TV-Rechten wird erst ein Millionen- und bald ein Milliarden-Geschäft.

Es sind die Olympischen Spiele, die auch eine neue Weltordnung vorwegnehmen: Asien als wichtigster Markt der Welt. 1998 (Nagano), 2008 (Peking), 2016 (Pyeongchang), 2021 (Tokio) und 2022 (Peking) gehen Winter- und Sommerspiele Spiele nach Asien. Die Winterspiele 2022 im schneelosen Peking sind wie noch nie dem Kommerz und der Weltmachtstellung des Gastgebers geschuldet.

Die Fehleinschätzung des griechischen Professors

Wer wollte, konnte 2004 in Athen bereits die Morgendämmerung der Eurokrise erkennen: 16 Milliarden Euro kostete das Spektakel, und die Staatsverschuldung der Griechen sollte zu einem der Treiber der Währungskrise von 2010 werden. Unvergessen bleibt mir eine launische Bemerkung eines emeritierten griechischen Professors, der als freiwilliger Helfer im Medienzentrum arbeitete. Während einer der zahlreichen Kaffeepausen philosophierte er: «Wir haben jahrhundertelang die Osmanen betrogen – nun werden wir auch mit denen in Brüssel fertig …» Wie wir inzwischen wissen, ist die Rechnung nicht ganz aufgegangen.

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Verlottert: die Kajak-Anlage von Athen 2004 zehn Jahre nach den Spielen.Bild: EPA/ANA-MPA

Dort, wo die Steuerzahlenden eine Stimme haben und sich organisieren, können die Spiele nicht mehr durchgeführt werden. Mehrere europäische und glücklose helvetische Bewerbungen für Winter- oder Sommerspiele sind inzwischen an Volksbefragungen gescheitert.

Wohlweislich hat Paris darauf verzichtet, das Volk zu befragen. Es passt schon, dass Frankreich mit einer Obrigkeit, die in der Seele Versailles immer noch nähersteht als der Französischen Revolution, dem Volk die vorerst letzten Sommerspiele in Europa zumutet.

Olympische Dramen und Triumphe beherrschen die Schlagzeilen

Die Frage ist berechtigt, warum eigentlich Sinn und Nutzen von Olympischen Spielen weltweit nicht viel stärker hinterfragt werden. Es gelingt zwar ab und zu, die Spiele in demokratischen westlichen Gesellschaften zu verhindern. Und vor der Eröffnung können sich kritische Stimmen durchaus Gehör verschaffen. Aber sobald die Wettkämpfe beginnen, erliegen fast alle der olympischen Faszination und der Illusion, die Welt sei dank der Spiele eine bessere geworden und halte den Atem an.

Die besten Bilder der Olympischen Spiele 2020 in Tokio

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Die besten Bilder der Olympischen Spiele 2020 in Tokio
Eintauchen und geniessen! Eindrückliche, besondere und schöne Bilder der Olympischen Spiele 2020 in Tokio.
quelle: keystone / martin meissner
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Olympische Dramen und Triumphe verdrängen weltweit die negativen Meldungen aus den Medien. Wladimir Putin wartet nach der Schlussfeier von Peking 2022 vier Tage, bis er den Krieg gegen die Ukraine beginnt.

Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren

Die Olympischen Spiele sind im 21. Jahrhundert eine grosse Traum- und Illusionsmaschine geworden. Politisch mächtiger als Hollywood und Bollywood – und rentabler. Die Herrschenden der fünf Ringe brauchen ihre Hauptdarstellerinnen und -darsteller nicht zu bezahlen. Das besorgt die Werbeindustrie. Und sie besitzen die Zauberformel zum Griff in die öffentlichen Kassen, indem sie den Politikerinnen und Politikern, die zu diesen Kassen Sorge tragen sollten, Ruhm und persönlichen Profit bescheren.

Gewinne privatisieren, Kosten sozialisieren – das ist längst die wichtigste olympische Disziplin geworden. Nahezu alle Versprechungen und Berechnungen über den Nutzen, die Wertschöpfung und die Nachhaltigkeit der Sommer-, aber auch der Winterspiele haben sich hinterher als falsche Versprechungen, reines Wunschdenken und Träumereien entpuppt.

Auch da: Traumfabrik Olympia. Das ist 2024 in Paris nicht anders.

epa11487631 The Eiffel Tower is decorated with the Olympic Rings in Paris, France, 19 July 2024. From 18 to 26 July, the day of the Opening Ceremony of the Paris 2024 Olympic Games, security measures  ...
Die olympischen Ringe am Eiffelturm.Bild: keystone
Olympische Epochen
Die Wiederbelebung der Olympischen Spiele: Athen 1896.

Die Spiele der aristokratischen Romantiker in der Götterdämmerung der Belle Epoque: Paris 1900, St.Louis 1904, Athen 1906, London 1908, Stockholm 1912.

Der moderne Sport entsteht: Antwerpen 1920, Paris 1924, Amsterdam 1928, Los Angeles 1932.

Die Politik entdeckt die Spiele und erfindet das olympische Feuer: Berlin 1936.

Die verlorene Romantik der Nachkriegszeit und die letzten Tage der sportlichen und kommerziellen Unschuld: Helsinki 1952, Melbourne 1956, Rom 1960.

Auf dem Weg zum globalen TV-Spektakel mit Boykotten, Defiziten und im Schatten der Politik: Tokio 1964, Mexiko 1968, München 1972, Montréal 1976, Moskau 1980.

Der neue olympische Geist: TV-Millionen und bald -Milliarden, Doping, Marketing und allenthalben Big Business: Los Angeles 1984, Seoul 1988, Barcelona 1992, Atlanta 1996, Sydney 2000, Athen 2004.

Die Spiele unter einer neuen Weltordnung: Peking 2008, London 2012, Rio 2016, Tokio 2021, Paris 2024.
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Die Austragungstätten der Olympischen Spiele in Paris 2024
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Die Austragungstätten der Olympischen Spiele in Paris 2024
Arena Champ-de-Mars (Paris Zentrum): Judo und Ringen. Kapazität: 8356 Zuschauer.
quelle: imago/usa today network / imago images
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