In Frankreich sind Kopftücher an vielen Orten in der Öffentlichkeit verboten. In öffentlichen Gebäuden ist das Tragen seit 2004 verboten – sogar in Schulen ist es muslimischen Mädchen untersagt, einen Hijab zu tragen.
Wegen eines neuen Gesetzes, werden bei den Olympischen Spielen auch keine französischen Athletinnen mit Kopftuch zu sehen sein. Dies gilt ausschliesslich für die Delegation Frankreichs. Sportlerinnen aus anderen Ländern werden in ihrer Religionsfreiheit nicht eingeschränkt.
Verantwortlich dafür ist Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra. Sie hat das Kopftuchverbot durchgesetzt. «Die Vertreter unserer Delegationen in unseren französischen Teams werden keinen Schleier tragen», sagte sie in einem Interview mit der französischen Politiksendung «Dimanche en Politique». Darin verweist Oudéa-Castéra auf den strengen Laizismus in ihrem Land, welcher die Vorschrift legitimiere.
Kurz vor den Olympischen Spielen kurbelt die Vorschrift eine schon längst entfachte Debatte neu an. Menschenrechtsorganisationen kritisieren Frankreichs Politik und das Internationale Olympische Kommitee (IOC) scharf. Warum besteht der französische Staat also so sehr auf das Verbot?
Religion in Frankreich ist Privatsache. Symbole mit religiöser Bedeutung sind weder in Schulen noch im Sport auf Profi- oder Amateurebene erlaubt.
Die strikten Vorschriften fussen auf dem Prinzip «laïcité», welches auch im Gesetz verankert ist. Das Prinzip «laïcité» – die Trennung von Staat und Religion – ist auf das Jahr 1905 zurückzuführen. Damals wurde allen Bürgern das Recht auf Glaubensfreiheit zugesichert; im Gegenzug wurden religiöse Symbole im öffentlichen Raum verboten.
Seither gehört «laïcité» zum französischen Selbstverständnis. Genauso wie liberté, égalité und fraternité.
Seit Jahrzehnten ist das Prinzip umstritten. Und der Streit um die religiöse Bedeutung von Hidschabs und langen Gewändern findet kein Ende.
Völkerrechtlich sei das französische Laizitätsprinzip kein legitimer Grund, die Religionsfreiheit von muslimischen Frauen einzuschränken – argumentieren mehrere Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Vielmehr handele es sich um eine «jahrzehntelange rassistische Diskriminierungskampagne gegen muslimische Frauen», die ihnen den Zugang zum Sport verwehrt.
«Politiker haben Frauen nicht vorzuschreiben, was sie anziehen sollen und was nicht», sagt Katharina Masoud, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit und Antirassismus bei Amnesty International in Deutschland, «genauso wenig dürfen Frauen gezwungen werden, sich zwischen dem Sport und ihrem Glauben entscheiden zu müssen.»
Laut Amnesty International verstösst Frankreich als Gastgeberland nicht nur gegen mehrere Verpflichtungen aus seinen internationalen Menschenrechtsverträgen, sondern auch gegen die Menschenrechtsbestimmungen des IOC.
Deshalb forderten zuletzt gleich mehrere Organisationen, darunter auch Amnesty International, die Aufhebung der Vorschrift:
In einem offenen Brief appellierte Amnesty International an das IOC, gegen die Diskriminierung einzuschreiten. Doch statt das Kopftuchverbot aufzuheben, schiebt der Olympia-Verband die Verantwortung auf die französische Politik und die Gerichte. Das IOC behauptet, die Situation, sei «zur Zufriedenstellung aller» geklärt, wie Amnesty International in einer Pressemitteilung bekannt gibt.
Die Stellungnahme des IOC deckt sich jedoch nicht mit einer Erklärung vom vergangenen September. Damals sagte ein IOC-Sprecher der Nachrichtenagentur Reuters: «Im Olympischen Dorf gelten die Regeln des IOC». Athletinnen und Athleten können demnach ihren Glauben frei ausleben und repräsentieren – genauso wie ihr Land.
Zudem steht die Erklärung im strikten Gegensatz zu dem Weg, den das IOC eingeschlagen hat: Erstmals in der Geschichte der Olympischen Spiele werden genauso viele Frauen wie Männer an den Wettkämpfen teilnehmen. Das IOC bewirbt diesen Erfolg als grossen Fortschritt zur Gleichstellung der Geschlechter und schränkt andererseits die Religionsfreiheit ein.
Die Förderung der Geschlechterparität «wird durch das Kopftuchverbot für französische Sportlerinnen völlig ad absurdum geführt», wie Katharina Masoud erklärt. Und dennoch: Das Kopftuchverbot bleibt weiterhin bestehen. (watson.de/ear)
Und überhaupt es gibt nun mal Gründe weshalb sich die meisten Leute im Schwimmbad oder auf dem Fussballplatz anders anziehen als in einer Kirche oder Moschee, die meisten sind praktischer Natur...