Tom Lüthi (5.) und Dominique Aegerter (6.) waren beim GP von San Marino in Misano gegen Esteve Rabatt (1.) und Mika Kallio (2.) erneut chancenlos. Der Spanier und der Finne fahren im gleichen Team. Wie ab nächster Saison Tom Lüthi und Dominique Aegerter. Ist das ein Grund für die Dominanz?
«Ja», sagt Lüthis Manager Daniel M. Epp. «Wir haben in unserem Team in den letzten Jahren dem einzigen Fahrer (Tom Lüthi, Anm. der Red.) alle Wünsche erfüllt. Trotzdem war es nicht möglich, konstant ganz vorne zu fahren. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert.»
Es sei okay, dass der Fahrer mitreden könne. Aber künftig müsse man den Mut haben, über dessen Kopf hinweg Veränderungen herbeizuführen. «Es gibt Entscheidungen, die der Fahrer nicht will, die ihn aber schliesslich weiter bringen», so Epp. «Wenn für die nächste Saison ein neues Team entsteht, dann sollten die Strukturen professioneller werden. Damit meine ich, dass die Fahrer nicht mehr bei allen Entscheidungen beigezogen werden und lernen müssen, in der Rolle der gut bezahlten Angestellten den Job zu erledigen.»
Epp ist inzwischen überzeugt, dass es nicht mehr möglich ist, mit einem Einmann-Team eine WM zu gewinnen. «Zwei Fahrer und ihre Cheftechniker tauschen zwar nicht alle technischen Geheimnisse untereinander aus. Aber sie gewinnen einfach viel mehr Informationen und sind deshalb dazu in der Lage, die Maschinen viel besser abzustimmen. Das erklärt, warum Rabatt und Kallio die WM so klar dominieren. Zudem gibt es durch zwei Fahrer im Team eine ganz andere Dynamik.» Es ist eine Dynamik, die ein Team auch zerstören kann.
Lüthis Manager erhofft sich durch die teaminterne Konkurrenz durch Dominique Aegerter nächste Saison eine Steigerung seines Fahrers. Er sagt es nicht so, aber er meint es so: Im neuen Team wird Tom Lüthi aus der Komfortzone gescheucht. Ein «neuer» Lüthi nächste Saison so gut wie noch nie?
Der Baselbieter mit Wohnsitz in Liechtenstein kann jetzt so reden, weil er nächste Saison nicht mehr Tom Lüthis Manager und Teamchef ist. Die Doppelrolle hat ihn in den letzten zwölf Jahren daran gehindert, Entscheide zu treffen, die sein Fahrer nicht wollte. Nächste Saison ist Fred Corminboeuf Teamchef. Er muss keine persönlichen Rücksichten nehmen. Der neue Arbeitsplatz von Tom Lüthi wird erstmals keine «geschützte Werkstatt» sein.
Daniel M. Epps Analyse mag erklären, warum Tom Lüthi nach 2005 nie mehr in die Nähe eines WM-Titels gekommen ist. Aber Dominique Aegerters Niederlagen in den letzten drei Rennen haben andere Ursachen als Bequemlichkeit in einem Einmann-Team.
Es gibt harte und weiche Faktoren, die Rennen entscheiden. Die harten (Fahrwerk, Reifen, Motor) muss der Fahrer so hinnehmen wie das Wetter. Die weichen sind ebenso wichtig und können vom Piloten beeinflusst werden: Selbstvertrauen, Konzentrationsfähigkeit, Nervenstärke, Fitness. Drei dieser vier Faktoren stimmen bei Dominique Aegerter zurzeit nicht mehr.
Er führt zwar im Direktduell gegen Tom Lüthi immer noch 7:6. Aber er hat die letzten drei Rennen gegen seinen Rivalen verloren. Gestern kam er hinter seinem künftigen Teamkollegen auf den 6. Platz. In der WM hat er auf dem 4. Zwischenrang noch 30 Punkte Reserve auf Lüthi.
Dominique Aegerter hat den Kopf seit bald einem Monat nicht mehr bei der Sache. Erst das Theater um seine Vertrags-Verlängerung (in Brünn) und anschliessend ist hinter seinem Rücken die «Zwangs-Ehe» mit Tom Lüthis Team eingefädelt worden. Seither hat er diese Bremse in Kopf.
Aegerter ist emotionaler, wilder und charismatischer als Lüthi. Ein Rockstar. Das macht ihn stark und verletzlich zugleich. Wird sein inneres Gleichgewicht gestört wie in den letzten Wochen, zerbricht seine mentale Robustheit wie ein Plastikspielzeug.
Er war in Misano nach dem Rennen trotz eines 6. Platzes unzufrieden, ja frustriert. In einem Satz hat er selbstkritisch die ganze Wahrheit erkannt: «Ich habe meine Konzentration verloren.» Er sei deshalb mehrmals von der Ideallinie abgekommen. Das erkläre die Hektik im Rennen. Er habe zu viel gewollt und so keine Chance auf einen Podestplatz gehabt. Und schiebt trotzig nach: «Das ändert nichts daran, dass ich in den restlichen fünf Rennen um den Sieg fahren will.» Es bleiben ihm fünf Rennen Zeit, die Bremse im Kopf wieder zu lösen.
Tom Lüthi ist in den Zeiten der Gerüchte cool und konzentriert geblieben. Er war von allem Anfang an in die Zukunftsplanung eingebunden und wusste: Entweder Aufstieg in die MotoGP-Klasse oder die Zusammenlegung mit Aegerters Team. Ein ruhiger und selbstsicherer Lüthi hat sich in diesen Zeiten der Unruhe dreimal vor seinem verunsicherten Rivalen klassiert.
Aber er ahnt, dass er besser werden muss. Die kritische Analyse seines Managers kennt er wohl auch. Lüthi hat sich in Misano ungewohnt selbstkritisch gegeben. Keine wohlfeilen Ausreden. Dass es wieder nicht für einen Spitzenplatz reichte, dass er wieder in der ersten Phase des Rennens den Anschluss verlor, führt er nicht mehr auf technische Unzulänglichkeiten zurück wie so oft in der Vergangenheit. «Ich konnte meine besten Rundenzeiten erst fahren, als ich Platz hatte für meinen runden Fahrstil. Am Anfang des Rennens war es zu eng», sagte der ehemalige 125-ccm-Weltmeister.
Tom Lüthi wird lernen müssen, sich diesen Platz zu verschaffen. So wie es Dominique Aegerter, der beste Starter im Fahrerfeld, zu tun pflegt. Sonst ist er chancenlos, wenn Aegerter die Konzentration und die innere Ruhe wieder gefunden hat.