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Olympia 2020: Die Rolle des Militärs bei den Erfolgen von Neff und Co.

Jolanda Neff salutiert im Tarnanzug vor ihrem Vorgesetzten.
Jolanda Neff salutiert im Tarnanzug vor ihrem Vorgesetzten.bild: keystone

Welche Rolle das Schweizer Militär bei den Olympia-Erfolgen der Mountainbiker spielt

Fünf der sechs Schweizerinnen, die bei den Olympischen Spielen in Tokio eine Medaille gewonnen haben, leisten Militärdienst. Welche Vorteile das hat – und weshalb Jolanda Neff mehr Sold erhält.
29.07.2021, 05:0029.07.2021, 12:31
simon häring, tokio / ch media
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Bundesrätin Viola Amherd gehörte zu den ersten Gratulantinnen, als Nina Christen für die erste Schweizer Medaille bei den Olympischen Spielen sorgte. Auch bei Mathias Flückigers Silber-Fahrt und beim historischen Dreifach-Erfolg von Jolanda Neff, Sina Frei und Linda Indergand stand die Walliser Magistratin Gewehr bei Fuss. Mit gutem Grund, als Vorsteherin des VBS verantwortet sie auch die Geschicke der Schweizer Armee – und ist damit auch die Vorgesetzte von fünf der sechs Medaillengewinner.

«Jolanda Neff steht stramm, das Gewehr bei Fuss, die Handkante an der Schläfe, ihre langen blonden Haare fein säuberlich unter der Tarnmütze zusammengeflochten. Es ist Schlag sechs Uhr morgens. Antrittsverlesen auf dem Waffenplatz in Lyss», beschreibt das Magazin «Fit for Life» im November 2017 eine Szene aus dem Alltag der späteren Olympia-Siegerin.

Die Mountainbikerinnen Jolanda Neff, vorne, Linda Indergand, Mitte, und Kathrin Stirnemann, hinten, waehrend der Brevetierung der Absolventen der Spitzensport Rekrutenschule, am Freitag, 8. Februar 20 ...
Neff und Indergand 2013 als AdA in Magglingen.Bild: KEYSTONE

Neff war damals gemeinsam mit der Urnerin Linda Indergand in die Rekrutenschule eingerückt. Salutieren, Putzen und der Umgang mit der Waffe gehören zur Grundausbildung. «Als es das erste Mal knallte, bin ich voll erschrocken», sagte Neff im Magazin. «Nach dem Nachtessen mussten wir jeweils das Gewehr putzen.» Nachtruhe war bereits um 23.00 Uhr.

Inzwischen spielt die Schweizer Armee neben Swiss Olympic und der Sporthilfe eine tragende Rolle in der Förderung des Spitzensports. Von den 116 für die Olympischen Spiele Selektionierten sind 48 Sportsoldaten oder Zeitmilitär-Spitzensportler und leisten Dienst. Dazu zählte auch Sprinter Alex Wilson, der nun wegen einer Sperre fehlt. Die Sportler-RS geht auf eine Initiative von Adolf Ogi im Jahr 1999 zurück, in der heutigen Form gibt es sie seit 2004, 2006 war die Triathletin Annina Stämpfli die erste Frau. In der aktuellen RS beträgt der Frauenanteil bereits 25 Prozent (14 von 54).

Mit Kasernenalltag, Schiessübungen, Gamellenfutter oder Nachtwachen haben die Diensttage der Berufssportler nach der Rekrutenschule aber nichts zu tun. Schon ab der zweiten Woche der Grundausbildung sind die Nachmittage frei fürs Training. Den grössten Teil der RS verbringen sie im Sporttenü. Nach fünf Wochen Grundausbildung können sie 13 Wochen lang nach den Plänen ihrer Verbandscoaches trainieren.

Die Uniform tragen sie nach der RS nicht mehr. Pro Jahr stehen sie aber zwischen 30 und 130 Tagen im Dienst und beziehen Sold und Erwerbsersatz. Vor allem für Athletinnen aus Randsportarten ist das ein wesentlicher Zustupf. Die Zeitsoldaten erhalten einen Vertrag über vier Jahre, jeweils über einen olympischen Zyklus. Danach werden die Verträge neu ausgeschrieben.

Federer und Wawrinka mieden das Militär

Wer wie Linda Indergand und Nina Christen als Zeitmilitär angestellt ist, dessen Stelle wird mit einem 50-Prozent-Pensum abgegolten, was zirka 2500 Franken pro Monat entspricht. Dazu sind sie militärversichert und brauchen keine Krankenkasse. Viel wesentlicher ist, dass sie in Magglingen und Tenero bei Kost und Logis die Trainingseinrichtungen nutzen können.

Die Zeiten, als Sportler das Militär mieden wie der Teufel das Weihwasser – Roger Federer und Stan Wawrinka zum Beispiel leisteten beide keinen Dienst –, sind längst vorbei. Bis 2023 wird die Kapazität schrittweise von heute 35 auf 70 Rekruten pro RS erhöht. Die Athletinnen kommen dort in den Genuss von Medienschulung, Massageausbildung, Englischunterricht oder Mentaltraining. Auch Ernährung, Regeneration und Doping werden thematisiert. «Ich würde die Spitzensport-RS jederzeit weiterempfehlen. Dort konnte ich erstmals auf hohem Niveau trainieren. Ohne das Militär hätte ich wohl keine Chance gehabt, Profi zu werden», sagte Indergand 2017 zu «Fit for Life». Zuvor hatte die Urnerin eine KV-Lehre absolviert.

Nächste Soldaten greifen nach Medaillen

Sprüche wie «Spitzensportler verschleudern unsere Steuergelder» hört man beim Militär immer wieder. Dabei koste ein Spitzensportler-RS die Armee kaum mehr als normaler Rekrut. Denn sobald diese ausserhalb trainierten, gingen die Spesen zu Lasten des Sportverbands.

Mit 18 Zeitmilitärs und 2 x 35 Rekruten pro Jahrgang holt die Schweiz im internationalen Vergleich zwar auf, ist aber gemessen an Österreich mit 200 und Deutschland mit 800 Sportsoldaten ein Leichtgewicht – auch wenn man die zwölf Spitzensportler mitzählt, die bei der Grenzwache angestellt sind. Als einzige Gegenleistung erwartet die Armee von den Athleten übrigens das Mitwirken als Botschafterinnen. Dazu ist nichts besser geeignet, als Medaillengewinne bei Olympischen Spielen.

Schon bald könnten die nächsten Soldatinnen und Soldaten für Olympia-Medaillen sorgen: Auch Jeannine Gmelin, Martin Fuchs, Stefan Reichmuth, David Graf oder Simon Marquart stehen beim Militär in Lohn und Sold.

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60 Kommentare
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SD1980
29.07.2021 06:08registriert August 2018
Und wieso erhält Jolanda Neff mehr Sold? Ist sie Wachmeisterin?
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ELMatador
29.07.2021 07:25registriert Februar 2020
Ich persönlich finde es ein bisschen ein Hohn gegenüber den Soldaten, die durch den Dreck müssen und wegen dem Militär privat bzw. geschäftlich zurückstecken müssen.

Nichtsdestotrotz finde ich die Sportförderung löblich. Aber muss es im Rahmen einer Sport RS sein? Kann es nicht einfach ein Sportförderprogramm sein, das unabhängig vom Militär funktioniert?
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Sani-Bär
29.07.2021 08:42registriert April 2021
Offenbar wissen die meisten Menschen hier nicht, dass es in anderen Ländern schon seit Jahrzehnten üblich ist, dass es entweder Sport-Soldaten und -Soldatinnen gibt oder, dass es hiess Berufsmilitär, zum Sport versetzt.

Also, wo liegt das Problem?

Wohl nur darin, dass nicht alle davon profitieren können.
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