Wer schon einmal zehn Stunden lang auf einem Mountainbike sass und dabei über 3000 Höhenmeter zurücklegte, der weiss, wie anstrengend dies ist. Der Gedanke an die Aufgabe schwirrt irgendwann unweigerlich im Kopf herum.
Befindet man sich dann sowieso schon an letzter Stelle und frisst auf den letzten Kilometern auch noch eine happige, endlose Steigung die allerletzten Reserven an, dann würde der Grossteil dem Gedanken nachgeben und den Bettel hinschmeissen. Nicht so Emma Winterflood und Jane-Marie Kerslake.
Die beiden Australierinnen am Swiss Epic hegten diesen Gedanken zwar auch. Aber sie sagten sich: «Wie wären wir sonst nach Leukerbad hinauf gekommen? Wir würden wohl immer noch an Ort und Stelle stehen.» Da haben sie halt weitergemacht. «Wir versuchten, immer in einer Vorwärtsbewegung zu bleiben», beschreiben sie ihr Erfolgsrezept.
Es hat genützt. Nach 10:10.57 Stunden stehen die beiden kurz nach der Zieleinfahrt strahlend unter einem Zeltdach und essen Pasta. Nein, eine Pause hätten sie nie gemacht. «Auch wenn unsere Zeit dies vermuten liesse», bemerkt Emma selbst. Die beiden müssen lachen. Irgendwie alles halb so schlimm.
Die zwei Frauen sind der beste Beweis, dass nicht nur die Erstplatzierten Gewinner sind und Sieger nicht vom Rang abhängig sind. Insbesondere bei einem Marathon-Anlass wie dem Swiss Epic. Die beiden Australierinnen trafen gerade im Zielgelände ein, als das Rider-Briefing für den nächsten Tag zu Ende ging. Alle Anwesenden spendeten den beiden roten Laternen warmen Applaus. Mitleid oder Hohn schwebte keiner mit. Eher Respekt vor dem Willen und der Leistung.
«Die ersten Kilometer waren gut, die letzten zehn schlimm», bilanzieren die Freundinnen, «wir brauchten alleine dafür rund zwei Stunden. Es war mental eine riesige Herausforderung.» Sie hätten praktisch die ganze Fahrt miteinander gesprochen und sich gegenseitig gepusht. «Nur auf den letzten zehn Kilometern, da war es ganz still», lacht Emma.
Dabei hätten sie sich ordentlich vorbereitet, wie sie finden. Im November haben sie sich angemeldet, Schweizer Freunde erzählten ihnen vom Swiss Epic. «Wir haben seither trainiert. So gut es ging halt.» Denn Emma und Jane-Marie wohnen in Darwin, Australien. Dort ist es sehr flach. «Wir haben nur kleine Hügel», erklärt Jane-Marie. «Nur 20 Meter hoch», scherzt Aaron, der Partner von Emma, der das Rennen mit einem Freund ebenfalls bestreitet. Die zwei haben im Ziel gewartet und machen sich jetzt auf, um die Bikes der Frauen zu waschen.
Emma und Jane-Marie versuchen derweil ihren Rückstand zu erklären: «Die technischen Abfahrten konnten wir nicht trainieren. Aufwärts ging's besser.» Die letzten zehn Kilometer ausgeschlossen, selbstverständlich.
Trotzdem drängt sich die Frage auf: warum? Die beiden waren sich im Klaren, auf was sie sich einliessen. «Wir wussten, dass es herausfordernd wird», sagt Emma trocken. Sie hatten im Mai ein Fünftagerennen in Alice Springs, mitten im australischen Outback, bestritten. «Die Hitze war daher nicht das Problem. Aber auch in Alice Springs war es flach.»
Und wie geht es weiter? Haben die beiden noch Kraft für die zweite Etappe? «Wir stehen sicher am Start … und hoffentlich auch wieder im Ziel.» Das Ziel bleibt, am Samstag in Zermatt einzufahren. Die Taktik sei dabei schnell gewählt. «Wir wollten heute einfach nur immer über den nächsten Hügel. Das machen wir auch weiterhin so. Einfach immer weiter. Schritt für Schritt und irgendwann sind wir im Ziel.»