Nicht viele hätten im Spätsommer daran geglaubt, dass die NFL-Saison tatsächlich das Licht der Playoffs erblicken würde. Die Covid-Krise sorgte im Vorfeld der Saison nämlich für mächtig Furore. Mehrmals stand die NFL während der Regular Season aufgrund von Covid-Ausbrüchen in diversen Teams auf Messers Schneide.
Doch der Sportgott meinte es gut mit der Liga. Am vergangenen Wochenende konnten alle Spiele der Divisional Playoffs (quasi die Viertelfinals) stattfinden. Dabei kamen wenig überraschend so einige interessante Storylines zustande.
Bevor wir aber loslegen, wie immer zuallererst ...
Der Ärger vieler Packers-Fans beim Draft war gross. Anstatt den zukünftigen Hall-of-Fame-Quarterback, der sein Team nun schon seit Jahren auf seinen Schultern trägt, mit frischen Waffen zu umgeben, drafteten die Packers in der ersten Runden den zukünftigen Ersatz für Rodgers, Jordan Love.
Doch wer Rodgers über die Jahre beobachtet hat, konnte erahnen, dass dies den Routinier nur noch heisser macht. Nach einer sensationellen Regular Season, in der sich die Packers erstmals in der Rodgers-Ära ein Erstrunden-Bye erspielen konnten, stand nun der erste Härtetest gegen die beste Verteidigung der Liga an.
Das heisst im Klartext: Die Nummer 12 wirft auf die Nummer 17, Davante Adams.
Rodgers. Adams. Another TD from 12 to 17. #GoPackGo #NFLPlayoffs
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Das geschickte Playcalling von Matt LaFleur (oder war es doch Rodgers himself?) schickt Adams in eine Motion vor dem Snap, was ihm einen entscheidenden Vorteil in der Mann-zu-Mann-Coverage gegen Star-Cornerback Jalen Ramsey verschafft. In dieser Manier ist die Packers-Offense schlicht nicht zu verteidigen.
Dass Rodgers nicht der schnellste oder wendigste Quarterback der Liga ist, ist kein Geheimnis. Dass er der klügste von allen ist, hingegen auch nicht.
The pump fake!
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AARON RODGERS IS IN. #GoPackGo #NFLPlayoffs
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Mit einem Pumpfake nimmt Rodgers den Linebacker aus dem Spiel, wobei er sich dabei den perfekten Winkel zurechtlegt, um in die Endzone zu gelangen, ohne getackelt zu werden. Dass das so einfach aussieht, liegt eher am Können von A-Rod, denn am Schwierigkeitsgrad der Situation.
Wie gut Rodgers wirklich ist, sieht man meist in den Situationen, in denen viel auf dem Spiel steht. So zum Beispiel an der eigenen 9-Yard-Linie, wenn die Pocket kurz vor dem Kollaps steht.
Under pressure. No problem. @AaronRodgers12#GoPackGo #NFLPlayoffs
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Die Präsenz in der Pocket und die Präzision des Wurfs sind Zeugnis genug, dass Rodgers mit seinen 37 Jahren immer noch zu den Allerbesten gehört.
Sean McVay, Coach der LA Rams, gilt gemeinhin als grosses Coaching-Talent. Das beweist er immer wieder mit cleveren Anpassungen seines Offensive-Schemes auf die jeweilige Defense. Auch wenn dies hier nur bei einer Two-Point-Conversion so richtig zur Geltung kommt.
Die @RamsNFL lassen sich was einfallen! 😎 #LARvsGB #NFLPlayoffs pic.twitter.com/E139AibvXp
— NFL Deutschland (@NFLDeutschland) January 16, 2021
Das Trickplay nennt sich Hook and Ladder, wobei der Receiver die Defense mit dem gefangenen Pass auf sich zieht, den Ball danach lateral (oder nach hinten) auf den in die Gegenrichtung rennenden Runningback übergibt. In dieser Ausführung einfach nur wunderschön.
Das Duell zwischen aufstrebenden Quarterbacks Josh Allen und Lamar Jackson wurde von vielen heiss erwartet. Beide Spieler sind mit einer unglaublichen Arm Strength und sehr schnellen Beinen gesegnet. Trotz zwei sehr kompakten Defensiven, wurde von den meisten ein Spektakel erhofft. Es kam jedoch etwas anders.
Taron Johnson dürfte einer jener Spieler sein, der einem nicht zwingend zuerst in den Sinn kommt, wenn man von den Buffalo Bills spricht. Der Cornerback wurde 2018 von den Bills in der vierten Runde gedraftet. Beim Draft Combine sorgte er einst für ein virales Video.
Taron Johnson, who had the 101-yard pick-6, is the same guy who looked the wrong way at the combine a couple years ago and got hit on the head. Tonight, he made the play of the game to send Buffalo to the AFC Championship Game. pic.twitter.com/zybqU7oywm
— NFL Update (@MySportsUpdate) January 17, 2021
In seiner dritten Saison sorgt er nun für das vorentscheidende Big Play in den Playoffs. Somit teilt er sich neu den Rekord für den längsten Pick-6 in der Geschichte der NFL-Playoffs mit George Teague, dem dies 1993 für die Green Bay Packers gelang.
Well this was a fun way to wake up 😂 #BillsMafia pic.twitter.com/IXjoZrHTuY
— Melody Martin (@MelodyNMartin) January 17, 2021
Johnson liest Jacksons Pass sehr früh und unterläuft ihn zur Inetrception. Der anschliessende Run zum Pick Six lässt sich ebenfalls sehen.
Lamar Jackson kam während des ganzen Spiels irgendwie nie in die Gänge. Die Bills Defense hat sich ideal auf den mobilen Quarterback eingestellt und Räume und Zeit stets kleinstmöglich gehalten. Dennoch lieferte Jackson wenige Gründe, die Anschuldigungen, er funktioniere in den Big Games nicht gut genug, in den Wind zu schlagen.
Hinzu kam eine Verletzung direkt im Anschluss an den oben gezeigten Pick Six zum Ende des dritten Viertels.
Zur Verletzung kam eine Strafe wegen Intentional Grounding hinzu, da bei Jacksons weggeworfenem Pass kein Receiver in der Nähe stand. Im vierten Viertel konnte auch Ersatz-Quarterback Tyler Huntley keine Wunder mehr bewirken.
Nachdem Pat Mahomes und seine Chiefs in der letzten Runde ein Bye genossen, stand nun das nächste Kapitel in der Mission Titelverteidigung an. Und obwohl die Chiefs gegen die Cleveland Browns dabei früh in Führung gingen, wurde man das Gefühl nicht los, dass vor allem die Offense ihren Rhythmus noch nicht so richtig gefunden hatte.
Die Browns hielten sich wacker, ohne dabei je wirklich zu überzeugen. Das Spiel glich lange mehr einem gegenseitigen Abtasten. Ein Browns-Touchdown hätte die beiden Teams vermeintlich aus der Deckung gelockt. Und fast wäre es so weit gekommen.
Wide Receiver Rashard Higgins versuchte, sich über die Goallinie zu strecken, wobei der Hit von Safety Daniel Sorensen den Ball aus den Händen von Higgins beförderte, ehe dieser die Endzone erreichte. Da der Ball aus der Endzone kullerte, war der Call der Refs Touchback, sprich Ballbesitz Chiefs – ohne Punkte für die Browns. Eine der fragwürdigeren Regeln dieses Sports ...
Fragwürdig war auch, wieso keine Strafe gegen Sorensen gepfiffen wurde, da das Tackle ziemlich offensichtlich Helmet-to-Helmet war. Dies hätte eine 15 Yard-Strafe und ein neues First Down für die Browns bedeutet.
Patrick Mahomes musste nach einem harten Tackle bei einem Rush-Versuch das Feld mit Verdacht auf eine Hirnerschütterung verlassen. Nach einigen Minuten wurde kommuniziert, dass er nicht zurückkehren wird. Backup-Quarterback Chad Henne musste einspringen. Die Browns lagen gerade mal fünf Punkte zurück, das Weiterkommen schien greifbar.
Zum Glück für die Kansas City Chiefs besteht das Team aber nicht nur aus Mahomes, sondern eben auch aus Weltklasse-Receivern wie Tyreek Hill.
Henne to Hill. #RunItBack #NFLPlayoffs
— NFL (@NFL) January 17, 2021
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Nach der Two-Minute-Warning steht das Spiel vor einem letzten wegweisenden Play. Holen sich die Chiefs kein First Down, haben die Browns mit knapp zwei Minuten noch genug Zeit, den Chiefs gefährlich zu werden. Und. Dann. Das.
CHAD HENNE TAKES IT HIMSELF 🤯
— Bleacher Report (@BleacherReport) January 17, 2021
(via @NFL)pic.twitter.com/7FjjwOZaZ9
In bester Mahomes-Manier improvisiert Henne, nachdem seine Receiver nicht genug schnell frei werden. Sein 14-Yard-Sprint reicht jedoch nicht – die Schiedsrichter signalisieren «4th & Inches».
Andy Reid ist nicht erst seit dem Super-Bowl-Gewinn im letzten Jahr ein hochgeachteter Coach. Wieso dem so ist, beweist er mit dem folgenden Spielzug. Während man bei diesem Spielstand getrost hätte punten können – die Chiefs Defense war in diesem Spiel bislang äusserst zuverlässig – entschied sich Reid, Henne die ganze Saison in die Hände zu geben.
Chad Henne called game. 😱 pic.twitter.com/RNvvw2vjao
— Complex Sports (@ComplexSports) January 17, 2021
Kein «QB Sneak», kein «Fullback Dive», kein «Iso Lead Run», nein, ein Pass soll's sein. Da Hill anschliessend nicht aus dem Feld tritt, läuft die Uhr runter und die Chiefs als Gewinner vom Platz.
Im letzten Duell der Runde standen sich die beiden Altmeister Drew Brees und Tom Brady gegenüber. Ein Leckerbissen für alle Football-Fans.
Schon beim ersten Punt der Buccaneers trumpfte Punt-Returner Deonta Harris mit einem 54-Yard-Return gross auf. Beim nächsten Punt legte er gleich nach.
Was für die Saints ein enorm wichtiger Boost hätte sein können, wurde durch ein vermeidbares Foul verhindert. Schliesslich endete der Drive nur in einem weiteren Field Goal.
Natürlich braucht es so einiges, um eine Defense wie jene der Tampa Bay Buccaneers zu überlisten. Der alte Coaching-Fuchs Sean Payton weiss dies natürlich und greift tief in die Trick-Play-Kiste.
Vermutlich aufgrund der grösseren Mobilität stand bei diesem Play Jameis Winston auf dem Feld. Er ist es auch, der den Pass spielt. Für Winston natürlich besonders schön, dass ihm dies ausgerechnet in den Playoffs gegen sein Ex-Team gelingt. Auch interessant: Genau dieses Trick-Play spielten die Bears in der Runde zuvor gegen die Saints – damals fing Receiver Javon Wims den Pass jedoch nicht.
Auch dieses Spiel avancierte nicht zum grossen Shootout, wirkte zuweilen zerfahren und kam nie so wirklich in einen Rhythmus. Umso wichtiger, dass Brady seine Basics immer wieder abspulte und die Drives der Bucs so am Leben erhielt.
Brady DEEP to Scotty Miller, hits him perfectly between two defenders.pic.twitter.com/I3ij27INjb
— Dov Kleiman (@NFL_DovKleiman) January 18, 2021
Auch wenn weder der Wurf noch der Catch an sich sonderlich spektakulär wirken, ist dieses Play dennoch ein Highlight. Bei einem Spielstand von 20:20 im vierten Viertel einen Pass auf einen eigentlichen Slot Receiver in die Double Coverage zu werfen, ist vermutlich eines der eher schwierigeren Unterfangen. Brady macht's und ebnet so den Weg zum späteren Sieg.
Die Vorstellung von Drew Brees war enttäuschend. Er leistete sich gleich drei Interceptions, so viel wie noch nie in einem Playoff-Spiel in seiner Karriere.
Zudem wurde ersichtlich, dass sein Arm langsam wirklich nachlässt. Die seltenen Pässe in die Tiefe wirkten oft unbeholfen und lasch. Klar, die Bucs Defense spielte zeitweise überragend (Michael Thomas, Star-Receiver der Saints hatte keinen einzigen Catch im Spiel), doch Brees' Spiel war schlicht blutleer. Es wird gemeinhin davon ausgegangen, dass der 42-Jährige in den nächsten Tagen oder Wochen seinen Rücktritt erklären wird. Ganz sicher ist das jedoch nicht.
No retirement announcement from Drew Brees: "I'm gonna give myself an opportunity to think about the season, think about a lot of things, just like I did last year and make a decision."
— Mike Triplett (@MikeTriplett) January 18, 2021
Wenn man hingegen solche Bilder sieht, ist es gut denkbar, dass wir gestern das letzte Spiel des grossen Drew Brees miterleben durften. Ja, die Wehmut setzt ein.
As Tom Brady and Drew Brees hug and say goodbye after a long talk on the field, Brady throws a touchdown pass to Brees’ son. One walks off to play in the NFC championship, the other stays to play with his kids. pic.twitter.com/wdWDro9YD4
— James Palmer (@JamesPalmerTV) January 18, 2021
So oder so: Die Karriere von Drew Brees ist phänomenal. Da kann auch ein verpatztes Playoff-Spiel gegen einen Titelkandidaten nichts daran ändern.
If this is it for Drew Brees:
— Field Yates (@FieldYates) January 18, 2021
▫️Super Bowl XLIV champion and MVP
▫️NFL’s All-time passing leader: 80,492 yards
▫️Second most passing TD ever: 572
▫️13X Pro Bowler, 5X All Pro
▫️Led NFL in passing yards 7X
▫️The 3 highest single season completion % ever
Respect to a legend ✊
Für die Saints werden die kommenden Saisons ohnehin schon zur Herausforderung. Sie haben (zu?) viel in diese Saison investiert. Angenommen sie verlieren mit Brees ihren Starting-Quarterback, sind sie nächste Saison 95 Mio. US-Dollar über dem Salary Cap und haben lediglich vier Picks im nächsten Draft. Es bleibt also spannend in New Orleans ...