Am Ende gab es nichts als Tränen. Kamila Valieva, die Führende nach dem Kurzprogramm, stürzte während ihrer Kür mehrmals aufs Eis. Rang 4 statt eine Medaille, Enttäuschung statt dem gut möglichen Olympiasieg.
Die ganze Welt schaute auf eine 15-jährige Sportlerin, deren Start höchst umstritten war. Schliesslich war eine positive Dopingprobe von ihr aufgetaucht, das Resultat des Teamwettkampfs (Gold mit Russland) ist nach wie vor nicht definitiv.
Kamila Valieva konnte diesen Wirbel – wen wundert's? – nicht ausblenden. Als die letzten Töne von Ravels «Bolero» in der Halle verstummten, hielt sich die Hochtalentierte ihre roten Handschuhe vor die Augen. Dass Eiskunstläuferinnen nach einem Auftritt weinen, ist weiss Gott nichts Neues, ob dieser gelungen ist oder verhaut wurde. Aber selten waren Tränen in der Kiss-and-Cry-Ecke passender als in diesem Moment.
Dort, wo Valieva auf ihre Benotung wartete, nahm Trainerin Eteri Tutberidze ihre Athletin in die Arme. Worte des Trosts? Nicht nur.
In der Fernsehübertragung war zu vernehmen, wie Tutberidze der Jugendlichen unmittelbar nach der verpatzten Kür sagte: «Warum hast du alles so aus den Händen gegeben? Warum hast du aufgehört zu kämpfen? Erklär mir das! Nach dem Axel hast du es aus den Händen gegeben.»
Tutberidze war in der Sowjetunion einst selber Eiskunstläuferin, schaffte es aber, auch wegen eines Wirbelbruchs, nie ganz an die Spitze. Wesentlich erfolgreicher ist die 48-Jährige als Trainerin. Der Weltverband ISU zeichnete sie 2020 als beste Trainerin aus.
Tutberidze scheint eine zu sein, die alles auf den kurzfristigen Erfolg setzt. In der Szene ist die Russin für ihre Härte bekannt, und dafür, Jugendliche mit Drill an die Weltspitze zu führen. «14-, 15-Jährige lenkt nichts ab», sagte sie laut dem Deutschlandfunk einmal dem russischen «Ersten Kanal». Tutberidze weiter über die Teenager: «Sie haben nur das eine Ziel. Sobald sie das erreichen, lassen sie nach und tun sich selbst leid. Die Praxis zeigt, dass sie dann weniger trainieren.»
Selbst in Russland wurde die Trainerin für ihre Einstellung kritisiert. Ein Einwand, den Tutberidze nicht verstehen will. «Ich stimme absolut nicht zu. Das ist Fortschritt. Warum sollte man die jungen Mädchen bremsen?»
Fakt ist, dass zahlreiche Athletinnen, die sie an die Weltspitze führte, so rasch verglühten wie Sternschnuppen. Alina Sagitowa und Jewgenija Medwedewa gewannen 2018 Gold und Silber an den Olympischen Spielen von Pyeongchang. Heute ist die damals 16-jährige Sagitowa nicht mehr Teil des Nationalkaders, und die damals 19-jährige Medwedewa läuft wegen chronischer Rückenschmerzen nicht mehr.
Tutberidzes Erfolgs-Ära begann mit Yulia Lipnitskaya an den Heimspielen in Sotschi 2014. Seither führte die Trainerin Athletin nach Athletin nach oben. Sie brachte ihnen so schwierige Sprünge bei, dass die Russinnen in einer eigenen Liga laufen. Valieva wäre ohne das Brimborium um ihre Person mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit aufs Podest gelaufen. So feierte Russland «nur» einen Doppelsieg durch zwei 17-Jährige: Weltmeisterin Anna Schtscherbakowa gewann vor Alexandra Trussowa.
Bis zu zwölf Stunden am Tag würden ihre Sportlerinnen trainieren, sagte Eteri Tutberidze laut der «Washington Post». Wer weiss, ob Kamila Valieva dies auch weiterhin machen wird. Sollte sie gesperrt werden, ist die Karriere erst einmal unterbrochen. Und sollte sie weiterlaufen dürfen, ist offen, wie sehr sie die Geschehnisse dieses Februars belasten.
In Peking wurde vor den Augen der Weltöffentlichkeit eine 15-jährige Sportlerin verheizt. Es ist Kamila Valieva zu wünschen, dass sie dies gut verkraftet.
meines wissens ist es übrigens so, dass 19 jährige aufgrund des physischen voraussetzung nicht mehr in der lage sind, gewisse - von tutberizde geforderte - leistungen zu bringen. insbesondere sprünge. um die dominanz zu erhalten, müssen sie darum immer wieder blutjungen nachwuchs heranzüchten.
minderjährigkeit im spitzensport gehört genauer auf die finger geschaut - bzw. an ereignissen wie olympia allenfalls verboten. am ende des tages sollte menschlichkeit siegen.
Kann man das noch als Sport bezeichnen?