Jeder wusste, dass der Moment eines Tages kommen wird. Der Moment, in dem die «Big Four» nicht mehr Tennis spielen.
Roger Federer hat seine Karriere bereits vor zwei Jahren beendet, Rafael Nadal ist dem Ende näher denn je. Nun hat auch Andy Murray einen Schlussstrich gezogen, nur Novak Djokovic ist immer noch Weltspitze. Der Serbe bestreitet heute Abend um 19 Uhr den Olympia-Halbfinal gegen den Italiener Lorenzo Musetti.
Mit Andy Murray verliert das Tennis ein charismatisches und populäres Aushängeschild. Und ein äusserst erfolgreiches: Er gewann drei Grand-Slam-Turniere, war die Nummer 1 der Welt, führte Grossbritannien zum Gewinn des Davis Cups und eroberte obendrein zwei Olympia-Goldmedaillen im Einzel.
Auf dieser Bühne fiel auch der letzte Vorhang. An der Seite von Dan Evans verlor Andy Murray den Viertelfinal der Doppel-Konkurrenz gegen das US-Duo Taylor Fritz/Tommy Paul 2:6, 4:6. Das Resultat klingt deutlich, doch gerade am Ende der Partie zeigte Murray noch einmal auf, was ihn in all den Jahren auszeichnete. Es war sein unbändiger Kampfgeist, der ihn Berge versetzen liess. Nun, im Alter von 37 Jahren, war der letzte Hügel in Roland Garros zu hoch.
«Natürlich war es emotional, mein letztes Match zu bestreiten», sagte Murray. «Aber jetzt bin ich wirklich glücklich. Glücklich darüber, wie es ausgegangen ist.» Er sprach über die vielen Verletzungen, die ihm in den letzten Jahren immer wieder einen Strich durch die Rechnung machten. Zuletzt spielte Murray mit einem künstlichen Hüftgelenk. «Es war wirklich hart, ich habe Schmerzen und fühle mich körperlich schlecht. Ich weiss, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um meine Karriere zu beenden.»
«Er war einer der grössten Kämpfer, die das Tennis je gesehen hat», lobte ihn Djokovic. «Sein Kampfgeist ist etwas, das noch viele Generationen inspirieren wird. Ich habe mich von ihm inspirieren lassen, obwohl wir gleich alt sind.»
Es war nicht nur sein kämpferisches Wesen auf dem Platz, das Murray die Herzen vieler Fans zufliegen liess. Da war zum Beispiel sein grosses Engagement für die Gleichstellung. Eine Weile lang war die französische Ex-Spielerin Amélie Mauresmo seine Trainerin, geprägt wurde er auch von seiner Mutter Judy Murray, die man oft auf der Tribüne die Faust ballen sah. «Er ist eine Klasse für sich», sagte Doppelpartner Evans, «und er hat sich auch zu Themen geäussert, über die andere nicht sprechen würden. Er ist einfach ein guter Typ.»
Nicht zuletzt hängt Murrays Beliebtheit mit seinem trockenen Humor zusammen. Den zeigte er kurz nach seinem Karriere-Ende wieder einmal, als er auf X die kurze Botschaft in die Welt schickte: «Ich habe Tennis sowieso nie gemocht.»
Never even liked tennis anyway.
— Andy Murray (@andy_murray) August 1, 2024
Andy Murrays legendärster Spruch? Bestimmt jener nach der bitteren Niederlage im Final der Australian Open 2010 gegen Roger Federer, die Andy Murray so kommentierte: «I can cry like Roger, it's just a shame I can't play like him» («Ich kann weinen wie Roger, aber es ist jammerschade, dass ich nicht spielen kann wie er»).
Am Donnerstagabend flossen in Paris wieder Tränen, solche des Abschieds. Und in Grossbritannien diskutieren sie nun darüber, ob Sir Andy Murray nicht nur der beste Tennisspieler in der Geschichte des Landes war, sondern auch der beste Sportler überhaupt.
Gut, über Djokovic lässt sich - neben dem Court - streiten.
Jetzt fehlen noch zwei der grossen vier Spieler der letzen Generation. Ich glaube, die treten beide auch noch diese Saison zurück.