Die Geschichte spielt in einer Stadt Deutschlands. Gerade ist Arno Del Curto mit dem HC Davos wieder einmal Meister geworden. Nach dem Titelgewinn zählt für ihn nur eines: möglichst schnell weit weg! Abtauchen in die Anonymität. Emotionen zulassen. Oder, um es in seiner Sprache zu sagen: einfach mal die Sau rauslassen!
Der Abend endet, indem ihn die Polizei bis ins Hotelzimmer eskortiert. Und vor der Zimmertüre Wache hält, um zu verhindern, dass Del Curto wieder ausbricht. «Es war sicher kein Nachteil, dass die Polizisten von damals ein Flair fürs Eishockey hatten und wussten, dass ich kurz zuvor Meister geworden bin», sagt er lachend.
Arno Del Curto ist ein grossartiger Geschichtenerzähler. Wenn er in der Vergangenheit schwelgt und Anekdoten aneinanderreiht, dann fängt er Feuer. Ihm zuzuhören, ist ein Vergnügen. Und wenn er einen mit seinem stechenden Blick über seiner Brille fesselt, ist ein Entrinnen kaum mehr möglich.
22 Jahre lang war Arno Del Curto Trainer des HC Davos. Sechs Meistertitel fallen in diese Zeit. Fünf Siege am Spengler-Cup. Ohne jeden Zweifel: Del Curto hat das Schweizer Eishockey geprägt wie kein Zweiter. Jetzt erscheint seine Biografie. «Mit Köpfchen durch die Wand» heisst das Buch der Bestseller-Autorin Franziska K. Müller (u. a. «Platzspitzbaby»).
Del Curto wählte explizit eine Autorin aus, die – Zitat: – «keine Ahnung von Eishockey» hat. Weil es im Buch vor allem um ihn als Menschen und seine Führungsprinzipien gehen soll. Fast 40 Treffen gab es zwischen Müller und Del Curto, bis das Material beisammen war. «Zum Glück konnte er nicht abschätzen, wie viel Aufwand es bedeutet, so ein Buch zu realisieren», sagt Müller. Herausgekommen ist ein Werk, das Del Curto auch abseits seiner Leidenschaft Eishockey beleuchtet. Ein Werk voller grossartiger Anekdoten, sei es aus seiner wilden Jugend, den Anfängen seiner Karriere als Spieler, dem viel zu frühen Ende seiner Aktivkarriere oder den – mittlerweile in Vergessenheit geratenen – Stationen beim ZSC, als U20-Nationaltrainer oder beim SC Luzern.
Del Curto verschweigt auch die schwierigen Themen nicht. Den Tod seines Bruders. Die Trennung von seiner langjährigen Frau. Das Ende des missglückten zweiten Engagements beim ZSC Anfang 2019 stellt er gar an den Anfang des Buches: «Warum soll ich diese Zeit verschweigen oder beschönigen? Jahrzehntelang wurde ich beinahe zu einem Halbgott stilisiert. Die Bewunderung, die Wertschätzung und die Begeisterung: Das war schön. Es war wunderbar. Doch im Nachhinein erwies sich der Umstand, dass ich zu Boden ging, als gut und sogar befreiend. Nun sieht man mich als den, der ich bin, wie ich mich immer sah: als ganz normaler Siech.» Es sind Sätze, die typisch sind für Del Curto. Er sagt, was er denkt. Ehrlich und direkt.
Die grösste Stärke dieser Biografie sind die vielen Einblicke, die Del Curto gewährt. In ein Leben, das, diplomatisch ausgedrückt, nicht immer nur stromlinienförmig verlief. Es hätte sogar noch ein paar Episoden mehr abseits des Scheinwerferlichts vertragen.
Auch die vielen Momente, in denen er sich selbst reflektiert, sind stark. Ob im Buch oder im persönlichen Gespräch: Es wird auch Del Curtos Bedauern deutlich, den richtigen Zeitpunkt des Abgangs beim HCD verpasst zu haben. Aber er sagt auch: «Das passiert allen – warum also sollte es ausgerechnet mir nicht passieren?» Aller spannenden Hintergründe zum Trotz, eines lässt sich bei einem Buch über Del Curto eben doch nicht verhindern: Dass das Eishockey im Zentrum steht. In manch einer Passage wünschte man sich als Leser mehr Sachverständnis der Autorin. So aber gelingt es beim einen oder anderen magischen Moment nicht, die Emotionen zu transportieren.
Doch das ändert nichts daran, dass Arno Del Curtos Biografie lesenswert ist.