«Fussball, du elendes Miststück»: So reagieren die Medien auf die England-Tragödie
Sooo wenig hat gefehlt. Um ein Haar hätte Dan Ndoye in den Schlussminuten der regulären Spielzeit frei auf das englische Tor köpfen können – hätte Breel Embolo eine Schär-Flanke nicht einen Sekundenbruchteil zuvor mit seinem Kopf touchiert und damit Freund und Feind überrascht.
Und dann in der Verlängerung, Auftritt Xherdan Shaqiri. Für einen Geniestreich, wie er ihn schon oft vollbracht hatte im Dress der Nationalelf, von Murat Yakin ins Spiel gebracht. Und Shaqiri enttäuschte nicht. Bei einem Eckball hat er einen Geistesblitz, eine dieser einzigartigen Shaqiri-Eingebungen. Statt wie von aller Welt erwartet zur Mitte zu flanken, zirkelt der 32-Jährige den Ball stinkfrech und mit viel Zug direkt aufs Tor der Engländer, und überrascht damit alle.
Doch leider fehlen Zenti-, ja Millimeter: Das Spielgerät klatscht ans Lattenkreuz. Da kann Engländer-Hüter Pickford im Anschluss noch lange doof grinsen und Shaqiri mit erhobenem Daumen signalisieren, dass das ein guter Versuch war: Er hatte schlicht Glück, er hätte keine Chance gehabt, diesen Ball zu parieren.
Aber eben. Sooo wenig hat gefehlt, auch hier.
Am Ende darf Pickford erneut grinsen, die Engländer haben die leicht besseren Nerven, ziehen im Penaltyschiessen in den Halbfinal ein. Es bleibt ein Gefühl der Ernüchterung auf Schweizer Seite, aber auch des Stolzes. Das zeigt auch die Schweizer Medienberichterstattung, es gibt praktisch kein negatives Wort über die Truppe von Murat Yakin.
Die Engländer hingegen ... nachdem die Hoffnung auf den ersten grossen Titel seit der WM 1966 nach mittelmässigen bis schlechten Leistungen anno 2024 nie so richtig genährt wurde, verspüren sie im Mutterland des Fussballs nun langsam aber sicher doch noch Euphorie. Sie stehen schliesslich im Halbfinal.
Von Runde zu Runde mogelt sich die mit individueller Klasse gespickte Mannschaft weiter, sie erinnern im Stil an den erfolgreicheren Nachbarn auf der anderen Seite des Ärmelkanals. Vielleicht klappt es ja auf diese Weise, so der Tenor in den englischen Medien. Hier sind die Pressestimmen aus den beiden Ländern in der Übersicht.
Schweiz
CH Media
Blick
Aber so bitter dieses Ausscheiden auch ist: Wir verneigen uns und sagen Danke. Danke für die vielen Tore. Die schönen Spiele. Die emotionalen Momente. Ihr habt gekämpft wie die Löwen, mutig und teilweise brillant gespielt, solidarisch verteidigt und die ganze Nation mit Stolz erfüllt. Von Chiasso bis nach Schaffhausen, von St.Gallen bis nach Genf, von Basel bis ins Wallis.»
Tages-Anzeiger
Natürlich sitzt sie tief, sie muss tief sitzen, weil es wehtut, ein Spiel von dieser Grösse und Bedeutung auf diese Art zu verlieren: im Elfmeterschiessen, das immer auch an ein Glücksspiel erinnert. Zurück bleibt Bitterkeit, weil es eine Niederlage ist, die so unnötig ist, so gar nicht zwingend, nicht gegen dieses England, das ein weiteres Mal alles andere als unverwundbar ist.»
NZZ
«Die Generation um den Captain Granit Xhaka wollte zwar die Grenzen verschieben und Geschichte schreiben für das kleine Fussballland. Das haben die Schweizer nicht geschafft gegen die Fussballgrossmacht England, die als Turnierfavorit nach Deutschland gereist war und auch gegen die Schweiz noch nicht in grosser Form aufgetreten ist.»
Corriere del Ticino
Dann Breels Haarzopf, der im letzten Atemzug der regulären Spielzeit Ndoyes Kopf die mögliche Apotheose verwehrte. Dann trifft Shaqiri das Latttenkreuz direkt nach einer Ecke. Und am Ende doch wieder die elf Meter, und wieder so schrecklich wie im Viertelfinale 2021. Für Manuel Akanji. Für die Nationalmannschaft. Für die Nation.
Ja, auch dieses Mal waren wir ganz nah dran. Dennoch weinen wir wieder. Mit gebrochenem Herzen, sogar ungläubig, am Ende unserer Europareise.»
24 heures
England
The Sun
(...) Einer der Schlüssel war, dass wir pressten und den Effekt, den das auf Granit Xhaka hatte. Das erste Mal machten wir Druck und konnten Bälle in guten Positionen gewinnen und die Schweiz damit auf dem falschen Fuss erwischen.»
Daily Mirror
Daily Star
Es war eine weitere langweilige Partie der Engländer, die gegen die Schweiz lange nichts zustande brachten. Sie gerieten verdient in Rückstand, nachdem Breel Embolo den Ball ins Tor beförderte. Doch Bukayo Saka konnte für England ausgleichen.»
The Telegraph
Nach dem Penalty-Sieg gegen die Schweiz und dem Einzug in den Halbfinal ist es aber verständlich,
auf einer Positiv-Welle zu reiten. Die Euphorie greift nun um sich bis am Mittwoch, weil, wenn du es in die Schlussphase eines Turniers schaffst, ist das Resultat alles, was zählt. Es ist egal, wie du gewinnst, Hauptsache, du tust es.»