Der Schlussgang am Sonntag wird SRF Marktanteile von über 70 Prozent und mehr als eine Million Zuschauer bringen. Die viel besseren Werte als bei jedem Meisterschaftsspiel im Fussball oder Hockey. Schwingen ist ein Quotenhit praktisch zum Nulltarif.
Der Betrag, der aus Leutschenbach jährlich für die TV-Rechte an den ESV überwiesen wird, ist nachgerade lächerlich. «Wir reden nicht über Zahlen» wehrt Verbandsgeschäftsführer Rolf Gasser eine entsprechende Anfrage ab. «Aber wenn Sie unsere Erfolgsrechnung lesen können, finden Sie heraus, wie viel TV-Geld wir bekommen …» Aus der Jahresrechnung lässt sich herausfiltern: SRF bezahlt für die TV-Rechte exakt 172 320 Franken pro Jahr. Dabei handelt es sich um eine Netto-Summe. Will heissen: Leutschenbach trägt die Kosten für die TV-Produktion, die sechsstellig sind.
Der Vertrag mit den Schwingern wäre 2022 ausgelaufen, ist aber vorzeitig zum gleichen Tarif bis und mit 2028 verlängert worden. Zu traumhaften Rahmen-Bedingungen für Leutschenbach: Unser staatstragendes Fernsehen besitzt die exklusiven Übertragungsrechte für alle Feste der Stufe 1 und 2. Also für das Eidgenössische, für Unspunnen, Kilchberg, für alle fünf Teilverbandsfeste und sämtliche Bergkranzfeste. Darüber hinaus darf Leutschenbach lokalen TV-Sendern Liveübertragungen mit Sublizenzen erlauben. Gegen Entgelt natürlich.
Im Eishockey und im Fussball holen die nationalen Verbände und Ligen aus den TV-Rechten jährlich mehr als 30 Millionen heraus. Schwingen ist inzwischen so populär geworden, dass es möglich wäre, im Jahr über 10 Millionen zu bekommen. Also gut 50 mal mehr als Leutschenbach dem Schwingerverband bezahlt.
Im Wesentlichen sind es drei Gründe, die dazu führen, dass die Gralshüter des Schwingens die Popularität ihres Sportes bei den TV-Rechten nicht ausreizen und sich mit einem Trinkgeld begnügen.
Erstens gibt es in den Kreisen des vaterländischen Sportes eine tiefe Staatsgläubigkeit. Beim öffentlich-rechtlichen – also beim staatstragenden – Fernsehen fühlen sie sich geborgen und respektiert. Sie gehen zu Recht davon aus, dass respektvoll und ausgewogen berichtet wird. Eine zu moderne, dynamische Berichterstattung nach bester Boulevard-Art wie sie bei privaten TV-Stationen Brauch ist, fürchten sie wie der Teufel das geweihte Wasser.
Zweitens hat der Verband das Geld nicht nötig. Einnahmen aus den TV-Rechten von bis zu 10 Millionen würden die Verbandsstrukturen in den Grundfesten erschüttern, ja zerreissen. Es würde mit ziemlicher Sicherheit zu einem Hauen und Stechen ums Geld kommen und nicht lange dauern, bis die Schwinger mit Anwältinnen und Anwälten versuchen würden, die Verbandskasse mit dem Hinweis auf Persönlichkeitsrechte zu sprengen. Letztlich machen ja die Bösen (im Schwingen sind die Guten die Bösen) den Wert der TV-Rechte aus. Mit dem inneren Frieden, der Beschaulichkeit in der Welt des Schwingens wäre es für alle Zeiten vorbei.
Und wer würde dann noch Freiwilligenarbeit leisten - die für die Organisation der Feste auf allen Stufen unerlässlich ist -, wenn alle wissen, dass beim Verband Millionen lagern? Der ESV hat auch wohlweislich das finanziell lukrative Angebot des Medien-Konzerns Ringier abgelehnt, im Hallenstadion jährlich ein «Masterturnier» des Schwingens aufzuführen.
Drittens wissen die Schwinger sehr wohl, dass der Boom der letzten Jahre in erster Linie der Präsenz im frei empfangbaren Fernsehen zu verdanken ist. Es wäre unklug, die in letzter Zeit arg gebeutelten TV-Vögte (sie verloren u.a. die Rechte an der nationalen Hockey-Meisterschaft) mit höheren Geldforderungen zu verstimmen.
Verbandsgeschäftsführer Rolf Gasser fasst die Situation in klugen Worten zusammen: «Wir verdanken die Entwicklung der letzten 20 Jahre zu einem grossen Teil dem Fernsehen. Wir sind telegen geworden. So hat sich über die Jahre eine Win-win-Situation für das Fernsehen und für uns entwickelt. Dazu wollen wir Sorge tragen.»