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Lauberhornrennen – 10 Erinnerungen von Trainerlegende Karl Frehsner

Der Cheftrainer der Schweizer Herren Skinationalmannschaft, Karl Frehsner, links, diskutiert am Mittwoch, 15. Januar 2003 waehrend der Pisteninspektion zum ersten Trainingslauf der Lauberhornabfahrt v ...
Karl Frehsner war lange Trainer der Schweizer – hier spricht er im Jahr 2003 am Lauberhorn mit Bruno Kernen.Bild: KEYSTONE

10 Erinnerungen von Trainerlegende Karl Frehsner an die Lauberhornrennen

Der 85-jährige Österreicher mit Heldenstatus im Schweizer Skisport erzählt zehn ganz spezielle Anekdoten über das Lauberhorn.
17.01.2025, 07:15
Rainer Sommerhalder, Wengen / ch media
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Karl Frehsner ist die schillerndste und erfolgreichste Figur in der Gilde der alpinen Skitrainer. Der Oberösterreicher kam in jungen Jahren in die Schweiz und baute als Europacup-, Abfahrts-, Slalom- und später Cheftrainer die erfolgreichste Dynastie im Schweizer Skirennsport auf. Auch heute arbeitet der inzwischen 85-Jährige, der seit 60 Jahren in Dietikon wohnt, noch immer für Swiss Ski.

Frehsner erinnert sich an spezielle Geschichten rund um die Lauberhorn-Rennen. Heuer kann er in Wengen nicht vor Ort sein, weil er an den Studenten-Weltspielen, der Winter-Universiade in Turin, die Schweizer Ski-Hoffnungen betreut.

Herren Cheftrainer Karl Frehsner vor dem Hundschopf-S, aufgenommen am 16. Januar 2004, beim einzigen Training zur Lauberhorn Abfahrt von morgen Samstag hier in Wengen im Berner Oberland. (KEYSTONE/Edd ...
Karl Frehsner 2004 als Trainer in Wengen.Bild: KEYSTONE

Erinnerungen an die Tragödie und die Tragik des Vergessens

Am 18. Januar 1991 ereignete sich der schlimmste Unfall in der Geschichte des Lauberhorn-Rennens. Der 20-jährige österreichische Abfahrer Gernot Reinstadler verstarb nach einem Sturz im Ziel-S:

«Ich kannte die Mutter von Gernot, die ehemalige Rennfahrerin Traudl Eder, von Jugendzeiten an sehr gut. Wenn dann so ein Unfall passiert, den ich übrigens vom Pistenrand her miterlebte, nimmt es dich noch mehr her. Unser Teamarzt Hans Spring war gleichzeitig auch Rennarzt am Lauberhorn und rasch am Unfallort. Ich konnte in der Nacht danach kein Auge zu tun. Dann kam das Telefon von Hans, dass der Fahrer verstorben sei. Ich habe auch heute noch Kontakt zur Mutter. Wir reden über vieles, aber nicht darüber.

Wie habe ich das Ereignis verarbeitet? Man muss darüber hinwegkommen. Ich weiss, dass es ein solches Zusammenspiel bei einem Sturz in Tausend Fällen höchstens einmal gibt. Dennoch denke ich heute manchmal noch daran. Aber sich an etwas erinnern zu können, ist trotz aller Tragik auch ein Geschenk. Meine Frau, mit der ich über 60 Jahre lang verheiratet bin, ist dement. Sie kann sich an überhaupt nichts mehr erinnern. Damit werde ich fast nicht fertig.»​

Die Demut vor der Nordwand macht vieles leichter

Karl Frehsner war in jungen Jahren nicht nur Skirennfahrer, sondern auch Alpinist. Seine schwierigste Aufgabe bewältigte er ebenfalls im Berner Oberland:

«Ich bin die Eiger-Nordwand im Jahr 1961 selbst durchklettert. Es war erst ungefähr die 20. Begehung. Das war damals noch keine Selbstverständlichkeit, denn zu jener Zeit sind viele Seilschaften am Berg abgestürzt. Am Lauberhorn schaust du auf der einen Seite an die Nordwand und auf der anderen Seite auf die Rennpiste in Richtung Wengen. Für Letzteres musst du als Trainer Lösungen präsentieren. Ich konnte mir am Lauberhorn stets sagen: Wenn du für die Nordwand eine Lösung gefunden hast, dann wirst du wohl auch für die paar Abfahrer eine Lösung finden, wie sie erfolgreich da runterfahren. Der Blick auf die Eiger-Nordwand war für mich in Wengen stets ein Moment der Entspannung.»
Karl Frehsner mit einem unidentifiziertem Skifunktionaer auf der kleinen Scheidegg (BE) und der Eiger-Nordwand im Hintergrund, aufgenommen im Januar 1983. (KEYSTONE/Str)
Karl Frehsner 1983 vor der Eiger-Nordwand.Bild: KEYSTONE

Die Gespräche mit dem alten Mann

1930, noch vor Karl Frehsners Geburt, organisierte Ernst Gertsch das erste Lauberhorn-Rennen. 40 Jahre lang blieb er dessen OK-Chef. Frehsner pflegte bis zu Gertschs Tod im Jahr 1986 ein freundschaftliches Verhältnis mit ihm:

«Ich hatte einen guten persönlichen Draht zu Ernst Gertsch. Ich diskutierte mit ihm oft über frühere Ereignisse. Die ganze Entstehung der Skirennen hat mich immer sehr interessiert. Damals betrachtete ich Ernst Gertsch als alten Mann und heute bin ich selbst so einer. Ich habe zu Beginn der Neunzigerjahre übrigens die erste Super-G-Strecke am Lauberhorn homologiert, auf welcher Marc Girardelli 1994 die damalige Wengener Weltcup-Premiere gewann. Ich beurteile übrigens auch heute noch im Auftrag der FIS Rennstrecken.»

Der von Lawinen blockierte OK-Präsident in Festlaune

Auch Urs Näpflin, der heutige OK-Chef der Lauberhornrennen und seine zwei Brüder kamen in den Genuss von Karl Frehsner als Trainer:

«Urs und seine Brüder waren auf dem Weg zu einem Rennen nach Cervinia in Italien. Ich habe erfahren, dass beim Grossen Sankt Bernhard und im Aostatal akute Lawinengefahr herrschte und das Rennen frühzeitig abgesagt wurde. Damals gab es aber ja noch keine Handys. Also versuchte ich noch, einen Helfer zur Tunneleinfahrt zu schicken, um den Teambus aufzuhalten. Aber es war schon zu spät. Die Näpflins waren dann wegen Lawinenniedergängen drei Tage im Aostatal blockiert und ich musste die Aufgabe übernehmen, der Mutter zu erklären, wo ihre Söhne waren.»

Urs Näpflin sagte am Donnerstag, angesprochen auf diese Episode, mit einem Schmunzeln: «Und wir haben es dort im Aostatal so richtig genossen, für einmal nicht unter den Fittichen des Eisernen Karls zu sein.»

Urs Naepflin, president of the Lauberhorn Rennen, left, and Rainer Maria Salzgeber, from Swiss TV station speak during the award ceremony after the men's super-g race at the Alpine Skiing FIS Ski ...
Heute ist Urs Näpflin (l.) OK-Chef der Lauberhornrennen.Bild: keystone

Wer besser fahren will, der scheitert

Auf die Frage, welches für ihn der schönste sportliche Erfolg am Lauberhorn war, überrascht Karl Frehsner mit der Antwort:

«Das war für mich nie wichtig. Wichtig war mir, dass meine Athleten heil und ihrer Leistung entsprechend ins Ziel gekommen sind. Und ihrer Leistung entsprechend ist für mich bei so schwierigen Rennen wie Lauberhorn, Kitzbühel, WM oder Olympia immer eine ganz spezielle Vorgabe gewesen. Sie sollen nur so fahren, wie sie es können. Sie sollen an diesem Tag nicht besser fahren wollen. Alle anderen werden genau das versuchen und scheitern. Das ist meistens aufgegangen.»

Vorfahrer Daniel Mahrer jagt die Bestzeit

Es gab Zeiten, in denen die Dichte der Schweizer Topfahrer in der Abfahrt noch grösser war als heute:

«Oft mussten die Fahrer noch interne Qualifikationen bestreiten. Daniel Mahrer, damals noch im Europacup, hatte sich nicht für das Lauberhorn-Rennen qualifiziert und startete als Vorfahrer. Er wollte mit einer schnellen Fahrt allen zeigen, wozu er fähig ist und gab mächtig Gas. Das kam nicht gut heraus: Er stürzte als Vorfahrer im Brüggli-S. Nicht fürs Rennen qualifizierte Athleten dafür einzusetzen, birgt immer eine gewisse Gefahr. Dass bereits sie Unterbrüche produzieren, sollte nun wirklich nicht sein.»
Daniel Mahrer springt an der Lauberhornabfahrt vom 18. Januar 1985 ueber die Minschkante. Er belegt an dieser Abfahrt den 17. Platz. (KEYSTONE/Str)
Daniel Mahrer schoss am Lauberhorn auch mal übers Ziel hinaus.Bild: KEYSTONE

Frehsners Französisch-Exkursion mit Adolf Ogi

1987 gewann Joël Gaspoz als bisher letzter Schweizer den Slalom in Wengen. Er war einer der welschen Fraktion, die wegen Karl Frehsner bald einmal auch deutsch verstanden:

«Als Cheftrainer habe ich mich sehr über diesen Sensationssieg von Joël Gaspoz gefreut. Das Slalomteam lag mir auch deshalb stets am Herzen, weil ich selbst nach meiner Zeit als Europacuptrainer der Abfahrer die Verantwortung für die Schweizer Slalomfahrer übernahm. Sie hatten zuvor über ein Jahrzehnt lang kein Rennen mehr gewonnen. An einer Sitzung des Verbandes sagte ich, der Grund sei die Faulheit der Schweizer Fahrer. Da wurde der damalige Verbandsdirektor Adolf Ogi so sauer, dass er mich kurzerhand zum Slalomtrainer umfunktionierte. Ich habe dann unter anderem verlangt, dass sämtliche Entscheidungen im Team ab sofort ausschliesslich auf Deutsch geschehen. Ogi hat erwidert, dass könne er von den Welschen unmöglich verlangen und wollte mich stattdessen im Sommer zu einem Französisch-Aufenthalt ins Welschland verfrachten. Aber ich wich nicht von der Forderung ab … und habe bis heute mit den welschen Fahrern einen guten Kontakt.»

Der Helikopter und keine Besuche in der Bar

Kleine Vorteile am Heimrennen sucht jede Nation. Aber auch die Verlockungen sind im bekannten Umfeld oft grösser als anderswo:

«In meine Zeit fiel die Premiere, dass die besten Schweizer Fahrer als Privileg von Wengen mit dem Helikopter anstatt mit der Bahn zum Start der Abfahrt transportiert wurden. Natürlich war dies ein Vorteil – aber einer, der auch zusätzlichen Erfolgsdruck erzeugte. Viele Gegner waren über diese Massnahme natürlich nicht erfreut. Selbst musste ich praktisch nie Druck auf die Fahrer ausüben. Während unserer Glanzzeiten gewann ja sowieso meistens ein Schweizer. In Wengen hingegen war es nie ein Selbstläufer. Es ist fast nicht möglich, hier die Fahrer unter Kontrolle zu haben und der Druck auf sie ist extrem hoch. Es gibt so viele Begehrlichkeiten von allen Seiten. Aus einer Bar heimholen musste ich allerdings nie jemanden. So blöd war ich nicht, dort überhaupt Ausschau nach ihnen zu halten. Alles, was ich nicht mit eigenen Augen gesehen habe, habe ich nie sanktioniert.»

140 Fahrer und ein Überholmanöver im Rennen

Nicht nur gegenüber seinen eigenen Athleten wurde Karl Frehsner seinem berüchtigten Übernamen «Der Eiserne Karl» gerecht. Was das bedeuten konnte, bekamen auch die Wengener Organisatoren zu spüren:

«Früher war der Tagesablauf in Wengen fix vorgegeben. Wir hatten von Dienstag bis Freitag je zwei Trainingsfahrten am Tag. Das kann sich heute keiner mehr vorstellen. Ich habe zudem eingeführt, dass immer am Mittwoch ein gemeinsames Nachtessen der Mannschaft mit dem OK stattfand. Das bringt viel Goodwill. Einmal musste ich aber bei den Veranstaltern so richtig auf Krawall machen. In den Weltcup-Abfahrten starteten damals noch bis zu 140 Fahrer. Weil wir so viele Schweizer Athleten am Start hatten, mussten einige durchaus hoffnungsvolle Fahrer weit hinten mit dreistelligen Nummern starten. Einer musste im Rennen unterwegs sogar einen vor ihm gestartete Exoten überholen. Ich habe dann im Rennbüro so richtig auf den Tisch geklopft. Es ist dort zugegangen wie im Wilden Westen. Erst später gab es von der FIS eingesetzte Renndirektoren – ich war übrigens der Allererste.»
Walter Reusser, alpine director Swiss-Ski, left, and coaching legend Karl Frehsner watch the men's slalom race at the Alpine Skiing FIS Ski World Cup in Wengen, Switzerland, Sunday, January 19, 2 ...
Noch heute arbeitet Karl Frehsner für Swiss-Ski – zeitweise war er auch FIS-Renndirektor.Bild: KEYSTONE

Als Engländer getarnter Schweizer Skistar

Der Toggenburger Willi Forrer gehörte in den Sechzigerjahren zu den besten Schweizer Abfahrern. Er gewann 1962 die Abfahrt in Kitzbühel. Auch zu ihm weiss Karl Frehsner eine Geschichte:

«Willi Forrer wollte nach dem letzten Training noch eine zusätzliche Besichtigungsfahrt auf der Lauberhorn-Strecke unternehmen, um sich einige Stellen speziell anzuschauen. Als Tarnung zog er den Trainingsanzug eines Engländers an. Als er von den Pistenarbeitern entdeckt wurde, ging er kurzerhand in die Hocke und fuhr ihnen im Höchsttempo einfach davon.»
Karl Schranz, links, im Januar 1961 im Gespraech mit Willi Forrer, rechts, bei den Lauberhornrennen in Wengen. Erstmals ist der Sturzhelm in Wengen obligatorisch. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
Willi Forrer (r., hier mit Karl Schranz) fuhr auch mal als Engländer getarnt das Lauberhorn herunter.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV
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