Sie ist das Wunderkind des alpinen Skirennsports. Mit erst 19 Jahren ist Mikaela Shiffrin bereits Olympiasiegerin, Weltmeisterin, Gewinnerin von zwei kleinen Kristallkugeln und zwölffache Weltcup-Siegerin. Nun steht sie in ihrer jungen Karriere vor ihrer nächsten Herausforderung: Den Heim-Weltmeisterschaften. Shiffrin ist noch stärker in Vail/Beaver Creek verwurzelt als Vonn, die erst als Teenager von Minnesota aus in die Gegend gezogen ist.
Shiffrin, die aus einer Ski-Familie stammt, ist in Vail aufgewachsen. Hier wohnt sie heute, auch während der Weltmeisterschaften, hier hat sie ihre ersten Schwünge gezogen, und hier ist eine Strasse nach ihr benannt, der «Mikaela Way». Sie ist der grosse Star der Region. Ihr Konterfei ist allgegenwärtig. Verlassen hatte sie diese Umgebung eigentlich nur, um an der Burke Mountain Academy im Bundesstaat Vermont ihre Ski-Ausbildung voranzutreiben. Die Zeit in jenen östlicheren Gefilden hatte ihr geholfen, sich besser auf andere Schneebedingungen und eisigere Pisten einzustellen.
Gegen aussen hat sich Mikaela Shiffrin vor dem Auftakt zu diesen Weltmeisterschaften sehr gelassen gegeben. Einen besonderen Druck verspüre sie nicht, meinte sie. Dies sei deshalb so, weil sie aus einer Position der Stärke agieren könne. Dass sie mit Druck umzugehen wisse, habe sie schon vor zwei Jahren an den letzten Weltmeisterschaften in Schladming bewiesen. Und unterdessen sei sie ja noch erfahrener geworden. Wieso solle sie sich also Sorgen machen.
Rechtzeitig auf diese WM hin scheint Shiffrin wieder in Top-Form gekommen zu sein. Ihre letzten vier Rennen beendete sie allesamt auf dem Podest. Die Weltcup-Slaloms in Kühtai und Zagreb konnte sie zu ihren Gunsten entscheiden. Shiffrin fand zurück auf den Erfolgspfad, nachdem sie von Mitte November bis Mitte Dezember eine Durststrecke erlebt hatte.
In jene Dürreperiode fielen auch die Trainer-Diskussionen im amerikanischen Team. Um den Jahreswechsel wurden dann personelle Rochaden im Betreuerstab publik. Ihr mehrjähriger Mentor Roland Pfeifer, dem sie viele Erfolge zu verdanken hat, wurde innerhalb des Verbands zu den Männern versetzt.
Shiffrin hielt sich nicht lange mit dieser Thematik auf. Wenn sie heute auf die Trainer-Geschichte zurückblickt, sagt sie, dass es manchmal einen Wechsel brauche, beispielsweise wenn Sättigung aufkomme. Unterstützt wird sie nun auch vom jungen Schweizer Coach Luca de Marchi. Einen wesentlichen Einfluss macht aber ihre Mutter Eileen geltend. Das Zwischentief soll Shiffrin auch deshalb überwunden haben, weil sie mit ihrem Ausrüster Atomic neue Erkenntnisse in der Materialabstimmung entdeckt habe.
Gold holen kann Shiffrin in Vail/Beaver Creek in beiden technischen Disziplinen. Der Slalom ist nach wie vor ihre Domäne. Und im Riesenslalom hat sie auf diese Saison hin weitere Fortschritte erzielt. In Sölden feierte sie den ersten Weltcup-Sieg in dieser Sparte, zeitgleich mit Anna Fenninger. In Bälde will Shiffrin, die sich auch abseits der Pisten bestens verkauft, ihr Repertoire noch stärker ausbauen. Vorgesehen ist, dass sie sich mehr und mehr an die Speed-Disziplinen herantastet.
Sie hätte eigentlich schon im bisherigen Saisonverlauf ihre Weltcup-Premiere im Super-G geben wollen. Sie merkte dann aber, dass dieser Schritt zu früh gekommen wäre. Shiffrin sagt, es sei vielleicht von ihr ein bisschen arrogant gewesen, zu glauben, dass sie im Super-G schon so weit sei, um im Weltcup vorne mitmischen zu können. Sie habe diese Aufgabe unterschätzt und müsse definitiv noch mehr investieren, um für die Super-G-Feuertaufe gewappnet zu sein.
Für die Medien war es ein gefundenes Fressen, dass diese Weltmeisterschaften mit Lindsey Vonn und Mikaela Shiffrin zwei lokale Ski-Grössen mit weitreichender Ausstrahlung präsentieren können. Einige Journalisten haben den Konkurrenzkampf zwischen der Speed-Queen und der Slalom-Prinzessin in den letzten Monaten dauernd befeuert.
Shiffrin mag es nicht, wenn die Rede ist von einem Duell mit Vonn um die Vorherrschaft auf ihrem Terrain. Die 19-Jährige ist sowieso der Meinung, dass Vonn gegenwärtig noch «80 Mal populärer» sei als sie. «Ich weiss nicht, ob ich mit ihr wirklich konkurrenzieren kann», so Shiffrin weiter, «ich hege jedenfalls sehr viel Bewunderung für sie. Lindsey inspiriert mich.» Dennoch kann Shiffrin ihr Idol in den nächsten Tagen in den Schatten stellen, dann nämlich, wenn sie im WM-Slalom und im WM-Riesenslalom zuschlägt. (si/qae)