Die Musik war wohlbekannt und trotzdem etwas Besonderes an diesem Sonntag. Die Hymne wurde in Lenzerheide für Petra Vlhova, die Gewinnerin der grossen Kristallkugel, gespielt. Die Slowakin hatte das erreicht, wovon sie schon als Kind geträumt hatte. Sie war das, was sie immer sein wollte: die Beste.
Als Vlhova noch ein kleines Mädchen war und Skirennen mit Haarzöpfen fuhr, um ihrem damaligen Idol Janica Kostelic auch vom Äusseren her nacheifern zu können, mischten sich in den Traum aber auch Zweifel. Eine Skirennfahrerin aus der Slowakei ohne grosse Organisation im Rücken eine Allrounderin und Gesamtweltcup-Siegerin? Unmöglich! Abfahrtstrainings als Einzelkämpferin: Wo denn?
Also blieb die junge Vlhova die Technik-Spezialistin. Der Slalom war das Kerngebiet, und da stellten sich die Erfolge rasch ein. Als 16-Jährige gewann sie Gold an den Olympischen Jugend-Spielen in Innsbruck, als 18-Jährige wurde sie in Jasna, nur wenige Kilometer von ihrem Wohnort Liptovsky Mikulas entfernt, Junioren-Weltmeisterin.
Elf Monate nach dem Sieg in Innsbruck debütierte Vlhova im Weltcup – mit einem 11. Rang im Slalom in Semmering und trotzdem kaum wahrgenommen. Im Mittelpunkt stand damals noch eine andere Slowakin. Veronika Zuzulova, zu der die Hochtalentierte ebenfalls aufgeschaut hatte, siegte vor der Österreicherin Kathrin Zettel und Tina Maze. Trainer der Slowenin Maze: Livio Magoni.
Drei Jahre später war Magoni der neue Coach von Vlhova, die in der Saison zuvor in Are in Schweden ihren ersten Weltcup-Sieg errungen hatte. Natürlich in einem Slalom. Wie seine Athletin hatte aber auch der Italiener weitreichendere Pläne. Das Eingleisige war auch ihm nicht genug.
Magoni förderte und forderte, oft über das Normalmass hinaus. Doch Vlhova war bereit, dem angestrebten Erfolg alles unterzuordnen, den beschwerlichen Weg von der Slalom-Spezialistin zur Vielseitigen zu gehen. Ohne Wenn und Aber. Kompromisslos.
In dem auf eine stattliche Grösse angewachsenen Unternehmen Petra Vlhova wird nicht nur hart, sondern auch akribisch gearbeitet. Nichts wird dem Zufall überlassen, keine Mühen werden gescheut. Magoni lässt seine Athletin nicht alltägliche und auch sprichwörtlich lange Wege gehen.
Anfang Dezember nach der Absage der zwei Super-G in St.Moritz etwa reisten Vlhova und ihre Betreuer kurzerhand nach Jasna. Macht 12 Stunden Autofahrt für 1000 Kilometer. Nach drei Trainingstagen ging es weiter nach Courchevel. Niedere Tatra – Savoyen, macht 16 Stunden Autofahrt für 1500 Kilometer.
Es hätte auch die bequemere Variante mit Sterzing und Umgebung für die unmittelbare Vorbereitung auf die zwei Riesenslaloms in Frankreich gegeben. Doch auf einen weiteren Abstecher in den Ort im Südtirol, der seit zwei Jahren als Trainingsbasis dient, verzichtete Magoni bewusst. Er ist darauf bedacht, neue Reize zu setzen und den routinemässigen Alltag zu vermeiden.
Magonis Ideen scheinen unerschöpflich, und er weiss, dass seine Fahrerin den oft seltsam anmutenden Methoden vertraut. Sie ist überzeugt vom Nutzen anderer Sportarten in ihrem Trainingsprogramm. Sie fährt Motocross für ein besseres Gleichgewicht, sie paddelt im Kajak zur Stärkung der Muskulatur der Arme und des gesamten Oberkörpers, sie betreibt die Kampfsportart Krav Maga zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit. Selbst fürs simple Joggen hält Magoni eine nicht alltägliche Variante bereit. Vlhova läuft zur Steigerung der Intensität oft mit einem Fallschirm im Schlepptau durch die Gegend.
Es geht aber auch weniger anstrengend, zum Beispiel in Probelokalen von Musikern. Zur Optimierung der Bewegungskoordination und des Rhythmusgefühls übt Vlhova regelmässig am Schlagzeug.
Vlhova als Schlagzeugerin. Das Bild passt zu einer Fahrerin, die auf den Weltcup-Pisten den Takt vorgibt. Und für die Musik sorgt. (abu/sda)