Spannung und Action sollen sie bieten, die Parallelrennen, den Skisport an ein junges Publikum heranführen. So die Idee der FIS, des Weltverbands. In Cortina sorgten sie überwiegend für Kopfschütteln. Das Format tut sich auch nach mehr als zehn Jahren des Pröbelns schwer, ist noch immer unausgereift. Seit diesem Dienstag in Cortina ist klar: Die Aufnahme ins WM-Programm kam zu früh. Die FIS tat sich keinen Gefallen.
Die Parallelrennen erlebten bei ihrer Premiere an den Titelkämpfen in den Dolomiten ein ziemliches Fiasko. Es begann mit einer Qualifikation am Morgen, die auf einem abgelegenen Hang ausserhalb der WM-Blase stattfand, die das Schweizer Fernsehen besser nicht live im TV gezeigt hätte, über deren Mängel man noch hätte hinwegsehen können. Es setzte sich in sportlich unfairen K.o.-Duellen fort. Und es endete mit grosser Verwirrung und einer Resultat-Korrektur.
Die Österreicherin Katharina Liensberger hatte den Interview-Marathon schon fast hinter sich, da hätte sie ihn noch einmal vorne beginnen können. Während sie der schreibenden Zunft über ihren 2. Platz Auskunft gab, erfuhr sie: Sie hat sogar gewonnen. Nachträglich wurde sie zur Ex-Aequo-Siegerin mit der Italienerin Marta Bassino erklärt. Weil die Österreicher das Reglement besser kannten als der Weltverband und die FIS einlenken musste, als der ÖSV-Sportdirektor Toni Giger ihren Exponenten den entsprechenden Passus im Regelbuch zeigte ...
Man konnte fast meinen, Alexis Pinturault, Henrik Kristoffersen und Mikaela Shiffrin hatten geahnt, was an diesem seltsamen Dienstag auf die Athleten zukommen würde. Sie hatten sich schon am Abend zuvor für einen Verzicht entschieden.
Medaille ist Medaille, durfte sich bei all dem Chaos Loïc Meillard denken. Der Westschweizer gehörte zu den glücklichen sechs ausgezeichneten Athleten und Athletinnen, für die sich der aufreibende Wettkampf gelohnt hatte. Er war bei den Männern augenscheinlich der Stärkste und schaffte es auf den 3. Platz, obwohl er zu den Fahrern gehörte, die durch die Zuteilung der Seite benachteiligt waren.
Wendy Holdener, die am Morgen in der Qualifikation wie Meillard die Bestzeit gefahren war, hatte es weniger gut. Obwohl sie allen Grund gehabt hätte, ihrem Ärger lauthals Luft zu machen, drückte sie sich diplomatisch aus: «Mir wurde ein bisschen zum Verhängnis, dass nicht die ganze Zeitdifferenz vom ersten Lauf gezählt wurde. Die FIS hat einen Fehler gemacht.»
Holdener schied im Viertelfinal gegen Paula Moltzan aus, weil sie auf dem viel schnelleren roten Kurs vorlegen musste und auf dem langsamen blauen mit dem festgelegten Maximalvorsprung von 0.5 Sekunden antreten musste, obwohl sie zuvor mehr als eine Sekunde schneller war. Ein Anwesender im Zielraum nutzte das Erwartbare aus, um sich auf einem Wettportal einen dicken Gewinn abzuholen.
Markus Waldner, einer der FIS-Renndirektoren, entschuldigte sich in den frühen Abendstunden. «Wir sind auch nicht glücklich und bedauern, wie es gelaufen ist. Wir haben heute viel gelernt», sagte der Südtiroler. Von der Kritik, den Wert von 0.5 Sekunden nicht vorgängig angehoben zu haben, konnte sich die FIS nicht freisprechen. Nicht nur für Holdener waren grössere Differenzen aufgrund des Parallel-Riesenslaloms anstelle der bislang gängigen Parallel-Slaloms absehbar. Bei anderen Athletinnen und Athleten fiel die Kritik deutlicher aus.
Es sei ungemein schwierig, parallel zwei gleiche Kurse hinzubekommen, erklärte Waldner. Man werde daran arbeiten, das Format fairer zu machen. Für Holdener war das ein schwacher Trost. Ihr blieb eine Erkenntnis, die sie selbst natürlich auszublenden versuchte: Für sie, die am Mittwoch im Team-Wettkampf, am Donnerstag im Riesenslalom und am Samstag im Slalom weitere Chancen bekommt, steht diese WM bislang unter keinem guten Stern. (pre/sda)
Trotz (oder unabhängig von) positiven Schweizer Resultaten - das ist die mieseste (sportliche) Organisation einer WM seit Jahrzehnten.