Parallel-Rennen haben durchaus ihren Reiz. Das Duell Eins gegen Eins verspricht schliesslich viel Spektakel. Die Art und Weise, wie der Modus von der FIS umgesetzt wird, ist allerdings ziemlich grotesk.
Bei den heutigen WM-Rennen sorgten die unfairen Kursverhältnisse für mehr Gesprächsstoff als die Medaillengewinner, was sicher nicht dem Sinn der Sache entspricht.
Der Unfug begann schon am Morgen, als die FIS kurzfristig entschied, statt zwei Qualifikationsläufen nur einen auszutragen. Die besten Acht pro Kurs qualifizierten sich für die Viertelfinals am Nachmittag. Die Athletinnen und Athleten fuhren also gegen unterschiedliche Gegner um den Einzug in die K.o.-Phase, in einem Lauf, der gerade mal knapp länger als 30 Sekunden dauerte.
Zum richtig grossen Ärgernis wurde das Rennen dann ab den Viertelfinals. Der Modus ist simpel, die Athlet*innen fahren je einmal auf dem roten und dem blauen Kurs, wer schneller ist, kommt weiter. Doch die Sache hatte einen Haken.
Der rote Kurs war deutlich schneller als der blaue. Das konnte sich insofern nicht ausgleichen, weil nach dem ersten Duell ein Maximal-Vorsprung von 0,5 Sekunden erlaubt war. Weil der rote Kurs aber rund eine Sekunde schneller war, hatte der Athlet, der seinen zweiten Lauf dort absolvieren konnte, einen massiven Vorteil. Der Sieg auf dem blauen Kurs war praktisch nur möglich, wenn der Kontrahent auf dem roten Kurs einen groben Fehler beging.
Damit hat es die FIS auch nach Jahren nicht geschafft, faire Bedingungen für die Parallel-Rennen zu schaffen. Immerhin gibt es im Gegensatz zum letzten Jahr jetzt jeweils zwei Läufe in der K.o.-Phase.
Zwei identische Läufe auszustecken auf einem Gelände, das nicht exakt gleich ist, ist bereits ein Ding der Unmöglichkeit. Das wahre Problem ist aber die Regelung, dass im ersten Lauf der Maximal-Vorsprung auf eine halbe Sekunde beschränkt ist. Die FIS will damit Spannung erzeugen – leider auf Kosten der Fairness.
Ein zu 100 Prozent faires Rennen wird es in einem Freiluftsport wie dem Skifahren nie geben – dafür gibt es mit anderen Wind- oder Lichtverhältnissen zu viele Einflüsse, die man nicht steuern kann. Auch die Piste ist immer ein Faktor beim Skifahren. Natürlich haben in den technischen Disziplinen diejenigen Fahrer*innen mit den tieferen Nummern einen Vorteil – sie haben sich diese tiefen Startnummern allerdings mit guten Leistungen über Monate oder Jahre verdient. In den Parallelrennen der jetzigen Form wird der Glücksfaktor aber künstlich vergrössert.
Bitter waren die heutigen Rennen auch aus Schweizer Sicht. Wendy Holdener und Loic Meillard verloren ihre Duelle im Viertel- respektive Halbfinal, obwohl sie offensichtlich auf dem roten Kurs viel mehr Vorsprung rausgefahren hätten, als die erlaubten 0,5 Sekunden. Am Ende mussten sie sich im Re-Run auf dem blauen Kurs geschlagen geben, weil die halbe Sekunde nicht reichte. SRF-Experte Marc Berthod drückte es passend aus: «Sie sind am Regelwerk gescheitert.» Loic Meillard konnte sich am Ende immerhin mit der Bronze-Medaille trösten.
Die Italienerin Federica Brignone sprach vom unfairsten Rennen in ihrer Karriere und dass man bei der FIS sowieso nicht auf die Athletinnen hören würde.
Sinnbildlich für den heutigen Ski-Tag war eine Entscheidung, die erst nach dem Wettkampf verkündet wurde. Die Österreicherin Katharina Liensberger, die im Finale zeitgleich wie Marta Bassino war, bekam nachträglich auch noch die Goldmedaille, weil die FIS das in ihrem Reglement entdeckte. Bis in die Halbfinals kam bei Zeitgleichheit diejenige Athletin weiter, welche die schnellere Einzelzeit gefahren ist.
Morgen steht der Team-Wettbewerb ebenfalls als Parallelrennen an und wir haben die Chance auf ein faires und spannendes Rennen. Oder - was leider zu befürchten ist - darauf, uns erneut zu ärgern.
Die FIS sollte wieder zurück zu den 4 Kerndisziplinen. Von mir aus gerne mit ein paar zusätzlichen Abfahrten oder Sprintabfahrten (kürzere Strecke, 2 Läufe, darum einfacher zu organisieren).