Zu Beginn der Vorrunde versuchte Jürgen Klopp, sein Team im spielerischen Bereich weiterzuentwickeln. Mehr Vielfalt war das Motto: Das Kader wurde verbreitert und verschiedene Formationen wurden eintrainiert, um weniger ausrechenbar und flexibler zu sein. Allerdings ging die neu gewonnene Flexibilität auf Kosten der Stabilität. Die Abläufe funktionierten innerhalb der verschiedenen Formationen selten.
Während der Vorrunde und spätestens in der Winterpause zog man den Schluss, man müsse zu einem stabileren Grundgerüst zurückkehren. Im Training fokussierte sich der BVB auf das defensive Verschieben, Pressingfallen wurden eintrainiert. Dies führt jedoch zu einem strategischen Problem: Der BVB konzentriert sich derzeit voll auf Defensive und Kampf.
Die eigene Rhetorik, man könne in Abstiegsnot Spiele nur über den Kampf gewinnen, verhindert spielerische Lösungen. So ist der BVB momentan eine Pressingmaschine – allerdings gilt dies ebenso für einen Grossteil anderer Bundesliga-Teams. Ein gutes Pressing ist kein Alleinstellungsmerkmal, wie die Spiele gegen Leverkusen und Augsburg zeigen. Spielerisch war man dem kleinen FC Augsburg unterlegen, was angesichts des Dortmunder Kaders ein Offenbarungseid ist. Strategisch muss man vom Defensivfokus abkehren und wieder mehr spielerische Freiheit und Kreativität erlauben, um gegen die personell schwächer besetzten Bundesliga-Gegner bestehen zu können.
Mit diesem Problem einher geht die Suche nach einem personellen Gleichgewicht. Verletzungen und Formkrisen verhindern, dass der BVB eine eingespielte Mannschaft aufstellen kann.
Ein Gegenbeispiel: In der vergangenen Saison war der BVB besonders über die rechte Angriffsseite stark. Aubameyang ging von dort in die Spitze und schuf Raum für Mkhitaryan und Reus. Diese konnten sich im rechten Halbraum ausleben und die beiden Abschlussspieler vor sich einsetzen. Diese Grundstruktur gab dem BVB-Spiel Klarheit, Diagonalität und feste Wechselwirkungen zwischen den Spielern.
Die Klarheit fehlt den Borussen momentan. Jede Woche kommt eine neue Mannschaft aufs Feld, mit anderen potentiellen Synergien und Fokusspielern. Es gibt keine festen Offensivabläufe, an der sich die Mannschaft orientieren kann. Auch die Einbindung der einzelnen Spieler wird dadurch willkürlich. Viele wichtige Akteure wie Kagawa oder Mkhitaryan bekommen kaum Unterstützung und kommen nicht in die Situationen, in denen sie stark sind.
Mit der Rückkehr von Ilkay Gündogan ist zumindest die Ballzirkulation zwischen den ersten beiden Linien etwas besser geworden. In der Vorrunde liessen sich die Borussen oftmals direkt in der Abwehr auf den Flügel drängen, was gegen Augsburg nicht mehr der Fall war. Kleine Fortschritte gibt es also.
Das Potential, das eine so spielstarke Doppelsechs wie Gündogan und Sahin bietet, wurde aber nicht ansatzweise ausgeschöpft. Der BVB hat immense Probleme damit, im Vorwärtsspiel die Mannschaftsteile zu verbinden. Immer wieder passt das Freilaufverhalten nicht zur Ballzirkulation und der ballführende Spieler findet sich ohne Anspielstation wieder.
So was schickt mir mittlerweile ein guter #BVB-Freund. Muss ich mir jetzt wirklich Sorgen machen? Auf geht's Dortmund pic.twitter.com/8grsm2LalN
— Bananenflanke (@dirk_adam) 5. Februar 2015
Die Räume vor den Sechsern müssen öfter, konstanter und weitsichtiger besetzt werden. Zur Zeit bewegen sich die Spieler zu früh in die letzte Linie, was zur allgemeinen Hektik und Planlosigkeit beiträgt. Das gilt dann noch stärker, wenn der Ball einmal im Angriffsdrittel angekommen ist. Der Fokus in solchen Szenen liegt viel zu sehr auf der Bewegung zum Tor. Permanent werden dem Ballführenden verfrühte, zu anspruchsvolle Pässe abverlangt. Die Schwarzgelben versuchen sich panisch, mit der Brechstange durch die Abwehr zu rumpeln, statt den Gegner geduldig und intelligent zu bespielen.
Die allgemeine Hektik der Dortmunder Offensive macht das Spiel für alle Akteure schwerer und für den Gegner leichter. Durch die zu eindimensionale Spielweise wird es schwierig, Überraschungsmomente zu erzeugen. Der Gegner weiss meistens, was die Borussen versuchen, auch weil es häufig nur eine oder zwei Optionen gibt.
Mit besseren Verbindungen und mehr Geduld in der Vorwärtsbewegung erhöhen sich automatisch die Optionen. Dann entstehen auch Möglichkeiten für Kombinationen, die für den Gegner weit weniger durchschaubar sind. In solchen Situationen wird es dann auch einfacher, individuelle Qualität einzubringen, indem man plötzlich in ein Dribbling oder zu überraschenden Abschlüssen greift.
Ein grosses Problem ist das Verhalten der Dortmunder nach Rückständen. Wenn das spielerische Element schon vor dem Rückstand unterentwickelt war, wird es nach dem Rückstand nicht besser – nur dass man sich jetzt in einer noch schlechteren Ausgangslage befindet. Der Gegner kann sich weiter zurückziehen und selber auf Konter lauern, während Dortmund das Spiel machen muss.
Die strategischen Probleme zeigen sich hier in grossen Ausmass: Klopp hält oft an der strategischen Herangehensweise und am Rhythmus des Spiels fest und greift nur in Details ein, bspw. ändert er leicht das Aufbauspiel oder die Rollenverteilungen. Diese Detailveränderungen funktionieren jedoch nicht ohne ein stabiles Fundament.
So werden die vielen spielerischen Probleme mit auslaufender Zeit immer dramatischer. Die Hektik wird schlimmer, die Bewegungen und Entscheidungen noch schlechter und noch vorhersehbarer. Dementsprechend holte Dortmund erst einen Punkt nach Rückständen (2:2 gegen den VfB Stuttgart).
Dortmund fehlt das spielerische Vermögen, in Führung zu gehen – und wenn sie im Rückstand sind, kommen sie nicht wieder zurück. Ein Teufelskreis. Klopp muss im spielerischen Bereich viele Fortschritte schaffen, um den Abstieg abzuwenden.