Vier Jahre lang waren die Young Boys die unangefochtene Nummer 1 im Schweizer Fussball. Bis sie nach einer Saison voller Enttäuschungen vom FCZ entthront wurden. Die grosse Frage lautet nun: War es nur ein YB-Ausrutscher? Oder werden die Berner so lange leiden, wie das der FC Basel nach dem Ende seiner Meisterserie auch musste?
Die ersten, kräftigen Angriffs-Zeichen sind jedenfalls gesetzt. Filip Ugrinic (23, vom FC Luzern) und Cedric Itten (25, von den Glasgow Rangers) sind kluge Verstärkungen. Seit Donnerstag ist zudem klar, wie der neue Trainer heisst: Raphael Wicky. Es war der wichtigste Entscheid des YB-Führungsgremiums Spycher/von Bergen. Aber war er auch richtig?
Man muss sich nicht anmassen, das jetzt schon beurteilen zu wollen. Klar ist aber: Ein weiterer Fehlgriff würde erstmals auch unangenehme Fragen für Spycher erzeugen. Und auch Wicky selbst ist ein Trainer unter besonderer Beobachtung. Weil er beweisen muss, dass die grossen Fähigkeiten, die man ihm einst attestierte, bevor er die Super-League-Bühne betrat, gerechtfertigt sind. Beim FCB ist er gescheitert, und auch der Erfolg bei Chicago Fire war überschaubar.
Interessant ist: Sowohl YB (in diesem Jahr) wie auch Wicky (2017/18 beim FCB) haben die Erfahrung gemacht, dass sich ein zu grosser Umbruch im Winter negativ auswirkt. Darum werden die Berner nun alles daran setzen, die nötigen Mutationen noch vor der Saison zu erledigen. Die Kaderkorrektur ist noch nicht abgeschlossen. Es braucht noch eine Auffrischung in der Abwehr. Und vor allem müssen einige Spieler abgegeben werden, die zuletzt enttäuschten oder eine neue Herausforderung brauchen (Camara? Ngamaleu? Kanga? Siebatcheu?).
Im Gegensatz zu YB gibt es beim Meister FC Zürich keinen Grund, sich von Leistungsträgern zu trennen. Im Gegenteil. Die Frage ist eher: Wie viele Abgänge kann sich der FCZ leisten?
Schmerzhaft ist an erster Stelle der Wechsel von Trainer André Breitenreiter zu Hoffenheim in die Bundesliga. Er war der Baumeister des Erfolgs. Nun muss der FCZ einen Nachfolger finden, der möglichst nicht gerade alles wieder auf den Kopf stellt, was Breitenreiter aufgebaut hat. Die Verlockung, erneut auf einen Trainer aus Deutschland zu setzen, ist da. Aber die Boulevard-Spekulationen müssen nichts bedeuten.
Auch der Abgang von Doumbia, letzte der MVP der Liga, wird zu spüren sein. Bei Toptorschütze Ceesay bleibt ein Quantum Hoffnung auf einen Verbleib in letzter Sekunde. Aber selbst wenn beide gehen, ist ein FCZ-Einbruch nicht zwingend. Doch der Spielraum bei Abgängen wäre erschöpft. Und es gibt weitere begehrte FCZ-Spieler, Stürmer Gnonto und Verteidiger Omeragic an erster Stelle. Wichtig war, dass Kryeziu, Marchesano, Dzemaili und Aliti alle den Vertrag verlängerten. Und die Aussenspieler Guerrero und Boranijasevic sind bis 2024 gebunden.
Die grosse Frage beim FCZ heisst aber: Wie verkraftet das Team die Doppelbelastung, wenn man sich für eine Gruppenphase im europäischen Wettbewerb qualifiziert. Für diesen Fall bräuchte es zumindest noch vier Verstärkungen.
Alex Frei heisst der neue Trainer. Womit die wichtigste Personalie geklärt ist. Aber die entscheidende Frage lautet: Gelingt es Präsident David Degen, sich aus dem Tagesgeschäft so sehr herauszuhalten, wie es Trainer Frei möchte? Auf die Posten eines Sportchefs und CEO verzichtet der FCB weiterhin. Ein Kader-Umbau ist trotzdem zwingend.
Mit Stockers Karrierenende und Kasamis Abgang fällt viel Erfahrung weg. Bedeutet: Das Team braucht mindestens zwei neue Säulen. Im Tor ist Marwin Hitz von Beginn weg auf Bewährung, weil dieser ohne Not dem überzeugenden Heinz Lindner vor die Nase gesetzt wird. Offen ist auch, ob der Verein Sebastiano Esposito noch einmal ausleihen soll, Tendenz: die Geduld mit ihm ist erschöpft.
Geht er? Oder bleibt er doch? Peter Zeidler hat in St.Gallen eine Euphorie entfacht wie schon lange nicht mehr. Er harmoniert mit dem Führungsduo Hüppi/Sutter ideal. Die Nachricht, dass er in der Bundesliga beim FC Augsburg ein Kandidat ist, löste in der Ostschweiz kollektive Schnappatmung aus.
Schwarzer Rauch? Weisser Rauch? Die Bedeutung von Zeidlers Entscheidung gemahnt in der Ostschweiz an eine Papstwahl. Vielleicht auch, weil der Glauben gerade rasant wächst, etwas Grosses zu erreichen. Der verlorene Cupfinal hat nicht für Ernüchterung gesorgt.
Die wichtigste Sorge ist mit der erfolgreichen Barrage ausgestanden – der FCL spielt auch nächste Saison in der Super League. An der Seitenlinie wird auch dann Mario Frick stehen. Die Befürchtung in Luzern, dass er gehen könnte, scheint grundlos. Doch ruhig wird der Sommer gleichwohl nicht.
Die Abgänge der Leistungsträger Ugrinic und Schulz stehen schon fest. Mit Dräger könnte ein weiterer dazukommen. Und auch Youngster Jashari wird lukrative Angebote erhalten. Das bedeutet auch: Remo Meyer steht vor seiner grössten Herausforderung in der Zeit als FCL-Sportchef.