Manchmal sagen die kleinen Dinge mehr als Worte. Kleine Regelbrüche, ob beabsichtigt oder nicht. Jedenfalls nahm sich Roger Federer nach der Achtelfinal-Niederlage in Halle gegen den knapp halb so alten Kanadier Félix Auger-Aliassime (20) mehr Zeit als üblich. Vielleicht musste er sich sammeln. Vielleicht braucht er den Trost der Familie, die ihn vollzählig nach Deutschland begleitet hatte. Vielleicht machte ihm aber auch ein körperliches Problem zu schaffen. Und vielleicht sprach er kurz mit dem Turnierdirektor in Halle, wie ihm das auch in Genf ein Anliegen gewesen war, nachdem er dort nur zu einer einzigen Partie gekommen war.
Das Protokoll sieht vor, dass sich der Verlierer zunächst den Fragen der Journalisten stellt, dann der Sieger. Doch erst zwei Stunden nach der Partie taucht Federer auf. Er ist keiner, der sich den Fragen entzieht, und mögen sie noch so unangenehm sein. Und es gibt nach diesem Tag viele Fragen: Jene nach dem Formstand, nach den Zielen in Wimbledon, wo er noch einmal gerne um den Titel spielen würde, und über die er vor Halle sagte: «Sie sind hoch. Sonst würde ich nicht mehr spielen.»
Thx Roger for the fight! 💪🏻 #NOVENTIOPEN2021 #noventiopen #federer pic.twitter.com/u5uicaRzU3
— NOVENTI OPEN (@ATPHalle) June 16, 2021
Und natürlich stellt sich die Frage, die sich nach Spielen wie diesem immer aufdrängt bei einem, der zwei Knieoperationen hinter sich hat, der diesen Sommer 40 Jahre alt wird, vier Kinder hat, und der nicht zurückgekehrt ist, um vor leeren Rängen zu spielen wie in schon Paris und nun in Halle. Es ist die Frage, die über allem schwebt: Wie lange noch, Roger Federer?
Eine Antwort auf diese Frage gibt es an diesem Abend nicht. Zweieinhalb Stunden nach der Partie erscheint Federer und beantwortet für einmal nur Fragen auf Englisch. Er sagt: «Ich hatte das Gefühl, dass ich Zeit benötige, um das zu verarbeiten. Deshalb möchte ich es für einmal einfach halten.» Federer geht mit sich selber hart ins Gericht, er sagt: «Ich war sehr negativ, was nicht meine Art ist. Meine Einstellung war schlecht, ich bin nicht stolz darauf. Das war enttäuschend.» Er habe verstehen wollen, weshalb er sich so gefühlt habe, tauschte sich deshalb mit Trainer Ivan Ljubicic aus.
Und dann sagte er in einem Nebensatz: «Ich will jetzt keine dummen Entscheidungen treffen.» Federer ist keiner, der unbesonnen handelt, und nach einer Niederlage alles infrage stellt. Schon vor den French Open hatte er gesagt, er müsse diese als Teil seines Prozesses akzeptieren und nehme sie bewusst in Kauf. Für ihn beginne das Jahr mit der Rasensaison.
Allerdings nicht vorgesehen ist ein Rückschlag körperlicher Natur, schon gar nicht jetzt, anderthalb Wochen vor Wimbledon. Es wäre der Todesstoss für seine Ambitionen. Der Frage, ob er ein körperliches Problem habe, wich Federer elegant aus und sagte: «Wir fahren nun in die Schweiz zurück und haben Zeit, zu besprechen, was die nächsten Schritte sind.»
Nach Doha auf Hartbelag, Genf und den French Open auf Sand und nun Halle auf Rasen bestritt Roger Federer erst das vierte Turnier in den letzten anderthalb Jahren und nach zwei Operationen am Knie. In Halle, wohin ihn auch die ganze Familie begleitet hat, ist der Schweizer mit zehn Erfolgen Rekordsieger. Nur bei seinem Heimturnier in Basel hat Federer gleich oft den Siegerpokal in Empfang genommen. Halle und Basel waren auch die letzten Turniere, die er vor seinen Knieoperationen gewann.
Da der Rasenbelag einiges schneller ist, als der Sandplatz, hätte ich Roger mehr Chancen gegben Paris zu gewinnen, als Wimbledon.
Wann er aufhört ist seine Sache. Die Niederlage heute, hat ihm aber schon zu denken gegeben.