Am Donnerstag, pünktlich um 20:15 Uhr, begann die Sondersendung im Schweizer Fernsehen SRF. Die Gäste von Moderator Olivier Borer sind drei Ehemalige. Radiolegende Berni Schär, der im Frühling 2021 in Pension gegangen ist. Und das frühere TV-Kommentatoren-Duo Stefan Bürer und Heinz Günthardt, der aus Schweden zugeschaltet war. Bürer hatte den Sender im letzten Herbst nach 28 Jahren in Richtung Rapperswil-Jona Lakers verlassen, den Vertrag mit Günthardt verlängerte SRF nicht. Beide Abgänge blieben nicht ohne Nebengeräusche.
Aber am Tag, an dem Roger Federer seinen Rücktritt bekannt gab, waren sie zur Stelle. Auch SRF war vorbereitet. Weggefährten, Freunde, Kollegen, die Juniorentrainerin der Old Boys Basel – mit ihnen allen hatte SRF in den letzten Wochen und Monaten schon gesprochen. Einzelne Aussagen von Journalisten waren schon vor knapp vier Jahren aufgezeichnet worden.
Doch auf etwas war SRF nicht vorbereitet: Dass man das letzte Spiel von Roger Federer aller Voraussicht nach nicht live wird zeigen können.
Denn das SRF hat keine Übertragungsrechte am Laver Cup erworben. Wer Federers letztes Spiel sehen will, muss Eurosport einschalten. Schon in den Jahren zuvor hat SRF spärlich über den Kontinentalwettbewerb berichtet. Dem Vernehmen nach, weil man den Laver Cup als sportlich irrelevant betrachtet. Erst 2019 wurde das Format im ATP-Kalender aufgenommen. Nur 2019, als der Laver Cup in Genf ausgetragen wurde, bemühte sich SRF um die Rechte. Damals erhielt CH Media mit dem Privatsender TV24 die Liverechte für die Deutschschweiz.
2020 war der Laver Cup wegen der Pandemie verschoben worden und ging erst im Jahr darauf in Boston an der US-Ostküste über die Bühne. Wegen der Zeitdifferenz von sechs Stunden fanden die Spiele statt, als in Europa Nacht war. Zudem fehlten neben Federer auch Rafael Nadal, Novak Djokovic und Andy Murray – und damit das Quartett, das das Männertennis in den letzten zwei Jahrzehnten massgeblich geprägt hat.
The one and only Roger Federer. #LaverCup pic.twitter.com/Ii1ODFjNxe
— Laver Cup (@LaverCup) September 15, 2022
Doch schon in den Jahren zuvor behandelte SRF den Laver Cup eher stiefmütterlich – sowohl in Fernsehen und Radio als auch auf dem Onlineportal und in den sozialen Medien.
Das mag auch damit zu tun haben, dass die Beziehung zwischen SRF und dem Federer-Management auch schon herzlicher war. Der Zankapfel: die Schaukämpfe «Match for Africa», mit denen Federer Geld zu Gunsten seiner Stiftung sammelt. SRF übertrug die beiden ersten Spiele 2010 und 2014 im Zürcher Hallenstadion, live und rührte die Werbetrommel. Auch die letztmalige Ausgabe im Jahr 2020 war live bei SRF im Programm,
Dazwischen verzichtete SRF allerdings auf eine Live-Übertragung. SRF schreibt dazu: «Damals bestanden die Veranstalter auf eine in die Übertragung eingebettete Spendenkampagne. Eine solche Kampagne ist nicht vereinbar mit dem SRG-Entscheid, nur für wenige ausgewählte Wohltätigkeitsorganisationen zu sammeln (z. B. für die von der SRG gegründete Stiftung Glückskette).» Eine Begründung, die bei Roger Federers Manager Tony Godsick auf wenig Verständnis gestossen ist.
Eine Anfrage zur Rechtesituation rund um den Laver Cup in London (23. bis 25. September) liess Godsick bisher unbeantwortet. Dieser wird nun nicht nur zum grossen Stelldichein des Quartetts um Rafael Nadal, Novak Djokovic, Andy Murray und Roger Federer, sondern auch zu dessen grosser Abschiedsvorstellung. Stand jetzt: ohne das Schweizer Fernsehen.
Offenbar laufen im Leutschenbach die Drähte heiss. Auf Anfrage, ob und in welchem Umfang SRF nun doch noch berichten wird, gibt sich der Sender zugeknöpft und schreibt kurz und knapp: «SRF und die weiteren SRG-Sender werden in jedem Fall über den Laver Cup 2022 berichten. Aktuell prüft die SRG die konkreten vertragsrechtlichen Möglichkeiten.»
Heisst: Man versucht, nun noch eine Sublizenz zu erwerben. Günstig wird das nicht. Welche Preisspirale der Federer-Rücktritt in Gang gesetzt hat, zeigt sich an den Ticketpreisen. Schon seit Donnerstagmittag, also noch vor Federers Botschaft, sind alle Karten für die drei Tage verkauft. Wer auf das Schwarzmarkt-Portal «Viagogo» ausweicht, wird mit Preisen um die 5000 Franken konfrontiert. Wer beste Sicht haben will, muss wesentlich tiefer in die Tasche greifen: Bis zu 64'000 Franken kosteten die letzten Tickets für die Sonntags-Session im Sektor Y beispielsweise.
Wer bereit ist, solche irrwitzigen Summen aufzuwerfen, hat noch keine Garantie, dass er Federer auch wirklich zu sehen bekommt. Zwar trainiere der 41-Jährige, ob er aber im Einzel zum Einsatz kommt, nur im Doppel, oder ob er gar nicht mehr auf den Platz laufen wird, ist völlig offen.
Sicher ist: Wer ein Ticket hat, kann Rafael Nadal, Novak Djokovic, Andy Murray, Frances Tiafoe oder Stefanos Tsitsipas zuschauen. Ein Privileg, das den Zuschauerinnen und Zuschauern von SRF vorenthalten bleiben wird. (aargauerzeitung.ch)