Bereits am Sonntag erreichte Roger Federer London, trainierte sowohl am Montag als auch am Dienstag mit dem Griechen Stefanos Tsitsipas in der O2-Arena. Am Dienstag nahm er sich ausführlich Zeit, um erstmals über die Tage und Wochen vor seinem Rücktritt und die Umstände zu sprechen. Am Abend traf er sich mit Andy Murray, der Tennislegende Björn Borg und dessen Frau, seinem Trainer Severin Lüthi und weiteren Freunden aus dem Tenniszirkus zum Nachtessen in einem argentinischen Restaurant.
Zurück im Hotel richtete Federer sich an seine Anhänger und bedankte sich für die zahlreichen Nachrichten. «Es war sehr emotional. Ich bin glücklich, in London zu sein, umgeben von meiner Frau, den Kindern und Freunden. Ich trainiere, fühle mich wirklich gut. Ich kann es kaum glauben, zurück auf einem Tennisplatz zu stehen und zu versuchen, mich auf ein letztes grosses Spiel vorzubereiten», sagt Federer in der Nachricht.
Am Mittwochvormittag stellte sich Federer den Fragen der Weltpresse und bestätigte, dass er am Freitag im Doppel letztmals auf dem Platz stehen wird. Das Regelwerk des Laver Cups sieht vor, dass jeder Spieler einmal im Einzel zum Einsatz kommen muss. Doch Federer schliesst das aus. Die einzige Möglichkeit: Er spielt am Freitag Doppel und lässt sich danach durch Matteo Berrettini ersetzen. Danach kann er nicht mehr eingesetzt werden – auch nicht am Samstag oder Sonntag. Captain Björn Borg habe dieser Lösung zugestimmt. «Er sagte zu mir: Roger, es ist für uns alle schon ein Traum, dich überhaupt wieder auf dem Tennisplatz zu sehen.»
Am Mittwochabend haben die Spieler gemeinsam gegessen. Noch nicht dabei war Rafael Nadal, der erst heute Donnerstag eintreffen wird.
Federer stehen emotionale Tage bevor, in denen er noch einmal in die Rolle schlüpft, die sein Leben im letzten Vierteljahrhundert bestimmt hat: die des Tennisspielers. «Ein letztes Mal zurück im Kreis der Spieler zu sein, mein letztes Spiel mit Björn Borg auf der Bank zu bestreiten, bedeutet mir viel», sagt Federer. «Mein Abschied zeigt vermutlich allen Spielern, wie glücklich sie sich schätzen dürfen, spielen zu können. Denn jedes Mal, wenn einer aufhört, stellt man sich die Frage: Bin ich der Nächste?»
Speziell Andy Murray, der seit einigen Jahren mit einem künstlichen Hüftgelenk spielt. «Das muss ihn auch durchschütteln», sagt Federer.
Heute Donnerstag findet ein öffentliches Training statt, im Verlauf des Nachmittags geben die Teamcaptains Borg und John McEnroe bekannt, welche Spieler am Freitag in den drei Einzeln und im Doppel antreten. Am Abend findet eine grosse Gala mit Essen und geladenen Gästen statt.
Am Freitag fällt für Federer der letzte Vorhang. Das Doppel beginnt im Anschluss an ein Einzel, das um 20.00 Uhr Schweizer Zeit ausgetragen wird. Ein offenes Geheimnis ist, wen Captain Björn Borg an der Seite des Schweizers nominieren wird: Rafael Nadal.
Federer sagt: «Es wäre ein Traum, der in Erfüllung geht.» Nur einmal spielten die beiden Rivalen und Freunde bisher Seite an Seite bei einem Turnier: 2017 beim Laver Cup in Prag. Zwei Jahre später in Genf musste Nadal das Doppel eine Stunde vor Spielbeginn wegen einer Verletzung am Handgelenk platzen lassen.
Ein Geheimnis ist, in welcher Form das Turnier Federer vor oder nach dessen letztem Spiel ehren wird. Bis vor wenigen Tagen fürchtete Federer diesen Moment, sagte seinem Manager Tony Godsick: «Wenn du etwas planst, dann bitte etwas, bei dem ich nicht reden muss.»
Am Freitag dabei sein werden Federers Ehefrau Mirka, die vier Kinder Myla, Charlene, Leo und Lenny, seine Eltern Robert und Lynette und einige Freunde. «Nicht alle konnten es sich einrichten, weil sie schon andere Pläne hatten – zum Beispiel Hochzeiten. Das ist kein Problem für mich.»
Der Laver Cup wird zu Roger Federers grosser Abschiedssause – ob er das will oder nicht. Es werden Tränen fliessen und es wird vermutlich auch die eine oder andere Überraschung geben. Sicher ist: Es ist kein Adieu, sondern ein Au revoir. Federers Traum ist es, in den nächsten Monaten ein grosses Abschiedsspiel zu veranstalten, bei dem er alle seine Trainer, seine Freunde, seine Wegbegleiter einladen kann, um ihnen Danke zu sagen.
Beim Laver Cup will Federer kein Frührentner sein, sondern ein letztes Mal als Profisportler spielen. Und sich mit einem Sieg verabschieden. (aargauerzeitung.ch)