Alle Erwartungen an die Veranstaltung der Fussball-EM der Frauen in diesen Juli-Wochen wurden bei weitem übertroffen. Ausverkaufte Stadien, lange Fanmärsche mit Tausenden von Teilnehmerinnen und Teilnehmern und eine enthusiastische Stimmung in den öffentlichen und privaten Fanmeilen landauf-landab – ein Sommermärchen schweizerischer Prägung für den Frauenfussball.
Allein in der Stadt Zürich wurden die verschiedenen Aktivitäten von einem bunt gemischten Heer von nahezu 400 freiwilligen Helferinnen und Helfern – «Volunteers» – unterstützt.
Ich war einer davon. Als Vater von zwei inzwischen volljährigen Töchtern hatte ich einst die Schwierigkeiten hautnah miterlebt, einen Platz in einer Mannschaft oder einem Fussballklub zu finden. Aber vielleicht hat sich der Fussball in der Vergangenheit auch in einer sehr speziellen Sphäre entwickelt, mit eingeschriebenen Regeln und Codes. Jedenfalls bin ich durchaus erstaunt, weshalb die Entwicklung von organisatorischen und infrastrukturellen Strukturen für Fussball spielende Mädchen derart weit hinterherhinkt.
Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund meiner persönlichen Jugenderfahrungen im Basketball. Als Zwanzigjähriger übernahm ich in meiner alpinen Heimatstadt die Initiative, ein Juniorinnen-Team auf die Beine zu stellen: interessierte Mädchen finden und motivieren, regelmässige Trainings organisieren und Spiele mit anderen Mannschaften der gleichen Altersklasse durchführen. Nebenbei bemerkt mussten wir glücklicherweise nie die Diskussionen führen, ob Mädchen-Basketball der gleiche Sport sei wie bei den Jungs und nach den gleichen, universellen Regeln gespielt werden soll.
Nachdem ich den Grossteil meiner sportlichen Aktivzeit dem Basketball gewidmet habe, entdeckte ich die Liebe zum Fussball erst in einer späteren Lebensphase. Erinnerungen wecken insbesondere der zunehmende Erfolg unserer Männer-Nati während der Qualifikation und dem WM-Turnier 1994 in den USA. In Zürcher Bars und Clubs traf sich eine bislang unbekannte, vibrierende Szene während der Spielübertragungen im Fernsehen, auf den Strassen wurde gefeiert und getanzt. Die Emotionen im und um den Fussball sind einzigartig.
Heute pflege ich diese Gefühle als Besucher im Stadion im Wochenrhythmus aufzufrischen – aufgrund des inzwischen fortgeschrittenen Alters nicht in der Südkurve, sondern auf dem bequemen Sitzplatz der Gegentribüne des Letzigrunds. Der Weg zum Stadion, diese neunzig Minuten mit Jubel und Gesang, sowie der Besuch der Bar nach dem Spiel sind die essenziellen Zutaten des Fussballzaubers. Oder wie Susanne Kübler von der Tonhalle Zürich in ihrem wunderschönen Artikel «Die Kurve klingt» feststellt, dass die Fussballstadien die grössten Bühnen für den kollektiven Gesang sind.
Wer das Glühen in den Augen unserer Fussballerinnen gesehen hat, wenn Mitglieder der Zürcher Südkurve ein Spiel der FC Zürich Frauen besuchen, der beginnt zu verstehen, dass diese Energie und diese Emotionen im Stadion als Zeichen von Respekt und Ehrerbietung dienen.
Nun darf man allerdings kaum erwarten, dass die bereits etablierte Fankultur bei den Männern sich unverändert auf den Frauenfussball übertragen liesse oder übertragen werden soll. Mittel- bis langfristig müssen die Frauenteams sich eine eigene Anhängerschaft schaffen – mit ihrer ganz spezifischen und einzigartigen Fankultur, mit eigenen Ritualen, eigenen Codes und vielleicht auch eigenen Fangesängen.
Die ausgelassene und friedliche Atmosphäre rund um die Spiele der EM in der Schweiz ist ein erster wichtiger Schritt. Nun liegt es an den Klubs, den Medien und an den Fussballinteressierten im ganzen Land, die Entwicklung des Frauenfussballs weiterzutragen und auszubauen.
Mitmachen, weil es wichtig ist, weil es richtig ist und weil es Spass macht, einen kleinen Beitrag zum Gelingen einer grossen Sache beisteuern zu dürfen.