Vielleicht haben Sie noch nie davon gehört: Padel. Doch das könnte sich bald ändern. Padel ist das Silicon Valley der Sportwelt. Grosser Trend. Grosser Aufschwung. Alle wollen irgendwie dabei sein.
Padel ist eine Mischung zwischen Tennis und Squash. Eine Sportart, deren Beliebtheit auch in der Schweiz rasant wächst. Experten gehen davon aus, dass Padel in Zukunft im Amateurbereich die viertgrösste Sportart der Schweiz wird. Das Problem: Vor allem im Winter gibt es viel zu wenig Plätze für die Nachfrage. In der Deutschschweiz gibt es gerade einmal sechs Centren, letzte Woche ist in Rüti das grösste der Schweiz mit acht Plätzen eröffnet worden. Ostschweizer spielen in Staad, Innerschweizer in Rothenburg, im Raum Zürich gibt es zwei Centren, dazu eines in Wädenswil. Das Bild gleicht sich überall: In der Primetime sind die Plätze zwischen 17:00 und 22:00 Uhr fast immer ausgebucht.
Warum ist das so? Timo Helbling ist einer, der schon ziemlich lange mit dem Padel-Fieber infiziert ist. Der ehemalige Eishockey-Nationalspieler und langjährige EVZ-Verteidiger entdeckte den Sport wegen Jonas Andersson, eines schwedischen Kollegen, mit dem er einst in Milwaukee zusammenspielte. In Schweden ging der Padel-Boom gerade los. «Also fragte ich mich: Könnte so etwas auch in der Schweiz möglich sein?» Helbling stieg als Investor in einer Halle in der Nähe von Zürich ein.
Padel erfreut sich auch darum einer wachsenden Beliebtheit, weil es verhältnismässig einfach zu spielen ist. Die Technik ist viel weniger kompliziert als beim Tennis. Auch Amateure erreichen sehr schnell ein Niveau, wo ein Spiel entsteht, das allen Spass bereitet.
Nun stellt sich natürlich die Frage: Ist Padel eine Gefahr fürs Tennis? Helbling sagt: «Eigentlich ist ja erstaunlich. Trotz Federer und Wawrinka ist der ganz grosse Tennis-Boom in der Schweiz ausgeblieben.» Die Zahlen bestätigen das. 2004, als Federer erstmals drei Grand-Slam-Turniere in einem Jahr gewann, verzeichnete Swisstennis 172'469 Mitglieder. Im Jahr 2022 waren es noch 164'378. Das ist kein dramatischer Rückgang – aber eben auch kein Aufschwung.
René Stammbach ist Präsident von Swiss Tennis. Auch er selbst spielt gerne Padel. Momentan gerade etwas weniger, weil er sich beim Spiel die Achillessehne riss. Trotzdem sagt er: «Ich bin ein riesiger Padel-Fan!»
Und doch ist es eine interessante Frage, inwiefern Padel Auswirkungen aufs Tennis hat. «Entscheidend ist, ob Padel für uns eine Bedrohung ist», sagt Stammbach. «Weltweit haben Studien aber gezeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Padel ist viel einfacher zu lernen für Kinder, viel weniger technisch. Darum könnte es sogar sein, dass in Zukunft manch einer vom Padel zum Tennis findet.» Auch Timo Helbling sagt: «Es sind andere Leute, die von Padel angesprochen werden – solche, die nicht mit Tennis anfangen würden.»
Dass in der Schweiz gerade sehr viele Tennis-Centren um ihr Überleben kämpfen, ist dennoch ein bedrohlicher Fakt. An manch einem Ort müssen Tennisplätze Wohnungen weichen, wie gerade das «Vitis» in Schlieren bei Zürich. Es gibt auch Beispiele, wo auf zwei Tennisplätzen plötzlich vier Padel-Courts stehen wie in Baden – aus finanziellen Gründen. Padel wird zu viert gespielt – die Preise sind hingegen ähnlich, ergibt viermal so hohe Einnahmen auf der Fläche eines Tennisplatzes. Stammbach sagt: «Es ist eine Tatsache, dass derzeit Tennisplätze verschwinden. Wir müssen darum wieder mehr Tennisspielerinnen und Spieler generieren, was automatisch die Nachfrage nach Tennisplätzen nach sich ziehen wird.»
Im Jahr 2006 erhob Swisstennis erstmals, wie viele Indoor-Hallenplätze es in der Schweiz gibt, 699 waren es. Im Jahr 2022 sind es noch 650. Die Tendenz ist also bereits leicht rückläufig.
Stammbach wünscht sich einen gemeinsamen Weg mit dem Padel-Verband. «Mit unserem Know-How könnten wir einander sicher unterstützen.» Konkret geht es beispielsweise darum, Turniere gemeinsam professionell zu organisieren oder Rankings zu führen.
Alles in Minne also? Anruf bei Claudia Bräm. Sie ist Präsidentin von Suipa, dem schweizerischen Padel-Verband. Auch sie bestätigt den Padel-Boom in der Schweiz. «Wir wurden von Covid zwar etwas gebremst, aber nun nimmt alles wieder voll Fahrt auf», sagt sie. Warum? «Eine holländische Studie hat einmal aufgezeigt, dass Padel ein riesiges Sucht-Potenzial hat. Und ich denke, dass Padel den Zeitnerv von ganz vielen Hobby-Sportlerinnen und Sportlern trifft.» Manches erinnert sie an Beachvolleyball, «es herrscht eine lockere Atmosphäre, viele feiern Padel.»
Darauf angesprochen, ob sie Angst hat, dass Padel in der Schweiz irgendwann vom Tennis geschluckt wird, sagt Claudia Bräm: «Es ist fast schon eine philosophische Frage: Darf Padel ein eigener Sport bleiben oder muss es sich unterordnen?» Der Seufzer in ihrer Stimme macht klar: Padel soll eigen bleiben.
Ganz so selbstverständlich ist das jedoch nicht. Bräm berichtet von heftigen Diskussionen auf internationaler Ebene. «Da laufen teilweise seit Jahren unschöne Diskussionen. Ich hoffe, in der Schweiz bleiben wir davon verschont und finden einen gemeinsamen Weg.»
Der nächste Schritt ist jedenfalls bereits geplant: Noch in diesem Jahr wird Suipa den Antrag einreichen, dass der Padel-Sport bei Swiss Olympic aufgenommen wird. Auch international geht einiges. In diesem Jahr ist Padel erstmals Teil der European Games – zunächst einmal als Showcase. Doch die Entwicklung ist absehbar – irgendwann wird Padel olympisch, vielleicht schon bei den Sommerspielen 2028.
Zurück nach Rüti. Die Halle im Zürcher Oberland ist neu die grösste der Schweiz. Auf 3200 Quadratmetern bietet sie Spielgelegenheiten auf acht Plätzen. Marco Schönbächler und Adrian Winter machen auch auf dem Platz eine gute Figur. Sie verpassen den beiden (gewiss nicht untalentierten) Reportern eine 6:0, 6:1 Packung. Erst im dritten Satz können die Schreibenden mithalten – der rasche Lerneffekt bestätigt sich.
Als Schönbächler danach hinter dem Tresen steht und sein Blick durch die Anlage schweift, sagt er: «Es fühlt sich ein bisschen an wie unser Baby. Es ist genau so geworden, wie wir es uns vorgestellt haben.» Schönbächler wird in nächster Zeit ziemlich viel in der Halle anzutreffen sein. Schliesslich ist es nicht einfach eine Investition, sondern ein Herzensprojekt. «Nun geht es für uns auch darum, zu überlegen, wie wir Kinder und Jugendliche zum Padel bringen», sagt Adrian Winter. Ein Trainer ist bereits angestellt. Und der nächste Team-Event des FCZ ist ebenfalls bereits in Planung. (aargauerzeitung.ch)