Novak Djokovic kennt jeder Mensch, der Tennis auch nur beiläufig verfolgt. Mit seinen 20 Grand-Slam-Titeln ist der Serbe ein absoluter Weltstar. Doch beim Einreiseschlamassel in Australien spielen auch andere Figuren eine grosse Rolle.
Stand jetzt ist Alexander George Hawke der wichtigste Mann in der Affäre Djokovic. Als australischer Minister für Immigration und Staatsbürgerschaften hat er die Macht, Djokovic das Visum abermals zu streichen. Der 44-jährige Politiker der Liberal Party könnte dies tun, wenn er Djokovics Aufenthalt in Australien als Gefährdung der australischen Volksgesundheit ansieht.
Hawke scheint derzeit aber unsicher, was der richtige Schritt ist. Er hat einen Entscheid in der Djokovic-Affäre nun bereits zum zweiten Mal verschoben. Vor Mittwoch (Lokalzeit) wird kaum mehr ein Entschluss gefasst. Hawke ist seit einem Jahr in seinem Amt und seit 2007 im australischen Parlament. Sollte er die Entscheidung fällen, Djokovics Visum abermals zu annullieren, würde es für die Anwälte des Serben deutlich schwerer werden, das Urteil erneut anzufechten, da seine Macht unter dem australischen «Migration Act» deutlich grösser ist.
Sie sorgten für Djokovics Sieg am Gericht in Melbourne. Die vier Anwälte Nikola Dragojlovic, Nick Wood, Jim Hartley und Paul Holdenson erarbeiteten die Strategie, auf einen möglichen Formfehler der australischen Behörden zu setzen, und hatten damit zumindest vorerst Erfolg.
Es ist zu erwarten, dass die vier Djokovic auch weiterhin vertreten würden, sollten weitere juristische Verhandlungen notwendig sein. Allerdings hat der Fall auch gezeigt, dass Djokovics Geduld mit Anwälten nicht besonders gross ist. Natalie Bannister und Penelope Ford von der Kanzlei Hall & Willcox erreichten mit einer einstweiligen Verfügung aufschiebende Wirkung gegen die Ausweisung und legten damit die Grundlage für den Prozess vom Montag. Kurz darauf wurden sie dennoch durch das Männer-Quartett ausgewechselt – die Gründe dafür sind nicht bekannt.
Im Mai sind in Australien Wahlen und bislang lief die Amtszeit von Premierminister Scott Morrison nicht nach Wunsch. Es gab Ärger in der eigenen Koalition und Streit rund um die strikten Massnahmen gegen das Coronavirus in «Down Under». Morrison, der wie Hawke der «Liberal Party» angehört, schien die Djokovic-Affäre nutzen zu wollen, um ein Signal zu setzen.
Der Premierminister wählte am 6. Januar knackige Worte: «Wir heissen gerne Menschen in Australien willkommen. Aber wenn sie nicht geimpft sind und auch nicht australischer Anwohner oder Bürger, dann können sie nicht kommen. Regeln sind Regeln.»
Nun, da das Gericht in Melbourne zugunsten Djokovics entschied, droht Morrison sein Gesicht zu verlieren. Das Politik-Magazin Politico schrieb bereits: «Ein weiterer Tag, eine weitere Niederlage für Morrison.» Die linke Labour Party wirft dem Premier vor, «die Kontrolle über die australischen Grenzen verloren zu haben». Morrison dürfte darauf hoffen, dass Parteikollege Hawke sich dazu entscheidet, Novak Djokovic abermals abzuweisen.
Sowohl Djokovics Seite wie auch die der australischen Regierung versuchten schon früh, Einfluss auf Richter Anthony Kelly zu nehmen. Während Australien versuchte, die Gerichtsverhandlung nach hinten zu verschieben, probierten Djokovics Anwälte gegenteiliges. Davon liess sich Kelly, der seit 2017 Bundesrichter ist, aber nicht beeinflussen. Die Verhandlung fand wie geplant statt.
Judge Anthony Kelly declared that the government’s decision to cancel Djokovic’s visa was ‘unreasonable’ on the grounds that he had not been given time to speak with his lawyers or representatives from Tennis Australia after being detained, and overturned the cancellation 👩⚖️ pic.twitter.com/BR8EXZjA1R
— Metro Sport (@Metro_Sport) January 10, 2022
«Er ist eine ehrliche und aufrichtige Person. Er hatte eine gute Anwaltskanzlei und ist nun ein guter Richter», meinte ein Kollege Kellys gegenüber der australischen Zeitung «Financial Review». Am Ende des Verfahrens traf Kelly die Entscheidung, dass das Einreiseverfahren seitens der australischen Grenzbehörden nicht korrekt abgelaufen sei. Man habe Djokovic nicht genügend Zeit eingeräumt, um allfällige zusätzliche Informationen zu beschaffen.
Einen direkten Einfluss auf den Ausgang des Falls in Melbourne haben Bruder Djordje, Mutter Dijana, Onkel Goran und Vater Srdijan nicht, sehr wohl aber auf die öffentliche Wahrnehmung von Novak. In den letzten Tagen veranstaltete der Djokovic Clan zuhause in Belgrad immer wieder Pressekonferenzen.
Mutter Dijana sagte etwa: «Novak erlebte Folter und Belästigung, wir werden noch mehr darüber hören.» Vater Srdijan erklärte Novak zum «Symbol und Führer der freien Welt, der Welt der armen und unterdrückten Länder und Völker» und bezeichnete ihn als neuen Spartakus. Ob sie damit ihrem Sohn in Melbourne wirklich helfen, ist fraglich.
Als CEO des australischen Tennisverbands (Tennis Australia) ist Craig Tiley auch Turnierdirektor des Australian Open. Grundsätzlich ist er neben Novak Djokovic selbst die Figur, die das ganze Einreise-Drama ausgelöst hat.
Unter Tileys Führung lieferte Tennis Australia ungeimpften Spielern eine Anleitung, wie sie trotz fehlender Impfung einreisen können. Das Problem: Die Anleitung war schwammig und fehlerhaft. So fehlte die Information, dass zur Einreise in Australien eine Genesung alleine nicht reicht, sondern dass auch zwingend ein Nachweis erbracht werden muss, dass man sich auch vor und nach der Erkrankung aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen konnte. Auch wenn Djokovic am Ende zum Turnier antreten darf, hat Tileys Reputation einigen Schaden genommen. (abu)
Das stinkt doch zum Himmel.