Auf der Tribüne setzt sich Dieter Kindlmann in die hinterste Ecke und freut sich, als der Berner Dominic Stricker mit einem 6:2, 6:4 gegen den Tschechen Jan Kumstat seinen ersten Sieg in diesem Jahr feiert. Es ist, als wäre nichts gewesen. Der Deutsche macht gute Miene zum bösen Spiel.
Denn Fakt ist: Kindlmann hat seine Kündigung eingereicht, Ende April läuft der Vertrag aus. Reden mag er nicht über die Situation. Das überlässt er lieber Stricker. «Wir hatten zwei super Jahre zusammen und verstehen uns ausgezeichnet», sagt dieser. Noch sei das letzte Wort nicht gesprochen. Doch trotz Sympathien stehen die Zeichen auf Trennung und Neuanfang.
Stricker sitzt in der Tennishalle im solothurnischen Trimbach, am Buffet gibt es selbst gemachten Kuchen und Kaffee, die Bälle musste er selber einsammeln. Es ist eine andere Welt, in die er am Dienstag eintaucht. Noch vor wenigen Wochen spielte der Junioren-French-Open-Sieger von 2020 bei den Australian Open auf einer der grössten Tennisbühnen.
Stricker hat schwierige Monate hinter sich. Zuerst eine Rückenverletzung und dann persönliche Probleme haben ihn zurückgeworfen. Im Ranking ist er auf Position 284 zurückgefallen. Noch im Herbst 2023 lag ihm die Welt zu Füssen, als Stricker bei den US Open die Achtelfinals erreichte.
Nun ist er sportlich und persönlich am Tiefpunkt angelangt. Seit die NZZ vor einer Woche publik gemacht hatte, dass Stricker sich von seinem Vater Stephan lösen will und diesen als Hauptproblem für die Krise ausgemacht hatte, befindet er sich in der Mitte eines Orkans. Dennoch wirkt er gefasst, gelassen, ja fast entspannt, als er über seine schwierige Situation spricht.
Seine wichtigste Botschaft: Ein Rücktritt steht nicht zur Debatte. Er sagt: «Ich bin voll motiviert, es macht mir extrem viel Spass, auf den Platz zu gehen.» Die zweite Botschaft: «Der Schritt von den Eltern weg ist ein Prozess. Es ist keine einfache Zeit. Aber wir verstehen uns gut.» Er wohne auch noch zu Hause. Bisher war sein Vater Stephan als Agent aufgetreten.
Alle seien an einer guten Lösung interessiert. Doch klar scheint noch gar nichts: Weder wer sein Trainer werden soll, noch wer das Management übernimmt. Wie Recherchen von CH Media zeigen, führte der 22-Jährige schon im letzten Herbst Gespräche mit einem renommierten Schweizer Sportmanager. Zu einem Abschluss kam es nicht. Grund für das Scheitern soll die ungeklärte Rolle von Vater Stephan gewesen sein.
Seit 2022 setzte Stricker auf ein Familienmodell, wie es in der frühen Phase seiner Karriere Roger Federer praktizierte, mit Vater Stephan in der Rolle des Managers. Dafür hatte der gelernte Koch, der es im Tischtennis bis in die NLA schaffte, sein Pensum bei der Polizei reduziert. Zeitweise reiste Stricker mit einer Entourage von bis zu 14 Personen um die Welt.
Davor wirkte Mathias Walther während knapp eines Jahres als Manager. Der Baselbieter hatte sich im Fussball einen Namen gemacht, wirkte in diversen Funktionen beim Schweizer Rekordmeister GC, war Trainer beim FC Winterthur und bis 2019 erneut Sportchef bei den Grasshoppers.
Zur Trennung sagte Dominic Stricker damals diplomatisch: «Es gab ein, zwei Meinungsverschiedenheiten.» Wie mehrere Quellen bestätigen, soll es auch damals Unstimmigkeiten mit Vater Stephan gegeben haben. Dieser schweigt zu den Vorwürfen. Auch dazu, dass er den Verband Swiss Tennis wiederholt verbal angegriffen haben soll, bezieht er keine Stellung. (aargauerzeitung.ch)