Anfang der 1990er-Jahre wird der FC Barcelona vier Mal in Folge Meister. An dieser ersten grossen Ära in der Neuzeit des Klubs hat Christo Stoitschkow einen wesentlichen Anteil. Nostalgiker schnalzen bei den Namen der Protagonisten mit der Zunge.
Andoni Zubizarreta hütet das Tor. Ronald Koeman hält die Abwehr zusammen und haut dem Gegner Freistösse rein. Im Mittelfeld laufen bei Michael Laudrup die Fäden zusammen. Und vorne schiesst Stoitschkow die Tore. 1992 gewinnt Barça im Wembley gegen Sampdoria Genua die letzte Ausgabe des Meistercups, bevor dieser in der Saison darauf zur Champions League wird. Es ist zugleich der erste Triumph der Katalanen im wichtigsten Klubwettbewerb überhaupt.
Als 1993/94 auch noch der Brasilianer Romario hinzustösst, hat Trainer Johan Cryuff eine Wundertruppe beisammen, der weitere spanische Nationalspieler wie Miguel Angel Nadal (Rafael Nadals Onkel), José Mari Bakero, Txiki Begiristain oder ein gewisser Pep Guardiola angehören.
Stoitschkow ist in all den Jahren ein mehr als sicherer Wert, der im Schnitt in jedem zweiten Spiel trifft. Der Linksaussen ist technisch beschlagen, er hat einen Schuss, der ihm den Spitznamen «El Pistolero» einbringt, und sein feuriges Temperament ist für viele Anhänger die Kirsche auf der Torte.
Trainer Cruyff und sein Schlüsselspieler kommen sehr gut miteinander aus. Beide profitieren voneinander, der frühere Weltklassespieler gibt seinem Schützling wertvolle Tipps. Nur bei einer Sache will es einfach nicht klappen. Im Training versucht Stoitschkow vergeblich, beim Seilspringen den Kreuzdurchschlag zu schaffen. Weil eine TV-Kamera dabei ist, wird nicht nur Trainer Cruyff Zeuge davon:
Nach Stoitschkows vergeblichen Versuchen greift sich der 46-jährige Cruyff ein Seil und zeigt, wie es geht. Falls du es besser machen willst als der bulgarische Stürmer:
Stoitschkow kann diese kleine Niederlage verkraften. Er ist es gewohnt, dass ihn Cruyff hart anpackt. Vor den anderen habe er ihn manches Mal zur Schnecke gemacht, erzählt er einst, nur um nach dem Training wieder ein guter Freund zu sein. «Er konnte mir vor allen anderen sagen, dass ich eine Katastrophe sei, dass ich im nächsten Spiel nicht spielen würde und dass er mich verkaufen werde, aber nach dem Training gingen wir gemeinsam essen.»
Sie hätten eine besondere Beziehung gehabt, schildert Stoitschkow weiter. «Er holte mich aus einem abgeriegelten Land nach Katalonien und half mir sehr in dieser neuen Umgebung. Er hat mein Leben verändert und auch das vieler anderer.»
Der Fall des Eisernen Vorhangs kommt für ihn zu einem perfekten Zeitpunkt. Der 24-Jährige ist Fussballer des Jahres in Bulgarien, Torschützenkönig, Nationalspieler und er hat auch schon im Europacup für Aufsehen gesorgt. Als Gewinner des Goldenen Schuhs für den besten Torjäger Europas holt ihn Cruyff 1990 von ZSKA Sofia zum FC Barcelona.
«Entscheidend waren für mich nicht seine Tore, sondern sein Charakter und seine Mentalität. Das war genau die Art von Spieler, die ich brauchte», erinnert sich Cruyff einst, als er über Stoitschkow spricht. «Ich brauchte unbedingt eine starke Persönlichkeit und er war schnell, bissig, schlug fantastische Pässe und hatte vor dem Tor einen Killerinstinkt.»
Auf internationalem Parkett stellt er diesen an der WM 1994 unter Beweis. Bei Bulgariens sensationellem Vormarsch in die Halbfinals erzielt Stoitschkow sechs Tore, womit er gemeinsam mit dem Russen Oleg Salenko Torschützenkönig wird.
Im Sommer 1995 verlässt er Barcelona für die AC Parma, kehrt aber nach nur einer Saison zurück und wird ein fünftes Mal spanischer Meister, gewinnt dazu den Cup und den Cupsieger-Cup. Die ganz grosse Zeit des Christo Stoitschkow ist aber vorbei. Stippvisiten bei ZSKA Sofia und dem Ronaldo-Klub Al-Nassr lässt er zum Ausklang Gastspiele in Japan (Kashiwa Reysol) und den USA (Chicago Fire, D.C. United) folgen.
Als Trainer hat er anschliessend weit weniger Erfolg. Ob er seine Spieler dabei zum Seilspringen antraben liess, ist nicht bekannt.