Es ist zunächst ein Match-Tag wie jeder andere für den BVB an jenem Dienstagabend. Mit der üblichen Routine bereiten sich Dortmund-Goalie Roman Bürki, der zu diesem Zeitpunkt einzige Schweizer im Team des damaligen Trainers Thomas Tuchel, und die Mannschaft auf die abendliche Heimpartie gegen die AS Monaco vor.
Nach dem Essen versammeln sich Spieler und Staff vor dem Hotel zum Transfer ins Stadion, der Bus fährt los. Kurz darauf, unweit des Hotels und etwa zehn Kilometer vom Stadion entfernt, knallt es. Unmittelbar neben dem Bus zündet ein Mann per Fernsteuerung drei mit Metallstiften gefüllte Sprengsätze. Dem späteren Gerichtsurteil zufolge handelt der Täter in Tötungsabsicht.
Glück im Unglück ist es also, dass es keine Toten oder Schwerverletzten gibt im Vorfeld dieses Viertelfinal-Hinspiels in der Champions League. Am schwersten trifft es einen durch die Knalls traumatisierten Polizisten und den spanischen Verteidiger Marc Bartra, der sich die Speiche am rechten Handgelenk bricht und dem sich Splitterteile in den Arm bohren.
«Der Schmerz, die Panik und die Ungewissheit, weder zu wissen was passiert ist, noch wie lange es dauern würde ... das waren die längsten und schlimmsten 15 Minuten meines Lebens», berichtete der 14-fache Internationale, der zu jenem Zeitpunkt zum Stammpersonal gehört und für den die Saison durch den Zwischenfall beendet ist. Inzwischen spielt der heute 26-jährige Bartra bei Betis Sevilla.
Seelisch hinterlässt der Vorfall bei vielen in der Mannschaft tiefe Spuren. Auch Roman Bürki, der im Bus in der hintersten Reihe neben Bartra sitzt , hat zu kämpfen. Fünf Tage nach dem Vorfall sagt er: «Ich habe noch immer Probleme, schlafen zu können. Im Unterbewusstsein zucke ich zusammen und schrecke darum auf. Das ist das Schlimmste: dass ich keine Nacht durchschlafen kann.» Er müsse drei Kreuze an die Decke machen, dass er noch am Leben sei, so Bürki.
Zwischen dem damaligen Trainer Thomas Tuchel und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der nicht im Bus sitzt, kommt es in der Aufarbeitung endgültig zum Bruch. Nach der Saison trennen sich ihre Wege. Knapp ein Jahr nach dem Vorfall sagt Ersatzgoalie Roman Weidenfeller, dass dieser nach wie vor Thema in der Mannschaft sei. «Ich kenne Spieler, die noch immer darunter leiden. Das war ein Anschlag auf das Leben.» Er selbst nehme seitdem psychologische Hilfe in Anspruch: «Man ist immer noch betroffen, immer noch schreckhaft. Der Vorfall hat mein Leben verändert.»
Beim Attentäter, so stellt sich später heraus, handelt es sich um einen 28-jährigen Elektrotechniker russischer Herkunft, der einen perfiden, von Habgier getriebenen Plan verfolgte. Den Gerichtsakten zufolge hatte er vor dem Anschlag mit geliehenem Geld eine hohe Summe auf einen fallenden Kurs der BVB-Aktie gewettet. Im November 2018 wird er wegen versuchten 28-fachen Mordes zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt.
Es ist absurd, dass die Partie nur 24 Stunden später nachgeholt wird. Dass der vom Schock und der Todesangst vom Vortag gezeichnete BVB 2:3 verliert und eine Woche später mit einem 1:3 im Rückspiel ausscheidet, überrascht nicht. «Wenn wir hätten wählen können, von uns hätte keiner gespielt», sagt Bürki.