Sag das doch deinen Freunden!
Aus Acapulco, da kommen die Verrückten her. «Going loco, down in Acapulco», sangen einst «The Four Tops». Vermutlich haben sie dabei eher an die berühmten Klippenspringer gedacht als an Jorge Campos. Doch auch auf ihn, den berühmtesten Fussballer der Stadt, trifft das Adjektiv «loco» («verrückt») zu.
Jorge Campos ist in den 90er-Jahren Goalie – aber nicht nur. Je nach Bedarf spielt er auch im Sturm. Manchmal wechselt der Trainer auch einen Angreifer aus, bringt den Ersatzgoalie und beordert Campos nach vorne. Selbst in der Nationalmannschaft wird er zweimal als reiner Stürmer eingesetzt, sieben Mal wechselt seine Position während eines Länderspiels vom eigenen in den gegnerischen Strafraum.
In einer Zeit, in der im Fussball Taktik und Systeme mehr und mehr an Wert gewinnen, ist der Mexikaner ein wohltuender Farbklecks. In Europa ist Campos aber nicht primär wegen seiner Spielweise bekannt und auch nicht wegen der insgesamt 46 Tore, die er während seiner Karriere erzielt. Nein, Campos, das ist der kleine Keeper mit den viel zu grossen Trikots, die er selber entwirft und die bei manch einem Gegner ein mittelschweres Augenleiden hervorrufen. Inspirieren liess er sich dabei angeblich von seiner Heimat Acapulco, wo er unweit des Strandes aufwuchs. Seine erste Liebe sei das Meer gewesen und darum sollen die bunten Shirts seine Verbundenheit zu Surfern zeigen.
Als Campos seine Profikarriere 1988 bei den Pumas beginnt, ist er nur Ersatzgoalie. Aber der 21-jährige Paradiesvogel will spielen – wenn es sein muss, halt als Feldspieler. Campos überzeugt den Trainer, ihn aufzustellen und er bedankt sich mit 14 Toren dafür.
Campos zeigt also, dass er es auch als Stürmer drauf hat. Dennoch wechselt er in der darauf folgenden Saison ins Tor, jetzt ist er Stammgoalie bei einem der bekanntesten Klubs im Land. 1991 hext Campos die Pumas zum mexikanischen Meistertitel.
1994 wird auch der Rest der Welt auf den 1,76 m grossen Schlussmann aufmerksam. An der WM in den USA ist Jorge Campos Mexikos Nummer 1. In den Achtelfinals pariert er im Penaltyschiessen gegen Bulgarien zwar gleich den ersten Schuss von Krassimir Balakow, doch Mexiko scheidet aus.
Klar, dass einer wie Campos der ideale Mann ist, um 1996 die neu gestartete Major League Soccer in den USA zu lancieren. Er ist der schrille Typ, der Amerikanern den neuen Sport «gluschtig» machen soll und er ist das populäre Idol, das die Mexikaner in den USA in die Stadien locken soll. Campos spielt zunächst bei Los Angeles Galaxy, später bei Chicago Fire.
Weiter ins Ausland wechselt Campos nie. Wer ihn sehen will, schaltet deshalb bei Mexikos Länderspielen ein; auf 130 Einsätze bringt es der fliegende Goalie. 1998 scheitern Campos und «El Tri» erneut in den WM-Achtelfinals, Deutschland gewinnt dank zwei späten Toren von Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff mit 2:1. Es ist Campos' letzter Einsatz an einer Weltmeisterschaft, 2002 ist der Routinier nur noch als Ersatztorhüter dabei.
Zu diesem Zeitpunkt hat Campos längst ein Standbein neben dem Platz. In seiner Restaurant-Kette «Sportortas-Campos» lässt er schon mehr als 20 Jahre lang Sandwiches verkaufen. Natürlich gibt es auch ein Eingeklemmtes namens «Jorge Campos» im Sortiment.
«Ich habe alles erlebt, von dem ein Fussballer träumt», sagt Campos bei seinem Rücktritt 2004. Für zwei Jahre wird er Assistent von Nationaltrainer Ricardo Lavolpe, dann widmet er sich der Arbeit als TV-Experte – und natürlich seinen Sandwiches. Es macht den Anschein, dass Jorge Campos, der «Loco» aus Acapulco, seit dem Abschied aus den Strafräumen dieser Erde ein ganz normales Leben lebt.