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Russland-Ukraine-Gipfel in Genf: Wird Putin in der Schweiz verhaftet?

Putin droht bei Reise nach Genf trotz Haftbefehl keine Festnahme – warum das möglich ist

19.08.2025, 14:2919.08.2025, 14:59

Nach dem Gipfeltreffen im Weissen Haus vom Montag scheint ein Treffen zwischen Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj näher zu rücken. So nahe, dass bereits über mögliche Austragungsorte für einen Russland-Ukraine-Gipfel gesprochen wird. Dabei sorgt in der Schweiz vor allem ein Satz von Emmanuel Macron für Aufsehen. So sagte der französische Präsident:

«Es wird ein neutrales Land sein, also vielleicht die Schweiz. Ich plädiere für Genf.»

Der Satz sorgte in der Schweiz zum Teil für Erstaunen. So ist die Schweiz Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag (IStGH), der sich rechtlich auf das Römer Statut beruft. Er hat im Frühling 2023 einen internationalen Haftbefehl ausgestellt. Trotzdem sagte Bundesrat Ignazio Cassis am Montag, eine Einreise Putins ohne Festnahme sei möglich. Wie kann das sein? Ein Blick auf die Fakten.

Wie sieht der Haftbefehl gegen Wladimir Putin genau aus?

Am 17. März 2023 hat der IStGH einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen. Die Begründung: Es gebe «vernünftige Gründe anzunehmen», dass der Kreml-Chef «die Verantwortung für das Kriegsverbrechen der widerrechtlichen Deportation» ukrainischer Kinder nach Russland trage. Gemeint ist die mutmasslich illegale Verschleppung der Kinder seit Februar 2022.

Der Haftbefehl ist für alle Mitgliedstaaten gültig. Er verpflichtet sie grundsätzlich, ihn zu vollstrecken, wenn Putin einreist.

Also kann Putin verhaftet werden?

Theoretisch schon, da auch die Schweiz Mitglied des IStGH ist. «Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, grundsätzlich uneingeschränkt mit dem IStGH zusammenzuarbeiten», heisst es auf der Website des Bundesamts für Justiz (BJ). «Grundsätzlich» würden Haftbefehle auch ausgeführt, wie es 2023 in einer Stellungnahme schrieb.

Oder wie es in einem Bericht zum IStGH heisst: «Mit dem Erlass des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof (ZISG) hat die Schweiz die notwendige gesetzliche Grundlage geschaffen. Um eine optimale Zusammenarbeit zu gewährleisten, ist im BJ eine Zentralstelle mit weitreichenden Kompetenzen geschaffen worden. Die Zentralstelle nimmt die Ersuchen des Gerichtshofs entgegen und entscheidet über den Umfang sowie die Modalitäten der Zusammenarbeit.» Doch so einfach ist es eben nicht.

Die Hintertür

Das erste Mal in einen IStGH-Mitgliedsstaat reiste Putin vor knapp einem Jahr, als er in der Mongolei empfangen wurde. International wurde zur Vollstreckung des Haftbefehls aufgerufen, jedoch ohne Erfolg.

Das Problem: Der IStGH hat keine eigenen Polizeikräfte, die einen Haftbefehl durchsetzen könnten. Die Vollstreckung liegt bei den Mitgliedstaaten. Die Konsequenzen für ein Ignorieren des Haftbefehls sind demnach diplomatische Spannungen und internationale Kritik – aber keine juristischen Sanktionen.

Deshalb kann Putin trotzdem einreisen

Der Haftbefehl des internationalen Strafgerichtshofs gegen Putin würde einer Reise des russischen Präsidenten zu Friedensgesprächen nicht im Wege stehen, wie der Schweizer Aussenminister Ignazio Cassis erklärte.

Der Bundesrat hat demnach bereits Verfahren definiert, um Putin vorübergehend Immunität zu gewähren. Cassis verwies auch auf die Teilnahme der Präsidentin des russischen Föderationsrates, Walentina Matwijenko, und weiterer Kreml-naher Politiker an einem Parlamentariertreffen in Genf Ende Juli.

Matwijenko steht eigentlich auf den Sanktionslisten der Schweiz und der EU, gegen sie gilt ein Einreiseverbot. Die Schweiz hatte dieses vorübergehend aufgehoben und sich dabei laut Cassis mit dem Strafgerichtshof und den Nachbarstaaten abgestimmt. (sda/dab/vro)

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Trump empfängt Putin in Alaska
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Trump empfängt Putin in Alaska

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201 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Madison Pierce
19.08.2025 14:45registriert September 2015
Ich bin mir leider ziemlich sicher, dass Putin nach Beendigung des Krieges wieder überall empfangen wird, ohne eine Verhaftung fürchten zu müssen.
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DonSamotti
19.08.2025 15:02registriert Juni 2019
sollte es wirklich soweit kommen, dass Putin in der CH nicht verhaftet würde, hat in meinen Augen der IStGH seine Existenzberechtigung und der Bundesrat jeglichen Respekt verloren.

wir sprechen hier schliesslich nicht von Parkbussen oder einer Geschwindigkeitsübertretung sondern von Kriegsverbrechen!
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Ameisenhautkleister
19.08.2025 15:34registriert März 2024
1. Der Haftbefehl hat mehr Symbolcharakter als einen tatsächlichen Effekt.

2. Putin verhaften sobald er in GE aus dem Flieger steigt, wäre eine immense Eskalation der Gesamtlage.

3. RU hat wenige Wochen nach Ausbruch des Krieges im Februar 2022 bekanntgegeben, dass die CH für RU ein "unfreundliches" Land ist, weil die CH sich an den Sanktionen gegen RU beteiligte. Für RU ist die CH somit kein neutraler Boden.

4. Sollten sich Putin und Selensky tatsächlich zu Verhandlungen treffen, wäre dies ein erster Schritt in Richtung Waffenstillstand. Putin verhaften würde diesen Schritt sabotieren.
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