Wie reagiert ein Vater, wenn sein Sohn nach Hause kommt und erzählt, dass er in einem Spiel drei Elfmeter verschossen hat? Er bricht in schallendes Gelächter aus, auch wenn dies pädagogisch alles andere als sinnvoll ist.
Es passiert dem Argentinier Martin Palermo 1999 an der Copa America: Der Stürmer bringt es tatsächlich fertig, beim 0:3 im Gruppenspiel gegen Kolumbien drei Penaltys zu verballern. Wie sein Umfeld auf die Hiobsbotschaft reagiert hat, ist nicht überliefert, ganz Argentinien lacht jedoch über den dreifachen Fehlschützen.
Es ist diese eine Anekdote, die Martin Palermo ein Leben lang verfolgen wird und ihm sogar einen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde bringt. Gleichzeitig lenkt sie von der Tatsache ab, dass der Argentinier ein richtig guter Fussballer war. In seiner Profilaufbahn erzielte er weit über 250 Tore.
Seine Karriere beginnt 1992 als 18-Jähriger beim argentinischen Club Estudiantes de La Plata. Nach knapp 100 Partien und über 30 Toren wechselt der Stürmer 1997 zum Ligakonkurrenten Boca Juniors. Dort trifft Palermo am Laufmeter und aus allen Lagen, dies bringt ihm den Übernahmen «El Loco», «der Verrückte» ein.
Bereits ein Jahr nach seinem Wechsel zum argentinischen Traditionsverein holt sich Martin Palermo die Torjägerkrone und wird Südamerikas Fussballer des Jahres. Nun ist die Zeit reif für einen Wechsel nach Europa, doch der Transfer zu Lazio Rom platzt, weil sich Palermo das Kreuzband reisst.
Als kleine Entschädigung gewinnt der Argentinier 2000 mit den Boca Juniors den Weltpokal. Im Final gegen Real Madrid gelingen Palermo zwei Tore zum 2:1-Sieg, er wird zum besten Spieler gewählt.
Als nun der Wechsel nach Europa – Palermo wird vom FC Villareal verpflichtet – endlich zustande kommt, klebt erneut das Pech an seinen Schuhen. 2001 steigt er nach einem Tor im Jubel auf eine Mauer, diese kippt unter dem Druck der Fans aber um und Palermo bricht sich dabei Schien- und Wadenbein. Er verpasst so die Weltmeisterschaft 2002.
Nach seiner Verletzung kommt Palermo nicht mehr auf Touren und wird zu Betis Sevilla und anschliessend zu Deportivo Alaves abgeschoben. 2004 beendet der Stürmer sein erfolgloses Europa-Abenteuer und geht zurück zu den Boca Juniors.
Zurück in der Heimat erlebt Martin Palermo bei seinem Stammclub eine erfolgreiche Zeit und wird mit 222 Treffern zum besten Torschützen der Vereinsgeschichte. Unvergessen dabei sein Kopfballtor aus 40 Metern im Oktober 2009. Palermo erklärt das Tor gegenüber den Medien folgendermassen: «Ich wollte Druck ausüben».
Für Argentinien bestreitet «El Loco» nur 15 Länderspiele, dabei gelingen ihm neun Tore. 2009 wird er von Trainer Diego Maradona nach zehnjähriger Absenz wieder für das Nationalteam aufgeboten und das zahlt sich aus. Am 10. Oktober 2009 erzielt Palermo beim WM-Qualifikationsspiel gegen Peru in letzter Sekunde das 2:1-Siegestor und wahrt so die Chance, sich für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren.
Maradona bejubelt den Treffer mit seinem legendären Bauchklatscher und spricht nach der Partie vom «heiligen Palermo», der Argentinien ein zweites Leben geschenkt habe. «Ich habe zu ihm in der Pause gesagt: ‹Geh rein und entscheide die Geschichte!› Der ganze Regen, der Wind, die Kälte haben uns den Ausgleich eingebracht, damit hatten wir nicht gerechnet … doch dann kam ein weiteres Wunder von ‹San Palermo›. Meine Tore waren normal, er vollbringt Wunder.»
An der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika wechselt Maradona Palermo im letzten Gruppenspiel gegen Griechenland in der 80. Minute ein. Neun Zeigerumdrehungen später erzielt der mittlerweile 36-Jährige den 2:0-Endstand, es ist seine Abschiedsvorstellung bei der Nationalmannschaft.
Bei den Boca Juniors wird ein emotionaler Palermo ein Jahr später als lebende Legende verabschiedet. «Ich bin sehr dankbar für alles. Die gemeinsamen Jahre, alle Erfolge und die traurigen Momente. Ich konnte euch nur mit meinen Toren etwas zurückgeben.»