Im englischen Brands Hatch befindet sich eine aus Schweizer Sicht ganz besondere Rennstrecke. Hier gewann Jo Siffert 1968 als erster Schweizer Rennfahrer einen Formel-1-Grand-Prix. Und hier starb der Freiburger nach einem Unfall drei Jahre später.
Brands Hatch ist aber auch der Ort, an dem Marc Surer 1985 einem Podestplatz so nahe wie nie kommt. In 83 Grand Prixs schafft es der Baselbieter bloss elf Mal in die Punkte, die es zu dieser Zeit allerdings auch nur für die besten sechs Fahrer gibt. Surer sitzt in den Cockpits kleinerer Teams und hat deshalb nur geringe Erfolgsaussichten.
Nach sechs Jahren in der Königsklasse des Automobil-Rennsports sieht es 1985 zunächst danach aus, als dass Surers Karriere vorbei ist. Er hat keinen Vertrag erhalten, die ersten vier Rennen finden ohne ihn statt. Surers Glück ist, dass Bernie Ecclestone, der Teamchef bei Brabham-BMW, mit den Leistungen des Franzosen François Hesnault nicht zufrieden ist und sich von ihm trennt.
Marc Surer erbt das Cockpit und ist wieder im Geschäft. In drei Rennen schafft es der Teamkollege des brasilianischen Siegfahrers Nelson Piquet, WM-Punkte zu holen. Dann zieht der GP-Zirkus nach England und Surer, der ein neues Chassis erhalten hat, schafft sich im Qualifying mit Startplatz 7 eine gute Ausgangslage fürs Rennen.
In diesem arbeitet er sich kontinuierlich nach vorne, wie Surer später bei «Autobild» schildert. «Dann traf ich auf Ayrton Senna im Lotus. Er tat so, als würde er mich nicht sehen. Runde für Runde bremste er auf der Geraden am letzten Loch.»
Doch mit der Zeit bemerkt Surer, dass Senna stets Platz für ein Auto lässt. «Da wusste ich: Er hat mich im Auge. Beim nächsten Mal an dieser Stelle nutzte ich diesen Platz und presste mich vorbei. Dann fuhr ich ihm weg. Ein kleiner Sieg gegen den grossen Senna.» Dieses Verhalten sei typisch für den Champion aus São Paulo gewesen: «Senna war beinhart, aber er liess anderen Raum zum Überholen und Überleben.»
Nachdem Marc Surer am Brasilianer vorbei ist, fährt nur noch einer vor ihm: Nigel Mansell. «Aber der war zu schnell», erinnert sich der Schweizer. Der Brite mit dem markanten Schnauz gewinnt erstmals einen Grand Prix; am Ende kommt Mansell auf 31 Siege, 1992 wird er Weltmeister.
Surer sieht gegen Mansell zwar kein Land, aber auch Rang 2 wäre sensationell und sein erster Podestplatz in der Formel 1. Doch daraus wird nichts: Der Turbolader seines Autos geht in Flammen auf. In der 62. von 75 Runden muss Marc Surer seinen Brabham im Gras neben der Strecke parkieren.
Wieder nichts geworden aus dem Traum vom Siegerpodest, wie schon 1983 in Monaco. Im Fürstentum lag Surer auf Rang 3, als er nach einer Kollision mit Derek Warwick ausschied.
Zwei Jahre später in Brands Hatch fühlt sich Marc Surer trotz des Ausfalls irgendwie wie ein Sieger: «Ayrton Senna entschädigte mich mit den Worten: ‹Starkes Rennen.› Das war mein persönlicher Ritterschlag.»
Dem Formel-1-Podest kommt Surer im letzten Einsatz 1985 noch einmal nahe. Im australischen Adelaide liegt er bei Rennhälfte auf dem dritten Platz, ehe die Einspritzpumpe ihren Geist aufgibt. «Ich hatte sicherlich nie Glück», fasst Surer Jahre später zusammen, als die verpassten Podestplätze das Thema sind. Aber ihm habe wohl auch der letzte Biss gefehlt, er sei keiner gewesen, der jedes Detail ausgelotet habe. «Ich war schon happy genug, es in die Formel 1 geschafft zu haben.»
In der Folgesaison fährt er wie schon früher bei Arrows und neben der Formel 1 auch in anderen Rennserien. Ein solcher Einsatz endet fatal: Bei der Hessen-Rallye in Deutschland verunfallt Surer schwer. Er überlebt die Feuerhölle, doch Co-Pilot Michel Wyder verliert sein Leben. «Ich habe mein Leben einem Streckenposten zu verdanken», erzählt Surer einst dem «Blick». «Da der Baum, mit dem wir touchierten, den Tank traf, explodierte das Auto. Ich brannte lichterloh. Der Streckenposten nahm mich und legte mich zum Löschen in einen Bach. Das hat mir das Leben gerettet.»
Surer, der im Jahr davor mit dem deutschen Formel-1-Fahrer Manfred Winkelhock schon einen anderen Freund wegen eines Rennunfalls verloren hat, zieht einen Schlussstrich. Er beendet seine aktive Karriere und bleibt dem Automobilsport als langjähriger TV-Experte verbunden.