Draymond Green ist als Hitzkopf bekannt. Immer wieder sorgt er mit provokanten Aussagen oder harten Fouls für Aufregung. Einmal wurde der Defensivspezialist der Golden State Warriors gesperrt, weil er am Boden liegend versucht hatte, dem über ihm stehenden LeBron James in die Weichteile zu schlagen. Auch mit dem damaligen Mitspieler Kevin Durant lieferte er sich hitzige Diskussionen. Nun hat Green jedoch endgültig über die Stränge geschlagen. So sehr, dass er sich selbst dazu entschieden hat, eine Auszeit von seinem Team zu nehmen. Doch was ist passiert?
Am vergangenen Mittwoch wurde von einer physischen Auseinandersetzung im Training des amtierenden Meisters berichtet. Demnach hat Green seinen Mitspieler Jordan Poole angegriffen. Die Warriors versuchten, die Vorkommnisse herunterzuspielen. «Solche Dinge passieren», sagte General Manager Bob Myers und führte aus: «Niemandem gefällt das. Wir dulden es nicht, aber es ist nunmal passiert.» Trainer Steve Kerr betonte, die Dinge intern regeln zu wollen.
Dies taten die Warriors zunächst auch. Green entschuldigte sich bei Poole und dem Team. Zudem sollte er bestraft, eine Sperre aber nicht ausgesprochen werden, wie Myers sagte. Insgesamt sei die Stimmung im Team gut. Das sagte auch Stephen Curry, der Star des Teams: «Es ist eine unglückliche Situation, aber es wird alles gut. Das ist ein Teil der Teamkultur, die wir hier aufgebaut haben.»
Beinahe hätten die Warriors den Vorfall unter den Teppich kehren können. Nur dann kam das Video ans Licht. Es zeigt die Auseinandersetzung zwischen den beiden Teamkollegen – und es zeigt die Wucht, mit der Green zuschlug. So sahen auch viele in der Warriors-Organisation die Situation zum ersten Mal. «Das Video ändert alles», schreibt Marcus Thompson II, der seit Jahren exklusiv über die Warriors berichtet, bei «The Athletic».
Green sei eigentlich der Beschützer der Warriors. Wenn es bei Spielen zu Auseinandersetzungen mit dem gegnerischen Team kommt, stellt er sich als Erster vor seine Mitspieler. Diesen Beschützer-Status habe er nun aber verloren, meint Thompson. Und das alles wegen des Videos.
Auf diesem ist nicht zu erkennen, weshalb Green so reagierte. Alle, die sich bisher zu dem Vorfall äusserten, schlossen aus, dass Poole den 32-Jährigen mit bestimmten Aussagen provoziert hätte. Myers betonte: «Es wurde nichts gesagt, was über normales Gezänk bei einem Trainingsspiel hinausgeht.» Das macht den Umgang mit dem Vorfall für die Warriors noch schwieriger.
Denn der Konflikt zwischen Green und Poole hat eine weitere Ebene. Neben Curry und Klay Thompson gehört Draymond Green zu den wichtigsten Pfeilern im Verein. Er war ein essenzieller Bestandteil des Erfolgs und der Kultur, die sich die Warriors aufgebaut haben. Vier Titel seit 2015 sind der Lohn für diese. Doch Green wurde dabei nicht ganz so fürstlich entlohnt wie seine Mitspieler. In der Vergangenheit verzichtete er auch auf Geld, damit alle Spieler unter die Gehaltsobergrenze passten.
Dazu ist er nun nicht mehr bereit. Nach dieser Saison läuft sein Vertrag aus. Er könnte ihn einseitig um ein Jahr für rund 27,6 Millionen Dollar verlängern. Es wurde jedoch berichtet, dass er deutlich mehr fordere – nur seien die Warriors nicht dazu bereit, dies zu bezahlen. Ein Grund dafür ist eben Jordan Poole, dessen Vertrag im nächsten Sommer ausläuft. Wegen der Gehaltsobergrenze müssen die Warriors bedacht mit ihrem Budget umgehen – und die beiden Teamkollegen werden zu Konkurrenten.
Green hat seinen Zenit mit 33 Jahren zweifellos überschritten. Während der Playoffs der letzten Saison geriet er in die Kritik. Doch zum Ende der Finalserie gegen Boston bewies er einmal mehr, weshalb er einen solch grossen Wert für sein Team besitzt. Dennoch deutet alles darauf hin, dass die Warriors bevorzugt den erst 23-jährigen Poole bezahlen wollen. Der Shooting Guard machte in der vergangenen Saison einen grossen Schritt. Gerade als Curry zu Beginn der Playoffs verletzt fehlte, überragte Poole. Auch er dürfte einen gut dotierten Vertrag verlangen.
Jordan Poole from half-court at the buzzer pic.twitter.com/34z9z5tBoL
— Italo Santana (@BulletClubIta) June 6, 2022
Der Kampf um die Millionen kulminierte letzte Woche dann im Faustschlag von Green. NBA-Experte Chris Haynes schrieb in der Folge auf Twitter: «Die Teamkollegen von Poole haben eine Veränderung im Verhalten des Spielers, der kurz vor einer lukrativen Verträgsverlängerung steht, während des Trainingslagers festgestellt.» Den Bericht bezeichnete Curry aber als «absoluten Bullshit». Auch Coach Kerr stellte sich hinter Poole: «Es könnte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Jordan hat sich fantastisch verhalten.»
Zudem sagte Curry, dass er nicht glaube, dass die Vertragsverhandlungen von Poole etwas mit der Attacke Greens zu tun gehabt haben. Dies hinterfragt NBA-Experte Bill Simmons im Podcast von ESPN-Journalist Zach Lowe aber: «Dass er genau auf den Spieler wütend wird, der wohl an seiner Stelle bezahlt wird, kann kein Zufall sein.»
Es wird spannend zu sehen sein, wie sich die Geschichte weiter entwickelt. Green sagte am Samstag: «Ich war an dem Tag in einem sehr, sehr schlechten mentalen Zustand.» Er werde eine kleine Auszeit nehmen, «ich weiss noch nicht, wie lange». Green wolle dem Team und vor allem Poole etwas Raum lassen. Doch er sagte auch: «Ich liebe Jordan Poole. Ich werde weiterhin alles für ihn geben.» Green liess dabei tief blicken: «Ich bin ein Mensch mit vielen Fehlern. Die Arbeit, die ich geleistet habe, um diese Fehler zu korrigieren, war enorm, und dennoch liegt noch ein sehr langer Weg vor mir.»
In der nächsten Woche geht die NBA-Saison los. Ob Green bereits wieder beim Team sein wird, ist noch unklar. Poole geht es hingegen gut, er trainierte bereits am Tag nach dem Vorfall voll mit. Für die Warriors steht nun eine grosse Aufgabe bevor. Zuvor sprachen viele von einer hervorragenden Stimmung. Doch ob diese wiederhergestellt werden kann, ist unsicher.
Coach Kerr weiss zumindest, dass dies möglich ist. Als der heute 57-Jährige mit Michael Jordan bei den Chicago Bulls spielte, schlug dieser ihm einmal ins Gesicht. Die beiden rauften sich zusammen und gewannen in den drei darauffolgenden Saisons drei NBA-Titel.