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Wirbel um Jan Ullrich: Ex-Radstar gesteht erstmals Doping

22.11.2023, Bayern, M
Jan Ullrich am Mittwoch vor dem Plakat zur Doku "Jan Ullrich – Der Gejagte" in München.Bild: keystone

Wirbel um Jan Ullrich: Ex-Radstar gesteht erstmals Doping

Jan Ullrich bricht sein Schweigen. Nach jahrelangem Versteckspiel bekennt sich der einzige deutsche Tour-Sieger klar zu seiner Doping-Vergangenheit.
22.11.2023, 21:1322.11.2023, 21:13
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Ein Artikel von
t-online

Nach vielen Jahren des Schweigens hat sich Jan Ullrich endlich aus der Deckung gewagt – und auf den Punkt gebracht: "Ja, ich habe gedopt", sagte der gefallene und wieder aufgestandene deutsche Radstar am Mittwochabend. Mit diesen vier Worten räumte der 49-Jährige endgültig mit seiner Lebenslüge auf und bekennt sich erstmals klar zu seiner Dopingvergangenheit.

"Wenn ich meine Geschichte erzählt hätte, hätte ich viele schöne Jahre gewinnen können. Ich hatte die Eier nicht. Es tut total gut, es auszusprechen", führte Ullrich bei der Podiumsdiskussion am Rande der Vorstellung der Dokumentarserie "Jan Ullrich – Der Gejagte" (ab 28. November/Prime Video) aus. Und dennoch habe er sich "schuldig gemacht".

«Bei mir ging es 1996 los»

Systematischer Betrug im Team Telekom, Eigenblutmanipulation ab 2003 – Jan Ullrich will nicht mehr schweigen. "Bei mir ging es 1996 los", hatte der einzige deutsche Tour-Champion zuvor dem SID gesagt.

Die Neunzigerjahre waren eine andere Zeit. Doping wurde im Peloton flächendeckend betrieben. Epo war das im Radsport bevorzugte Mittel der Wahl, eine direkte Nachweismethode gab es noch nicht. Ullrich wurde 1995 zum Profi, und er merkte schnell, dass Talent allein nicht reichte. Im Magenta-Trikot der Telekom-Mannschaft bog Ullrich auf einen gefährlichen Weg ab.

Jan Ullrich of Germany, right, grimaces as he climbs the Val de Louron-Azet pass ahead of his teammate Bjarne Riis of Denmark, center, and Jose-Maria Jimenez of Spain during the 9th stage of the Tour  ...
Bild: AP

"Zu wissen, dass man sonst von vornherein keine Chance hat, das war das Schwerste", sagte Ullrich: "Weil ich ein fairer Mensch bin, ging es mir nie darum, jemanden zu betrügen oder sich einen Vorteil zu verschaffen." Ullrich spricht von Chancengleichheit.

«Da wurde mir dann Dr. Fuentes empfohlen»

Das System funktionierte. 1996 wurde Ullrich als Edelhelfer des dänischen Gesamtsiegers Bjarne Riis Tour-Zweiter, ein Jahr später war der gebürtige Rostocker ganz oben angekommen. Als erster Deutscher gewann er die Frankreich-Rundfahrt. Es blieb sein einziger Triumph in Gelb. Noch viermal wurde er Zweiter, 2003 hatte er seinen Dauerrivalen Lance Armstrong fast besiegt.

So wie Armstrong hatte Ullrich sein Doping-Repertoire da schon erweitert. Der neueste Trend? Eigenblutdoping. Im Sommer jenes Jahres überschritt er erstmals die nächste Grenze. "Ich wollte gerne gewinnen und an meine Erfolge anschließen. Ich hatte damals ein neues Team, und da wurde mir dann Dr. Fuentes empfohlen – so bin ich da gelandet", sagte Ullrich.

Jan Ullrich of Germany, right, tries to break away from Lance Armstrong of Austin, Texas during the 13th stage of the Tour de France cycling race between Foix and Saint-Lary-Soulan, southern France, S ...
Jan Ullrich (r.) versuchte – wie hier im Jahr 2004 – immer wieder an Lance Armstrong vorbeizukommen – meist vergeblich. Der Amerikaner hatte seine Doping-Vergehen bereits 2013 gestanden.Bild: AP

Gesundheitliche Bedenken hatte er nicht, "weil alles medizinisch kontrolliert war. Letztendlich war es mein eigenes Blut, was ich mir abnehmen lasse – etwas Natürliches. Unter medizinischer Aufsicht hatte ich keine Angst."

«Über Nacht wurde der Boden weggerissen.»

2006 platzte die Doping-Blase. Wegen Verbindungen zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes wurde Ullrich von der Tour de France ausgeschlossen. Das Team T-Mobile suspendierte ihn. "Der Radsport war praktisch alles für mich. Und dann wurde über Nacht der Boden weggerissen", sagte Ullrich.

Der krachende Absturz hinterließ tiefe seelische Wunden. Dass er sich über Jahre entschieden hatte, nicht offen über seine Vergehen zu sprechen, vergrößerte sein mentales Leid. Ullrich trank, nahm Drogen, verlor den Halt. Die Lebenskrise brachte ihn fast um. Den Tiefpunkt hat er hinter sich gelassen. "Ich bin gesund, stehe wieder mit beiden Beinen im Leben und habe meine Mitte gefunden", sagte Ullrich.

Rückkehr in den Profi-Radsport?

Das klare Aufräumen mit der Vergangenheit erweist sich als wohltuende Therapie. "Es ist leichter geworden", sagte Ullrich, der in der vierteiligen Dokumentarserie "Jan Ullrich – Der Gejagte" auf der Streamingplattform Amazon Prime Video (ab 28. November) tiefe Einblicke gewährt.

Für die Zukunft könnte sich Ullrich auch eine aktive Rolle im Profi-Radsport vorstellen. "Wenn ich die Möglichkeit hätte, würde ich die Chance wahrnehmen, weil auf diesem Gebiet bin ich irgendwo auch Meister und fühle mich nach wie vor wohl", sagte Ullrich: "Ich liebe diesen Sport einfach und er wird mich mein ganzes Leben lang prägen."

Mit Material der Nachrichtenagentur SID

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Raph2018
22.11.2023 21:59registriert November 2020
Natürlich hat er gedopt. Jeder der damals in einer grossen Rundfahrt konkurrenzfähig war, hat gedopt.
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Hoagie
22.11.2023 21:36registriert Oktober 2018
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Mario 66
22.11.2023 22:37registriert November 2015
In den 90‘er und 00‘ hat jeder gesamtklassementsfahrer gedopt was die spritze / infusion hält, so gesehen wars fast schon wieder fair / chancengleich dort oben
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