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Zwischen Metzgete und Wädlitempel: Zürich war schon immer eine Velostadt

Walter Diggelmann gewinnt am 18. Mai 1941 im Sport die Meisterschaft von Zuerich. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Sepp Schmid/Eugen Suter/Fred Eberhard)
Volksfest in Zürich: Walter Diggelmann gewinnt die Züri-Metzgete 1941.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Zwischen Metzgete und Wädlitempel – Zürich war schon immer Velostadt

Erstmals seit 1946 trägt Zürich wieder Strassenrad-Weltmeisterschaften aus. Die Stadt blickt auf eine ruhmreiche Radsport-Geschichte zurück.
20.09.2024, 16:48
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Zürich wird in den nächsten Tagen zum Nabel der Radsport-Welt. Für die Limmatstadt ist es gewissermassen eine Rückkehr zu den sportlichen Wurzeln. Im Industriezeitalter zur Wirtschafts- und Finanzmetropole aufgestiegen, war die Stadt einst auch die Schweizer Topadresse für den Radsport – und dies mit globaler Ausstrahlung.

Dreimal war Zürich Schauplatz der Strassenrad-WM: 1923 (damals nur für Amateure), 1929 und 1946. Vor allem die letzte Austragung, die erste nach dem zweiten Weltkrieg, war aus einheimischer Sicht denkwürdig. Hans Knecht war 1946 der erste Schweizer, der sich das begehrte Regenbogentrikot überstreifen liess.

Der Schweizer Radrennfahrer Hans Knecht gewinnt am 1. September 1946 an der Rad-WM in Zuerich bei stroemendem Regen das Strassenrennen der Profis und wird Weltmeister. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)
Im strömenden Regen fährt Hans Knecht dem WM-Titel entgegen.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Vom Färber zum Weltmeister

Der gelernte Färber aus Albisrieden, 1938 bereits Weltmeister bei den Amateuren, schlug den Favoriten im strömenden Regen ein Schnippchen und siegte vor begeisterten 50'000 Zuschauenden. Es waren 32 Profis am Start, von denen nur 17 das Ziel erreichten. Der Andrang war so gross, dass Soldaten und Polizisten die Menge bei der Siegerehrung zurückdrängen mussten.

Dann, Anfang der Fünfzigerjahre, folgten hierzulande mit Ferdy Kübler und Hugo Koblet die goldenen Zeiten des Radsports. Die beiden Zürcher sind bis heute die einzigen Schweizer Gewinner der Tour de France. Ihre Rivalität begeisterte die Massen und löste eine nie dagewesene Radsport-Euphorie in Zürich aus.

Wie Knecht, Kübler oder Koblet haben auch die «Züri Metzgete», die Offene Rennbahn Oerlikon und das Sechstagerennen im Hallenstadion ihren festen Platz in der Zürcher Radsport-Geschichte.

Swiss bicycle racers Hugo Koblet (left) and Ferdy Kuebler (right) during the Six-day racing at the Hallenstadion in Zurich, Switzerland, pictured in March 1956. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Str)

Die S ...
Beide gewannen die Tour de France: Hugo Koblet (links) und Ferdy Kübler.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Ein Radsport-Denkmal

Überlebt hat einzig die Offene Rennbahn in Oerlikon. Das 333,333 Meter lange Oval wurde 1912 als erste Spannbeton-Konstruktion der Welt erbaut und gilt als ein bauhistorisches Meisterwerk. In Spitzenzeiten pilgerten Sonntag für Sonntag tausende Menschen zu den Rennen.

Heute ist die Rennbahn die älteste in Betrieb stehende Sportanlage der Schweiz. Dabei drohte ihr schon mehrmals der Abbruch, weil das Geld für den Betrieb fehlte oder alternative Pläne für ein Alterszentrum, Hallenbad oder Parkhaus geschmiedet wurden. Doch so weit kam es zur Freude der Radsport-Nostalgiker nie.

Eine Luftaufnahme des Hallenstadions und der Bahn-Radweltmeisterschaften in der Offenen Rennbahn in Oerlikon bei Zuerich, Schweiz, aufgenommen im Mai 1946. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-ARCHIV/Fritz Grunder)
Heute sieht es in Oerlikon anders aus als 1946, aber die Offene Rennbahn und das Hallenstadion existieren immer noch. Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Die ruhmreichen Zeiten gehören zwar der Vergangenheit an, eine Interessen-Gemeinschaft Offene Rennbahn (IGOR) sorgt jedoch dafür, dass die Anlage am Leben gehalten wird. In den warmen Monaten finden im Herzen Oerlikons bei guter Witterung jeweils dienstags Abendrennen statt. Heute zählt die Offene Rennbahn zu den denkmalgeschützten Objekten des Kantons Zürich. Am Sonntag ist sie der Startort für das Zeitfahren der Männer.

Sport und Party im «Wädli-Tempel»

Gleich nebenan steht das 1939 eröffnete Hallenstadion. Wegen der unberechenbaren Witterungsbedingungen mussten immer wieder Rennen abgesagt werden, deshalb wurde in unmittelbarer Nachbarschaft der Bau einer überdachten Velorennbahn initiiert. 1954 wurde dort das erste Sechstagerennen veranstaltet. Es folgten zig Austragungen, mit verrauchten Nächten und Rennen bis in die frühen Morgenstunden. Das Hallenstadion war Zürichs meistbesuchtes Nachtlokal. Während die Velofahrer unten auf der alten Holzbahn im Kreis fuhren, ging auf den Rängen die Party ab.

Michel Jordi (mitte) stellt zum Auftakt des 46. Zuercher Sechstagerennens am Montag abend, 30. November 1998, Bruno Risi (links) und Kurt Betschart (rechts) vor. Vor offiziell 4500 Zuschauern im Halle ...
Könige der Nacht: Die Urner «Alpentornados» Bruno Risi (links) und Kurt Betschart schlagen im Hallenstadion zu.Bild: KEYSTONE

Doch das Publikum verlor mehr und mehr das Interesse. 2001 folgte die Dernière. Sechs Jahre später wurde die traditionelle Radsportveranstaltung nach dem Umbau des Hallenstadions zwar neu lanciert, doch selbst die Verkürzung auf vier Abende half nichts. Der Event liess sich nicht mehr finanzieren. So fand 2014 unter dem Namen «Sixday-Nights» die letzte Austragung statt.

Geldsorgen besiegelten ein Jahr später auch das Ende der 1910 ins Leben gerufenen «Züri-Metzgete», die zuletzt nur noch als Amateurrennen veranstaltet wurde. Die «Meisterschaft von Zürich», wie das älteste Radrennen der Schweiz ursprünglich hiess, war bis 2006 jahrzehntelang eines der wichtigsten Eintagesrennen im Profi-Zirkus.

Radrennfahrer fahren an der Meisterschaft von Zuerich, der Zueri-Metzgete, am 18. Mai 1941 am Neumuehlequai entlang der Limmat in Zuerich zwischen dichten Zuschauerreihen durch. (KEYSTONE/PHOTOPRESS-A ...
Die Züri-Metzgete 1941 beim Neumühlequai.Bild: PHOTOPRESS-ARCHIV

Nun also macht die Weltelite des Radsport erneut in Zürich Halt. Ein Hauch von guten, alten Zeiten – und neue Geschichten, die geschrieben werden. (ram/sda)

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