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Mountainbike-WM 2023: Jolanda Neff ohne Druck und erleichterte Schweizer

The Switzerland team celebrates victory in the Mixed Team Relay race during day seven of the 2023 UCI Cycling World Championships at the Glentress Mountain Bike Trail Centre, Peebles, Scotland, Wednes ...
Die Schweizer Mountainbike-Equipe will in Schottland die nächsten Medaillen angreifen.Bild: keystone

Es geht um die Mountainbike-Medaillen: Jolanda Neff ohne Druck und erleichterte Schweizer

Am Samstag geht es an der Rad-WM um die Medaillen im Mountainbike. Um 12.30 Uhr starten die Frauen, um 16.30 Uhr geht das Rennen der Männer los.
12.08.2023, 06:0014.08.2023, 16:52
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Erleichterte Schweizer Männer

Spektakulär, aber doch selektiv genug: Die Mountainbike-Strecke an der WM 2023 in Glasgow behagt Swiss Cycling viel besser als befürchtet. Einen Zufalls-Weltmeister wird es nicht geben.

Das Aufatmen der Schweizer Delegation nach den ersten Trainings auf der neuen Mountainbike-Strecke war gross. «Der Parcours ist ein gelungener Mix aus einem modernen Park mit Bauten und den herkömmlichen Elementen wie Passagen über Baumwurzeln», sagt Beat Müller, der Mountainbike-Trainer der Schweizer Männer.

Joris Ryf from Switzerland, 1st, in action during the UCI Cross Country Ebike, Mountain Bike World Championship, on Wednesday, August 9, 2023, in Glentress, Scotland. (KEYSTONE/Maxime Schmid)
Der Kurs in Schottland genügt den Schweizer Ansprüchen.Bild: keystone

Die Skepsis ist verflogen. Zu Saisonbeginn hatten die Funktionäre von Swiss Cycling noch andere Töne angeschlagen. Sie befürchteten für Glasgow eine rein künstlich gebaute Strecke, wie sie an Grossanlässen oft zu sehen ist. Denn im Gegensatz zu traditionellen Strecken im Weltcup wird für die Titelkämpfe ein Parcours gebaut. Und diese Bauten richten sich eher nach dem Geschmack der Organisatoren und TV-Produzenten statt den Schweizer Assen mit vorzüglicher Fahrtechnik.

Spektakuläre Bilder

Denn wenn die Mountainbike-Cracks in den Rock Garden mit Jumps und Drops einbiegen, dann sind spektakuläre Bilder garantiert. Statt Bilder von Profis, die in unwegsamem Gelände über Wurzelstöcke rattern, sieht das TV-Publikum spektakuläre Flugaufnahmen oder auch mal einen heftigen Sturz - wie jener von Mathieu van der Poel an den Olympischen Spielen in Tokio. Doch die Elemente im Bike Park selektionieren kaum. «Es fahren alle gleich schnell über die Hindernisse, denn die Ideallinie ist quasi vorgegeben. Und der Rest ist dann eher ein Strassenrennen», erklärt Müller.

Und der Grossanlass-Veranstalter will sich auf der sicheren Seite bewegen. Sie lassen so bauen, dass bei Regen das Wasser abfliesst, die Strecke noch sicher ist, und auch die Schwächeren noch fahren können. «Wenn es aber trocken ist, dann haben wir eine Autobahn und es entscheidet allein der grosse Motor», sagt Thomas Peter, der Geschäftsführer von Swiss Cycling.

Bedenken verflogen

Von all diesen Befürchtungen ist aber in Glasgow, wo kein Testevent stattgefunden hatte, nichts mehr zu hören. Das Schweizer Team, das in jedem Training auch eine Einheit in Fahrtechnik investiert und auf anspruchsvollen Strecken im Vergleich mit anderen Nationen besser dasteht, sieht sich für den Aufwand belohnt. «Die Feuchte im Wald macht die technischen Abschnitte noch anspruchsvoller und bei einigen Passagen ist auch Mut gefordert», sagt Müller. Zudem werde im Glentress Forest der Elite physisch alles abverlangt, ein Taktieren sei nicht möglich.

Mathias Flueckiger from Switzerland, left, with his coach Ralph Naef from Switzerland, right, during the training of the UCI Cross Country Mountain Bike World Championship, XCO, on Monday, August 8, 2 ...
Auch Mathias Flückiger hat sich mit der WM-Strecke angefreundet.Bild: keystone

Das Fazit: Nur mit effizienter Fahrtechnik und einem grossen Motor liegen die Podestplätze drin. Die Entscheidungen im olympischen Cross-Country fallen auf einer 3.5 km langen Runde, die alle Anforderungen für einen würdigen Weltmeister erfüllt. «Ein Zufalls-Weltmeister ist ausgeschlossen», betont Müller.

Auch der Olympia-Zweite Mathias Flückiger ist vom Parcours angetan. Der natürliche Anteil, der die Aufgabe je nach Wetter noch schwieriger mache, sei recht hoch. «Und die Sprünge sind gut fahrbar. Aber man muss konzentriert bleiben und sie mit dem richtigen Tempo nehmen», sagt der Berner.

Jolanda Neff und der Geist von Tokio

An der WM in Schottland gehört Jolanda Neff für einmal nicht zu den Topfavoritinnen. Dass das nichts heissen muss, wissen wir spätestens seit dem Olympiasieg der 30-Jährigen vor zwei Jahren in Tokio. Gewisse Parallelen liegen 2023 vor.

Die Topfavoritin? Ist die Niederländerin Puck Pieterse, Gewinnerin von drei der vier Weltcuprennen der Saison. Die ersten Herausforderinnen? Sind die Französinnen Pauline Ferrand-Prévot und Loana Lecomte, die Österreicherinnen Laura Stigger und Mona Mitterwallner, Pieterses Landsfrau Anne Terpstra und die Schweizerin Alessandra Keller. Und Jolanda Neff? Sie kommt in der Auflistung erst dahinter. Zumindest wenn die Einschätzung auf den nackten Zahlen beruht.

Nicht viel, ziemlich wenig sogar, deutet auf dem Papier darauf hin, dass Neff an der WM am Samstag im olympischen Cross-Country reüssieren wird. Die Ostschweizerin ist mit einem 6. Platz als Bestergebnis im laufenden Weltcup nach Schottland gereist. Zweimal klassierte sie sich in vier Weltcuprennen in den Top 10, Vierte wurde sie an der EM, Zweite an den Schweizer Meisterschaften.

Je näher die WM, desto besser die Form

Es ist ein bescheidener Leistungsausweis für eine Athletin ihres Renommees, die wie Nino Schurter die wichtigsten Titel im Mountainbike-Sport gewonnen hat. Doch der Schein trügt, denn dahinter steckt auch Kalkül: «Der Formaufbau ist klar auf die WM ausgerichtet», hatte Neff vor dem Saisonstart im Mai betont. Jemandem im Weltcup etwas zu beweisen, sei nicht ihr Ansporn.

Tatsächlich lässt sich aus den Resultaten eine Tendenz ablesen: Je näher die WM rückte, desto besser schnitt Neff in den Rennen ab. Beim 6. Platz vor einem Monat in Val di Sole legte sie nach einem Defekt von ausserhalb der Top 30 eine Aufholjagd im Stil einer Siegfahrerin hin.

Mountainbike silver medalist Sina Frei, gold medalist Jolanda Neff and bronze medalist Linda Indergand of Switzerland, from left, pose with their medals at the 2020 Tokyo Summer Olympics in Tokyo, Jap ...
Bei Olympia in Tokio feierte Neff gemeinsam mit Sina Frei und Linda Indergand einen Schweizer Dreifachsieg.Bild: keystone

Für die WM lässt diese Entwicklung hoffen, zumal es mehrere Parallelen zu 2021 gibt: Auch vor dem sensationellen Olympiasieg vor ihren Teamkolleginnen Sina Frei und Linda Indergand hatten die Saisonresultate nicht für Neff gesprochen. Vor dem Triumph in Tokio standen im Weltcup die Ränge 13, 8 und 4, ebenfalls in aufsteigender Reihenfolge. Wie in Tokio könnte der Regen in Fort William zum Faktor werden. Wie vor Tokio blicken Neff und das Schweizer Nationalteam auf ein sehr gut verlaufenes gemeinsames Trainingslager (dieses Mal zwei Wochen in der Toscana), und wie 2021 hatten die Athletinnen mehrere weltcupfreie Wochen zur optimalen Vorbereitung auf den Saison-Höhepunkt.

Voraussetzungen besser als 2021

«Tatsächlich kam mir nach den letzten Weltcups in Leogang und Val di Sole immer wieder Tokio in den Sinn», sagt Neff. «Auch damals merkte ich im zweitletzten Rennen, dass ich wieder näher an der Spitze bin. Und wie damals erhielt ich im letzten Rennen mit der Aufholjagd die Bestätigung, dass ich wieder vorne mitfahren kann.» Auch die Vorbereitung sei sehr ähnlich verlaufen, und weil dieses Mal im Gegensatz zu Tokio (Milzriss sieben Monate vor den Spielen) keine Verletzung involviert ist und das Schweizer Team an der WM sieben Fahrerinnen umfasst gegenüber drei in Tokio, «sind die Voraussetzungen sogar noch besser», so Neff.

Kommt hinzu, dass der innere Stress, der in früheren Jahren verschiedentlich zur Unzeit das Immunsystem schwächte, mit den Erfolgen und der Erfahrung kleiner geworden ist. Weltmeisterin war sie schon, Olympiasiegerin ist sie auch. «Was noch kommt, ist gewissermassen Zugabe», sagte Neff unlängst. Genau diese Gelassenheit spielt ihr in die Karten. Nach wie vor verfolgt die dreifache Gesamtweltcupsiegerin das Ziel, wieder auf das Level der besten Jahre bis 2018 zu kommen. Der Erfolgshunger ist noch da, die bisweilen hindernde Anspannung nicht mehr in dem Ausmass.

Dass Neff an Weltmeisterschaften auch ohne Weltcupsiege ein Faktor ist, hat sie schon in aller Regelmässigkeit bewiesen: Seit dem WM-Titel 2017 klassierte sie sich nie schlechter als im 6. Rang. Zwei weitere Silbermedaillen kamen hinzu, die letzte im Vorjahr in Les Gets hinter Pauline Ferrand-Prévot.

Van der Poel und die Jagd nach dem Weltmeister-Tripple

Weltmeister im Radquer und seit Sonntag auch auf der Strasse ist Mathieu van der Poel bereits. Nun greift der Niederländer auch im Mountainbike nach dem ersten WM-Titel. Dies verhindern wollen Rekordweltmeister Nino Schurter und Olympiasieger Tom Pidcock.

Der Hype um diesen WM-Gipfel dreier absoluter Radgrössen ist gross. Dies ist vor allem die Folge des Antretens von Mathieu van der Poel, der letzten Sonntag in Glasgow in überlegener wie spektakulärer Manier das WM-Strassenrennen für sich entschieden hatte. Da er im Februar auch bereits zum fünften Mal WM-Gold im Radquer geholt hat, könnte «MVDP» am Samstag für das bislang nie erreichte Triple aus diesen drei Radsparten sorgen.

(abu/sda)

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