Das Cape Epic bedeutet für alle 1200 Fahrer vor allem eines: leiden. Während acht Tagen müssen täglich rund 100 Kilometer gefahren und dabei 2000 Höhenmeter zurückgelegt werden. Dazu kommen die afrikanische Hitze oder Regen, Sand, Schlamm und Dornenbüsche. An Herausforderungen mangelt es nicht. Die grösste stellt sich heute in der «Queen Stage»: 115 Kilometer (musste kurzfristig um 5km verlängert werden), 2900 Höhenmeter und eine maximale Fahrzeit von 10 Stunden.
Während die Profis sich vorne Positionskämpfe auf allerhöchstem Niveau liefern, bewältigen im hinteren Teil des Feldes Amateure die gleiche Strecke in fast der doppelt so langen Zeit. Dies wiederum führt zu viel kürzerer Erholungszeit und folglich noch mehr Leiden. Dan Nicholl, der den Event seit Jahren als Moderator begleitet, stellt denn auch die folgende These auf: «Würden wir einen Profi zehn Stunden aufs Bike setzen und er müsste mit dem letzten Fahrer mitfahren, würde er wohl vom Rad fallen.»
Wir haben hier einige der unglaublichsten Geschichten des Cape Epic 2014 zusammengetragen.
Reuben van Niekerk verlor 2008 bei einem Töffunfall sein rechtes Bein. Dies hält den 30-Jährigen aber nicht vom Biken ab. 2013 kam er nicht ins Ziel in Lourensford, jetzt will er dieses als erster beinamputierter Fahrer erreichen. Reuben nennt die zusätzlichen Schwierigkeiten gleich selbst: «Ich kann nicht aus dem Sattel und wenn es Laufpassagen gibt, ist dies besonders anstrengend für mich.»
Das Duo aus Spanien hat gleich zwei eindrückliche Geschichten mitgebracht. Sergio Paz Robaina verlor noch als Teenager einen Arm, konnte sich aber trotzdem fürs Biken begeistern. Die Prothese fixiert er zwar am Lenker, aber sie halte auf ruppigen Strecken-Abschnitten nicht. Daher fährt er meist einhändig. «Ich bremse und schalte mit einer Hand, das passt schon.» Gibt es für ihn eine Grenze? «Nein, je schwieriger, desto besser.»
Teamkollege Ruben Folgado Giron litt an Krebs und musste sich eine Niere entfernen lassen. Kein Wunder fahren die beiden für eine Krebsstiftung. Ruben sagt: «Ich will den Leuten zeigen, dass man auch nach so einer Krankheit noch etwas erreichen kann. Für mich war die Krankheit im ersten Moment natürlich extrem schlimm. Aber jetzt, wo ich den Krebs besiegt habe, bin ich dankbar, da ich das Leben viel mehr zu schätzen gelernt habe.»
Mannie Heymans war früher als «Mister African» in Europa bekannt. Als Profi gewann er das Epic 2004. In diesem Jahr fährt er mit Helmut Weich, einem Arzt, als Teamkollegen (Zitat Weichs: «Nein, dieses Rennen würde ich niemandem empfehlen.») für die Stiftung SUNheart. Die Idee mit dem Fat Bike kam Heymans vor rund vier Wochen. Er importiert seit Kurzem diese Fahrräder, die eigentlich für das Fahren auf Schnee erfunden wurden, in die Wüste von Namibia. «Vorteile habe ich dadurch keine. Der Rollwiderstand ist extrem hoch, die Federung schlecht», so Heymans. «Aber ich wollte diese Premiere, um das Sportgerät zu promoten.»
David Higgs ist Koch des Jahres in Südafrika. Erst vor gut einem Jahr fing er mit dem Training an. Davor habe er kaum Sport ausgeübt. «Die Idee kam nach einigen Gläsern Wein», lacht er. Er habe 17 Kilogramm abgenommen und fühle sich hervorragend. Und wie verträgt sein Gourmetmagen die Waterpoint-Mischungen von Kuchen, Kartoffeln, Bananen und Süssigkeiten, welche sich viele in dieser Reihenfolge (oder gleichzeitig) in den Rachen stopfen? «Ach das passt schon. Aber nach dem Rennen grilliere ich mir ein tellergrosses Steak, vier Zentimeter dick und eine wunderbare Sauce drüber.» Wir sagen jetzt schon: Guten Appetit!
John Smit ist einer der ganz bösen Buben. Als Captain führte er die Springboks 2007 zum WM-Titel. 126 Kilogramm wog er damals. Jetzt sind es 14 weniger. Im letzten Mai beendete das Kraftpaket seine Karriere. «Danach musste ich was Neues machen. Joggen mag ich nicht, also bike ich. Aber ich ahnte nicht, auf was ich mich einliess.» Und was bringt ihm seine lange Karriere im Spitzensport? «Nun, körperlich nicht viel. Ich bin zu schwer. Aber mental extrem viel. Ich weiss, wie man mit Schmerzen umgeht.» Und kommt der Debütant nächstes Jahr wieder? «Ich hoffe erst einmal, in Lourensford anzukommen.»
Joel Stransky ist ein absoluter Superheld in Südafrika. Im Rugby-WM-Final 1995 skorte er gegen den grossen Favoriten Neuseeland alle 15 Punkte beim 15:12-Erfolg nach Verlängerung. Diese Leistung ist etwa vergleichbar wie wenn Granit Xhaka für die Schweiz im WM-Final gegen Brasilien einen Hattrick erzielen würde. Der Erfolg der Springboks damals wurde im Film Invictus nacherzählt. Stransky bestreitet sein fünftes Cape Epic. «Die Leiden sind die gleichen und es ist wie im Rugby einfach ein überwältigendes Gefühl, sein Ziel zu erreichen.»
Gugu Zulu ist ein in Südafrika sehr bekannter Rallye-Fahrer. Er gilt als «The Fastest Brother in Africa». Der 35-Jährige fuhr schon letztes Jahr mit und machte seiner heutigen Frau Letshego Moshoeu auf der Ziellinie in Lourensford den Heiratsantrag. 2014 fährt Zulu, der auch schon in der südafrikanischen «Let's Dance»-Staffel auftrat, mit Hlubi Mboya, einem Seriensternchen im Land am südlichsten Punkt Afrikas. «Es ist unglaublich hart, aber macht sehr viel Spass», so Zulu.
Alain Prost, vierfacher Formel-1-Weltmeister, nahm zum dritten Mal teil. Wegen Rückenproblemen musste er allerdings in Etappe 4 aufgeben. Sein Partner ist mit Sebastien Di Pasqua der ehemalige Schweizer Wasserski-Fahrer und seines Zeichens zweifacher Europarekordhalter. Dieser musste auch dieses Jahr wieder oft beide Bikes den Berg hoch schieben oder seinen mittlerweile 59-jährigen Teamkollegen ziehen. Schade, um das so ungleiche Duo mit dem schmählichen Franzosen und dem Schweizer Muskelpaket.
Neben den oben erwähnten Fahrern, schreibt das Cape Epic täglich neue Geschichten. Ein Fahrer legte 50 Kilometer ohne Sattel zurück, einer deren 20 mit nur einer Pedale. Andere rennen mit kaputten Bikes zum nächsten Waterpoint oder quälen sich sonst irgendwie durch. Der Anteil der Schweizer ist nach Südafrikanern der höchste. Mit dabei ist mit dem Team Meerendal auch eine Equipe, in welcher sich viele Schweizer Fahrer die Strapazen antun. Egal, ob Profis wie Christoph Sauser und Konny Looser oder blutige Debütanten und Amateure, im Team gilt: Das Rennen ist brutal hart, aber das Gefühl im Ziel ist jeden einzelnen Tropfen Schweiss wert.
Die Leiden der Fahrer gibt's hier täglich mit Livetracking, die letzte Etappe am Sonntag im Livestream.