Es läuft die 5. Etappe der Tour de Suisse. Gino Mäder kommt auf den letzten Kilometern vor dem Ziel in La Punt von der Strasse ab und stürzt in ein Bachbett. Am nächsten Tag – am 16. Juni – dann die traurige Gewissheit: Die Verletzungen sind zu gravierend, Mäder stirbt mit nur 26 Jahren.
Nach diesem tragischen Unfall ging die Anteilnahme weit über die Welt des Sports hinaus. Über 1000 Personen verabschiedeten sich mit einer Gedenkfahrt von Gino Mäder, der nicht nur als Radfahrer, sondern vor allem als Mensch bewegte.
Die Tour de Suisse wurde kurz darauf fortgesetzt und auch für Mäders Angehörige drehte sich die Welt nach diesem tragischen Verlust gezwungenermassen weiter. Mit dem Südkurier hat Mäders Mutter Sandra nun zum ersten Mal öffentlich über die schwierige Zeit nach diesem Tag, an dem sich alles verändert hatte, gesprochen.
Sie sei an diesem verhängnisvollen 15. Juni schon den ganzen Tag seltsam nervös gewesen, meint Sandra Mäder. Und auf die Frage eines Bekannten, ob Gino auch an der Tour de France dabei sein werde, habe sie erwidert: «Ein Sturz – und alles kann vorbei sein.»
Als sie die Etappe später mit halbem Ohr am Fernsehen mitverfolgte, merkte sie nicht, dass ihr Sohn nicht im Ziel angekommen war.
Sandra Mäder ging noch einmal aus dem Haus. Als sie von ihrem Ex-Mann, Ginos Vater, eine SMS erhielt mit der Aufforderung, sofort nach Hause zu gehen und ihn anzurufen, wusste sie bereits, dass etwas nicht stimmte. Die Familie solle so schnell wie möglich ins Spital in Chur kommen, hiess es dann, und für Sandra Mäder war klar, dass ihr Sohn den Kampf schon verloren hatte, dass es nur noch darum ging, ob man ihn noch künstlich am Leben erhält oder nicht.
Der Arzt habe ihr gesagt, «dass Gino nie mehr Mami wird sagen können, dass er so wie in dem Moment für immer im Bett liegen bleiben würde, dass er nie mehr sprechen oder laufen wird können», erzählt Mäder. Dabei habe er so friedlich ausgesehen, lediglich ein Schnitt auf der Wange zeugte vom schweren Sturz. Am 15. Juni um 11.24 Uhr wurde Gino schliesslich für tot erklärt – für Sandra Mäder brach eine Welt zusammen.
Von Schuldzuweisungen will Sandra Mäder nichts wissen: «Da hat keiner Schuld. Bergauf, bergab – das gehört zu Radrennen dazu», sagt sie und fügt an: «Ich glaube, dass es einfach sein Schicksal war, an diesem Tag zu sterben.»
Mit der Stiftung «Ride for Gino» will die Familie nun das Andenken ihres Sohnes würdigen. Der Verein unterstützt mit gesammelten Spenden Projekte, die ihm am Herzen lagen. Gino Mäder bleibt in Erinnerung als ein etwas anderer Radprofi, als ein Mensch, der sich selbst nicht so wichtig nahm und seiner Umwelt dafür umso respektvoller begegnete. Gino Mäders Organe sollen gespendet werden: «Welche genau, das wissen wir nicht. Wir haben da aber keine Einschränkungen gemacht, das wollte Gino so», erzählt seine Mutter.
Kurz nach dem tödlichen Sturz sei die Familie zur Unfallstelle gegangen, wo sie noch Überreste von Ginos Helm gefunden hätten. Sie seien ihrem Sohn an diesem Ort sehr nah gewesen, sagt Sandra Mäder. (kat)