Olympiasiegerin 2018, Weltmeisterin 2019 und 2021, von 2018 bis 2020 drei Mal in Folge Gesamtweltcupsiegerin: Maren Lundby ist die erfolgreichste Skispringerin der Gegenwart. Und weil der Sport noch nicht sehr lange von Frauen bestritten wird, ist die Norwegerin mit dieser Bilanz, zu der auch 30 Weltcupsiege gehören, zugleich eine der besten Springerinnen der Geschichte.
Doch nun zieht die 27-Jährige die Notbremse. Der Winter 2021/22 wird ohne sie stattfinden. Damit wird Lundby auch an den Olympischen Spielen in Peking fehlen.
Schweren Herzens habe sie diesen Entscheid gefällt, begründete Lundby am Donnerstag im norwegischen Fernsehen NRK. Ihr Körper habe sich verändert, gab sie unter Tränen bekannt. «Ich habe im Moment ein paar Kilo zu viel, um in der Weltspitze zu springen. Und ich bin nicht bereit, verrückte Dinge zu tun, um dies zu ändern.»
Die Reaktionen im Wintersportland Norwegen liessen nicht lange warten. «Die Unterstützung war überwältigend», teilte Lundby der Zeitung «VG» mit. «Ich habe so viele nette Nachrichten und Herzlichkeit erhalten, die ich sehr schätze.» Skirennfahrer Rasmus Windingstad etwa bezeichnete Lundby als Heldin und Vorbild.
Lundby will mit ihrem Entscheid das Zeichen setzen, dass die Gesundheit das Wichtigste sei. Im Skispringen würden an die Athletinnen und Athleten extreme Anforderungen gestellt, das Gewicht sei eine davon. Der Kommentator der Zeitung «Dagbladet» rief dazu auf, dem Thema mehr Beachtung zu schenken: «Nach Marens Schockbotschaft darf es kein Tabu mehr sein, im norwegischen Spitzensport über Gewicht zu sprechen. Das betrifft mehr Mädchen und Jungen, als die meisten von uns zu glauben wagen.»
«Ich habe mein Gewicht nie unverantwortlich kontrolliert, auch das gehört zu meinem Erfolgsrezept», sagte die langjährige Überfliegerin. Sie wandte sich insbesondere an den Nachwuchs. «Das ist meine Botschaft: Kompromisslose Gewichtskontrolle sollte kein Thema sein. Damit kannst du alles zerstören.»
Nach Schock-Bildern von bis auf die Knochen abgemagerten Skispringern hatte der Weltverband FIS im Jahr 2004 eine BMI-Regel eingeführt. Um dem Mager-Wahn zu begegnen, gilt seither: Wer zu leicht und zu dünn ist, muss mit kürzeren Skis springen. Der Gewichtsvorteil soll so zunichte gemacht werden. Dass Skispringerinnen und Skispringer tendenziell aber trotzdem nicht die Postur eines Schwingers haben, liegt in der Natur der Sache: Leicht fliegt weiter.
Der Verzicht darauf, im Februar auf den Schanzen des Snow Ruyi National Ski Jumping Centre in Zhangjiakou erneut um Olympia-Gold zu springen, sei bitter, sagte Lundby. «Aber es ist eine gute Entscheidung und ich war eigentlich immer ziemlich gut darin, gute Entscheidungen zu treffen.»
Für das kleine norwegische Skispringerinnen-Team sei der Verlust seines Aushängeschilds gross, schrieb «Dagbladet». «Aber für den Spitzensport in Norwegen ist diese Offenheit etwas vom Besten, was passieren konnte. Eine Olympiasiegerin sagt ‹Nein› zu Olympia, um sich nicht zu verlieren. Marens Ehrlichkeit ist viel wichtiger als die Medaillen, die sie und Norwegen bei den Spielen in Peking möglicherweise verpassen.»
Lundby betonte, dass es ihr gesundheitlich gut gehe. Ihr Gewichtsproblem wäre im Alltag keines, in einer diffizilen Sportart wie dem Skispringen ist es jedoch eines. Ihr Körper habe sich «aus natürlichen Gründen» etwas verändert, berichtete die 1,73 m grosse Athletin. Aber sie sagte auch: «Ich bin glücklich. Gesundheitlich geht es mir gut wie vielleicht noch nie.»
An ein Ende ihrer erfolgreichen Laufbahn will sie deshalb nicht denken. Im Gegenteil: Sie handle so, um wieder angreifen zu können, sagte Maren Lundby. «Ich liebe Skispringen. Aber ich will lieber eine lange Karriere haben.» Gemeinsam mit ihren Trainern möchte sie einen langfristigen Plan erarbeiten, mit dem Ziel zurückzukommen – und 2026 noch einmal Olympiasiegerin zu werden.