Banküberfälle, Juwelierdiebstähle und Tankbetrügereien – im Mendrisiotto gehören sie zur Tagesordnung. In Chiasso tauschten sich am Mittwochabend Polizei und Politik unter dem Stichwort «Ticino Sicuro» über die grenzüberschreitende Kriminalität aus.
Die Anzahl der Diebstähle und Raubüberfälle im Tessin war in den vergangenen Jahren gleichbleibend oder sogar leicht rückläufig. Im vergangenen Jahr gab es gemäss der Kriminalstatistik der Tessiner Kantonspolizei ungefähr 16'000 Straftaten, die in Verbindung zu einem Überfall oder Raub standen.
Grenzüberschreitende Kriminalität gehöre schon seit jeher zum unteren Mendrisiotto, sagte Nicolas Poncini, Polizeikommandant der Stadtgemeinde von Chiasso am Mittwochabend. Das Problem sei im vergangen Jahr wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, seitdem die Diebstähle in Privatwohnungen mit grösserem Gewalteinsatz durchgeführt würden, erklärte Poncini auf Nachfrage. Ausserdem gebe es Einzelhändler, die durch wiederholte Überfälle beinahe zur Geschäftsaufgabe gezwungen wurden.
Die Diskussionen in der Bevölkerung und in der Politik seien auch durch die unbesetzten Grenzposten angefacht worden. Seit der Schweizer Teilnahme am Schengen-Raum 2008 blieben einige Grenzstationen unbewacht – so auch im Tessin.
Im November 2014 hatte der Lega-Grossrat Massimiliano Robbiani zu einer Demonstration aufgerufen, die Grenzposten zu Italien wieder zu besetzen – wenn nötig mit Bügermilizen. Damals waren rund 20 Menschen seinem Aufruf gefolgt. Die Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass die Bürgerinitiativen, welche die Polizeikräfte ersetzen wollen, keine Verbesserungen bringen.
«Wir brauchen wachsame Bürger», sagte Natalia Ferrara Micocci, die die Diskussionsreihe unter dem Stichwort «Ticino Sicuro» organisierte. Es sei allerdings nicht zu rechtfertigen, dass sich die Bürger dem gleichen Risiko aussetzten wie ein Angestellter der Polizei, sagte die Tessiner FDP-Politikerin.
Ein Zuhörer schilderte, dass er in der Innenstadt von Mendrisio TI in seiner Wohnung ausgeraubt wurde und deshalb eine Petition lanciert habe. Sie richte sich an den Tessiner Staatsrat und fordere, die Grenzposten zumindest in der Nacht wieder zu besetzen.
Auch die Entscheidung des Nationalrats vom Mittwoch, die polizeiliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Italien zu verstärken, wurde auf dem Podium thematisiert.
Schweizerischen und italienischen Strafverfolgungsbehörden soll es künftig ermöglicht werden, gemeinsam effizienter gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorzugehen. Dank dem neuen Abkommen können die beiden Länder beispielsweise gemischte Patrouillen bilden und grenzüberschreitend Geleitschutz organisieren.
Polizeikommandant Nicolas Poncini sieht dagegen auch noch Nachholbedarf innerhalb der Schweizer Grenzen: «Wir haben eine relativ komfortable Lage und verfügen im Mendrisiotto über genügend Personal». Allerdings funktioniere die Abstimmung zwischen Grenzwache, Kantons- und Gemeindepolizei noch nicht gut genug. Einheiten wüssten unter Umständen nicht vom Ermittlungsstand der Kollegen – die Täter könnten davon profitieren, sagte Poncini im Anschluss auf Nachfrage. (feb/sda)