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Das muss ihm erst mal einer nachmachen. In seiner mehr als 20-jährigen TV-Karriere hat sich Stefan Raab zweimal das Nasenbein gebrochen – einmal hinter, einmal vor der Kamera. 1997 schlägt ihm der deutsche Rapper Moses Pelham hinter den Kulissen der Echoverleihung ins Gesicht. Pelham war verärgert, weil Raab ihn einige Tage zuvor öffentlich als «Möschen» beleidigt hatte.
2001 wurde Raabs Nase nochmals zertrümmert. Die Boxweltmeisterin Regina Halmich versetzte ihm einen Schlag. Mehr als sieben Millionen Zuschauer waren dabei, als Raab im Ring gegen Halmich boxte. Der 1,81 Meter grosse Showmaster hatte keine Chance gegen die 21 Zentimeter kleinere Halmich. 2009 nahm er das Risiko nochmal auf sich und forderte Halmich zu einer Revanche heraus. Erneut blieb der gelernte Metzger chancenlos gegen die hübsche deutsche Profiboxerin. Immerhin blieb beim zweiten Versuch Raabs Nase verschont.
Provokation und Risiko hat Raab noch nie gescheut. Bereits Mitte der 90er Jahre provoziert er in seiner Sendung Vivasion beim Musiksender Viva mit chaotischen und anarchischen Moderationen. Seinen Gästen – die er auf Kinderstühle und Furzkissen setzt – fällt er permanent ins Wort und macht sich über sie lustig. Chaos pur.
Legendär ist die Folge mit dem österreichischen Sänger Falco als Gast. Dieser singt live seinen Hit «Kommissar», während Raab ihn an der Gitarre begleitet. Kurz darauf bricht Falco ab und sagt, «Du spielst jetzt aber ein Lied von Reinhard Fendrich, einem anderen Österreicher, und nicht von mir». Raab antwortet selbstsicher: «Egal».
Eigentlich ein unmöglicher Moderator, dieser Raab. Jeder andere Sender hätte ihn bereits beim Casting nach Hause geschickt.
ProSieben erkannte Raabs Potenzial. Ab März 1999 wurde Raab Hofnarr beim deutschen Privatsender. Er durfte spät abends eine eigene Sendung moderieren. Zuerst einmal, ab 2001 viermal die Woche.
TV Total. Ein simples aber erfolgreiches Sende-Konzept, das sich 16 Jahre bewähren sollte: Trash, unmögliche Interviews, eigenes Orchester, selbstverliebter Moderator und ein Pult mit roten Knöpfen. Diese drückte Raab, um damit Videoschnipsel von anderen Fernsehstationen einzuspielen. Pannen, Versprecher oder missratene Interviews. Hauptsache Schadenfreude.
Ihm selber passieren ja keine Pannen, nein, und falls doch, sind sie Teil der Show. Überhaupt machte Raab bei «TV Total» so ziemlich alles, was andere Sender möglichst zu verhindern versuchen. Er spricht mit der Regie, fragt bei Unsicherheit die Aufnahmeleiterin, gibt Kameraanweisungen und schiebt nach jedem zweiten Wort noch ein «ähh» hinterher. Der Berufs-Kasper liess uns stets im Glauben, er sei unvorbereitet und nicht bei der Sache. War er wahrscheinlich auch nicht.
Tatsächlich aber überliess der Talkmaster wohl kaum etwas dem Zufall. Schon gar nicht sich selbst, sagt der Berliner Medienexperte Lutz Frühbrodt. «Er war einer der ersten im deutschsprachigen Raum, bei dessen Show weniger die Gäste als vielmehr er selbst der strahlende Star war.» Ausserdem habe es Raab wie keiner vor ihm verstanden, die Gäste und ihre Produkte richtig zu platzieren, sagt Raab-Kenner Frühbrodt. Raab war also auch einer der ersten, die Product-Placement ins Unterhaltungsfernsehen brachten.
Raab ist nicht nur ein eloquenter und selten um eine Antwort verlegener Komiker, Entertainer und Musiker, sondern vor allem auch Geschäftsmann. Ein sehr geschickter und innovativer. «Raab ist äusserst geschickt darin, sich selbst zu vermarkten», erklärt Frühbrodt.
Neben der Vermarktung seiner eigenen Person hat die Spasskanone nebenbei auch gleich die gesamte Fernseh-Unterhaltung revolutioniert. Zur Jahrtausendwende sperrten Fernsehsender gerne Kandidaten in Container und liessen sie mit Kameras überwachen. Für Raab war es der ideale Zeitpunkt, um dem «Big Brother»-Überdruss jener Zeit mit neuen, schrägen und innovativen Formaten ein Gegenpol zu setzen.
Mit seiner 1998 gegründeten Firma Raab TV erfand der Kölner Sprücheklopfer neue Formate am Fliessband. In der WOK-WM liess er Prominente in einer Wok-Pfanne eisige Bobbahnen hinuntersausen und mit dem Turmspringen begeisterte er Millionen Zuschauer für den Wassersport. Es gibt kaum eine Sportart, die Raab nicht fürs Fernsehen adaptiert oder neu erfunden hatte. Raab etablierte sogar Stockcar-Rennen, Autoball-Meisterschaften, lange Poker-Nächte oder Boxkämpfe im Samstagabend-TV.
Stockcar, Poker und Boxen? Eigentlich ganz banale Sportarten, die vor ihm einfach noch niemand so unterhaltsam ins Fernsehen geholt hat. In der Banalität lägen die Qualitäten Raabs, sagt Frühbrodt. «Man muss dies neidlos anerkennen, selbst wenn man kein Fan des Profitfernsehens ist: Er hat es geschafft, auch das Mittelmässige und Bedeutungslose für viele in spannende Unterhaltung umzusetzen.»
Und jetzt? Nach 2243 Folgen «TV Total» ist Schluss. Das sei auch gut so, findet Lutz Frühbrodt. «Das Konzept von ‹TV Total› hatte sich eindeutig totgelaufen.» Tatsächlich war Raab die Lustlosigkeit in den vergangenen Monaten anzusehen. Schnoddrig und eher desinteressiert begrüsste er seine Gäste in letzter Zeit. Auch inhaltlich starke Momente wurden rar. Tatsächlich soll der TV-Gigant in den letzten Monaten seine Gags nur noch von den Karteikarten abgelesen und die Sendung gar nicht mehr geprobt haben.
Die Luft ist draussen. Sein Abgang sei deshalb ein richtiger Entscheid, sagt Frühbrodt. Anders als Thomas Gottschalk, Günther Jauch oder Harald Schmitt, habe Raab den richtigen Zeitpunkt gewählt, um aufzuhören. «Ich finde es honorig, dass Raab aufhört und nicht wie andere Stars und solche, die sich dafür halten, so lange weitermachen, bis sie keiner mehr ertragen kann und ihnen der Sender dann den Gnadenstoss geben muss.»
Auf seiner braunen Ledercouch nahmen in den vergangenen 16 Jahren Stars wie Justin Timberlake, Kylie Minogue, Lenny Kravitz, Shakira, Eminem, 50Cent oder – gefühlte hundert Mal – Helge Schneider Platz. In der letzten Ausgabe soll allerdings kein Weltstar auf der Couch sitzen, sondern Elton, Raabs langjähriger «Praktikant».
Endgültiges Lichterlöschen ist am Samstag. Dann verabschiedet sich der 49-jährige Powertalker mit «Schlag den Raab» vom TV-Business. Noch einmal will er allen zeigen, wer der wahre Held des Fernsehens ist.
Frühbrodt ist sich aber sicher: Raab kommt irgendwann zurück auf den Bildschirm. «Ich halte sein Ego für so gross, dass wir sein Gesicht irgendwann wieder auf der Mattscheibe sehen werden - in welcher Form auch immer.»
Warum nicht 2x pro Jahr ein Schlag den Raab?