Der Gelbhaubenkakadu ist eine von 14 Kakadu-Arten in Australien. Die krähengrossen Vögel sind für ihren Einfallsreichtum und ihre Intelligenz bekannt. So wurden sie in den Vororten von der australischen Millionenstadt Sydney schon beobachtet, wie sie Mülltonnen aufbrechen, um an die Abfälle zu gelangen.
Nun haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine noch beeindruckendere Fähigkeit beobachtet: Eine Gruppe von Kakadus im Westen von Sydney hat gelernt, wie sie Trinkbrunnen bedienen können, die eigentlich für Menschen gebaut wurden. Um das Wasser zum Fliessen zu bringen, bedarf es einer komplexen Reihe von Griffen sowie Dreh- und Haltebewegungen. Im Video siehst du, wie die Vögel das anstellen:
Ein solches Verhalten wurde bisher noch bei keinem anderen Vogel beobachtet. Jetzt haben Forscher die Entdeckung im wissenschaftlichen Magazin «Biology Letters» publiziert. Eine der Autorinnen der Studie ist Barbara Klump, eine Verhaltensökologin an der Universität Wien. Sie hat die Kakadus von Sydney jahrelang untersucht und das einzigartige Verhalten während ihrer Feldforschung im Jahr 2018 zum ersten Mal bemerkt.
Daraufhin installierte Klump mit ihrem Team Kameras bei mehreren solcher Brunnen, um die Tiere bei ihren Trinkversuchen aufzuzeichnen. Jeder Kakadu zeigte dabei leichte Abweichungen in seiner Vorgehensweise. Die allgemeine Strategie war jedoch dieselbe: Jeder stellte einen oder beide Füsse auf den Drehgriff des Brunnens, senkte dann sein Gewicht, um den Griff im Uhrzeigersinn zu drehen und gleichzeitig zu verhindern, dass er zurückspringt. Während des Trinkens hinterliessen die scharfen Schnäbel der Papageien oft Bissspuren auf der Gummiabdeckung des Brunnens.
Warum die Kakadus sich die Mühe mit den Trinkbrunnen machen, obwohl es in der Region viele andere Wasserquellen wie Pfützen und Bäche gäbe, ist noch nicht restlos geklärt. Vielleicht hätten sie eine Vorliebe für das reinere Brunnenwasser entwickelt, so Klump. Oder sie würden die Brunnen womöglich bevorzugen, weil die erhöhte Position auf dem Brunnen ihnen helfe, herannahende Raubtiere wie Adler und Falken schneller zu entdecken.
Das Verhalten sei so erfolgreich, dass es sich mittlerweile sogar innerhalb dieser einen Population von Sydney verbreitet habe. «Sobald ein paar Kakadus herausgefunden hatten, wie sie ans Wasser kommen, haben andere es wahrscheinlich durch Beobachtung übernommen», so Wladimir Prawosudow gegenüber Science.org. Der 65-Jährige ist Verhaltensökologe und Experte für Vogelkognition an der Universität von Nevada in Reno und war nicht an der Studie beteiligt.
Anders als beim Mülltonnen-Knacken, das sich über einzelne Populationen hinaus verbreitet hat und sich mittlerweile in über 40 verschiedenen Vororten von Sydney beobachten lässt, hat es das Trinkbrunnen-Trinken laut Klump und ihrem Team bisher ausserhalb dieser einen Population nicht weiter verbreitet. Sie vermuten, dass lokale Unterschiede zwischen Trinkbrunnen und ihrer Funktionsweise teilweise dafür verantwortlich sein könnten. In einigen Vororten gibt es beispielsweise Brunnen mit Druckknöpfen anstelle von Drehgriffen, was von den Kakadus eine völlig andere Vorgehensweise erfordern würde.
Aber selbst ungewohnte Trinkbrunnen bleiben möglicherweise nicht lange papageiensicher. Klump vermutet, dass verschiedene Kakadu-Populationen irgendwann einzigartige Ansätze entwickeln könnten, um ihre lokalen Trinkbrunnen zu bedienen. «Sie sind so innovativ und gut im Lösen von Problemen, dass sie irgendwann eine Lösung finden werden», sagt sie. «Auf seltsame Weise überraschen mich Kakadus ständig, aber ich bin auch nie wirklich überrascht.» (lzo)