Ganze elf Fragen beantwortete Wikileaks-Gründer Julian Assange gestern in seinem AMA-Interview («Ask me Anything») auf dem Universalforum Reddit. In seinem seit zwei Jahren andauernden Exil in der winzigen ecuadorianischen Botschaft in London müsste der 42-Jährige Zeit genug haben, könnte man meinen. Genau diesem Eindruck widersprach Assange an einer Stelle:
«Wie verhindern Sie, vor Langweile verrückt zu werden?», fragte User UnholyDemigod.
Die Antwort Assanges:
«Ich wünschte mir, in meiner momentanen Lage könnte Langeweile aufkommen. Abgesehen davon, dass ich im Zentrum eines anhaltenden diplomatischen Tauziehens stehe, die Polizei das Gebäude umstellt, in dem ich mich befinde, ich überwacht werde und Regierungen gegen mich und meine Mitstreiter ermitteln – ich befinde mich in einer der grössten Städte in Europa und jeder weiss genau, wo sie mich finden können. Ich bekomme fast jeden Tag Besuch. Ich führe weiterhin eine kleine, multinationale Organisation, Wikileaks, sowohl logistisch als auch beruflich ein anspruchsvolles Unterfangen. Ich habe kaum Zeit zu schlafen, geschweige denn mich zu langweilen.»
Trotzdem: Edward Snowden etwa beantwortete in seinem Q&A auf Reddit vor einem Jahr doppelt so viele Fragen. Apropos Snowden: User Mishatje wollte wissen, was Assange von dem NSA-Whistleblower hält. Er habe «intelligent und heroisch» gehandelt, antwortet Assange, bevor er auflistet, was er und Wikileaks alles für ihn gemacht haben.
User AFellowOfLimitedJest konstatierte darauf, die interessantere Frage wäre, was Snowden wohl von Assange halte. Schliesslich habe der Ex-Spion seine Leaks sehr sorgfältig ausgewählt, während Wikileaks alles «rücksichtslos» rausgehauen habe. Statt einer Antwort verwies Assange auf eine entsprechende Aussage Snowdens in einem aktuellen Interview mit dem italienischen «L'Espresso», wo er Assange und Wikileaks in den höchsten Tönen lobt.
Wie der Tages-Anzeiger gestern berichtete, dürfte die Beziehung zwischen den beiden Superstars der Enthüllungsszene komplexer sein. Laut Assanges zeitweiligem Ghostwriter Andrew O’Hagan habe sich der Wikileaks-Gründer einmal «wie ein alternder Filmstar» über Snowden ausgelassen. Nach der Bedeutung des Amerikaners gefragt, habe er diesen auf einer Skala sechs Ränge unter sich angesiedelt. Zwischen Bewunderung dürfte sich zumindest auf Seiten Assanges auch ein bisschen Neid mischen.