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John Bolton hat die Verteidigung des Präsidenten und seiner Handlanger zertrümmert. Werden im Impeachment-Prozess nun Zeugen vorgeladen?
Mitt Romney sagt: «Ich denke, es ist zunehmend wahrscheinlich geworden, dass andere Republikaner uns folgen werden und von John Bolton hören wollen.» Susan Collins deutet ebenfalls heftig an, dass sie an weiteren Zeugen interessiert sei, ebenso Lisa Murkowski.
Romney, Collins und Murkowski gehören zum liberalen Flügel der Grand Old Party (GOP), sofern man überhaupt noch von einem solchen Flügel sprechen kann. Ihnen hat man schon zu Beginn des Impeachment-Prozesses im Senat zugetraut, dass sie eventuell geneigt sein würden, Zeugen zuzulassen.
Doch es braucht vier Republikaner für einen Zeugen-Tango, will heissen: Es braucht eine Mehrheit von 51 Stimmen. Die Demokraten verfügen jedoch bloss über 47 Sitze.
Schert aus: Senator Mitt Romney. Bild: EPA
Bisher schien alles nach dem Plan von Mitch McConnell zu laufen. Der Mehrheitsführer im Senat will in Absprache mit dem Weissen Haus den Impeachment-Prozess möglichst rasch durchpeitschen. Zunächst mit Erfolg: Obwohl die Manager, die demokratischen Abgeordneten, welche die Anklage vertreten, einen brillanten Job gemacht und schlüssig aufgezeigt haben, dass der Präsident sein Amt missbraucht hat, bewegte sich in den Reihen der GOP rein gar nichts.
Bis Sonntagnachmittag galt es daher als ausgemacht, dass der Impeachment-Prozess noch in der kommenden Woche beendet und Trump freigesprochen würde. Dann wurde es Abend – und alles änderte sich.
Die «New York Times» hatte Kenntnis bekommen vom Entwurf eines Buches von Bolton. Darin schildert der ehemalige Sicherheitsberater, wie ihm Trump persönlich klargemacht hat, dass die Ukraine die versprochenen Hilfskredite in der Höhe von 400 Millionen Dollar nur erhält, wenn ihr Präsident eine Untersuchung gegen Joe Biden ankündigt.
Damit sind schlagartig die beiden wichtigsten Verteidigungslinien des Trump-Teams zusammengekracht: Bolton bestätigt, dass es tatsächlich ein Quidproquo gegeben hat – was bisher vom Weissen Haus vehement bestritten worden ist –, und er hat diese Information aus erster Hand erhalten. Die These, wonach die Anklage gegen den Präsidenten einzig auf Hörensagen beruht, ist damit ebenfalls futsch.
Bild aus alten Zeiten: Der Präsident und sein Sicherheitsberater. Bild: AP
Diese «Bombshell» hat die GOP gehörig durchgeschüttelt. Die drei Abtrünnigen erhalten nun Gesellschaft. So denkt Patrick Toomey, Senator aus Pennsylvania, laut über einen Deal «Bolton gegen Hunter Biden» nach. Mike Braun aus Indiana glaubt, dass die Aussagen des Sicherheitsberaters in der Zeugenfrage «Öl ins Feuer gegossen» haben.
Einzelne Senatoren wollen gar wissen, dass nun mehr als zehn Republikaner bereit seien, Zeugen anzuhören. Zudem ist innerhalb der GOP Streit ausgebrochen.
Mehrheitsführer McConnell soll stocksauer sein, weil er nicht über Boltons Buch informiert wurde, obwohl das Weisse Haus seit Ende Dezember über den Entwurf verfügt. Lindsey Graham, einer der devotesten Trump-Senatoren, soll nun zugeben, dass «Bolton vielleicht ein wichtiger Zeuge» sei.
Fox News hat voll auf Angriffsmodus gegen Bolton geschaltet. Obwohl der ehemalige Sicherheitsberater lange Zeit ein Aushängeschild des konservativen Senders war, wird aus vollen Rohren auf ihn geschossen. Tucker Carlson bezeichnet ihn als «Giftschlange», Sean Hannity als «Verräter» und Lou Dobbs tweetet über seinen einstigen Stammgast:
Trump wäre nicht Trump, würde er nicht ebenfalls kräftig beim Bolton-Bashing mitmachen. Er streitet die Aussagen seines ehemaligen Sicherheitsberaters rundum ab. In seiner Wut hat der Präsident jedoch wahrscheinlich einen verhängnisvollen Fehler begangen. In einem Tweet erklärte er nämlich, er habe niemals mit Bolton über die Ukraine und die Bidens gesprochen.
Hetzt gegen seinen einstigen Stammgast: Fox-News-Moderator Lou Dobbs. Bild: AP/AP
Weil er damit seine Gespräche mit seinem Sicherheitsberater selbst öffentlich gemacht hat, hat er auch sein «executive privilege» – sein Recht, Gespräche mit Mitarbeitern geheim zu halten – aufgehoben. Damit ist auch der Weg frei, dass John Roberts, der oberste Bundesrichter, der den Prozess leitet, eine Vorladung von Bolton anordnen kann.
Die Bolton-Bombe hat die GOP in eine missliche Lage gebracht. Selbst wenn es McConnell noch gelingen sollte, Zeugen zu verhindern und am Freitag den Prozess abzuschliessen – was durchaus möglich ist –, müssen sie befürchten, dass immer wieder neue, für den Präsidenten unangenehme Fakten ans Tageslicht gelangen.
Von Trumps Anwälten haben die geplagten Republikaner wenig Unterstützung zu erwarten. Deren Plädoyers schwankten zwischen unbeholfen und lächerlich. Sie prügelten auf die Bidens ein, wollten die Rolle von Rudy Giuliani herunterspielen und forderten aus nicht nachvollziehbaren Gründen ein Impeachment gegen Ex-Präsident Barack Obama.
Alan Dershowitz bei seinem umstrittenen Auftritt vor den Senatoren. Bild: AP
Geradezu grotesk waren die Auftritte der beiden mit viel Vorschusslorbeeren angekündigten Stars. Ausgerechnet Kenneth Starr, der ehemalige Sonderermittler gegen Bill Clinton, beklagte eine zunehmende Impeachment-Bereitschaft.
Der ehemalige Harvard-Professor Alan Dershowitz stellte derweil die waghalsige These auf, wonach Trump nicht impeached werden dürfe, weil Machtmissbrauch kein ausreichender Grund dafür sei. Er befindet sich damit auf einer sehr einsamen Insel.