Der grosse Einsatz und die Flexibilität der Arbeitnehmenden habe zur Überwindung der Krise beigetragen, sagte Gabriel Fischer, Leiter Wirtschaftspolitik bei Travail.Suisse am Montag vor den Medien in Bern. Die Wirtschaftskrise sei nun überstanden und die Aussichten seien gut. «In den meisten Branchen gibt es Luft für Lohnerhöhungen.»
Bisher hätten vor allem Manager von der anziehenden Konjunktur profitiert. Für die übrigen Arbeitnehmer seien die vergangenen Lohnrunden unterdurchschnittlich ausgefallen. «Die Früchte des Wachstums müssen gerechter verteilt werden», sagte Fischer.
Als ungerecht werteten die Gewerkschafter auch die Praxis der individuellen Lohnerhöhungen. «Wir fordern höhere Löhne für alle - nicht nur für die Lieblinge der Chefs», sagte Arno Kerst, Vizepräsident der mehrere Branchen umfassenden Gewerkschaft Syna. Nicht zuletzt für den Rentenanspruch sei dies wichtig.
Nachholbedarf machte Kerst weiterhin bei den Frauenlöhnen aus. Jahr für Jahr wiederholten die Gewerkschaften die Forderung, die Löhne der Frauen den Männerlöhnen anzupassen, doch geschehen sei nicht viel. «Der Druck steigt, dass es gesetzliche Lösungen braucht.»
Nach der im Mai an der Urne verlorenen Mindestlohninitiative erinnern die Gewerkschaften ihrer politischen Gegner an die Versprechen aus dem Abstimmungskampf. Die Arbeitgeberseite sei damals nicht müde geworden, die sozialpartnerschaftliche Lohnfindung als Königsweg zu bezeichnen. «Jetzt müssen Taten folgen», sagte Kerst, der eine zweiprozentige Lohnerhöhung als Minimum betrachtet.
Nebst den höheren Löhnen war auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein Thema an der Medienkonferenz. Mutter- und Vaterschaftsurlaub seien weiterhin zu kurz, sagte Stefan Müller-Altermatt vom Personalverband Transfair, dem Arbeitnehmende der Post, des Öffentlichen Verkehrs und der Verwaltung angehören.
Auch Arbeitnehmer, die nahe Angehörige pflegen, seien auf Unterstützung der Chefs angewiesen, sagte Müller-Altermatt. Das werde mit der Überalterung der Gesellschaft zunehmend ein Thema. «Die Arbeitgeber müssen sich vertieft mit dieser Problematik auseinandersetzen.» (whr/sda)