Der Hype um Uber ist vorbei. Der Fahrdienst-Vermittler muss ständig neue Rückschläge einstecken. Gestern wurde ihm in London die Lizenz entzogen. Es habe eine Serie von Fehlern gegeben, wobei die Sicherheit von Passagieren gefährdet wurde.
In den USA wurde Uber eine Mitschuld gegeben am Tod einer Fussgängerin: Sie war von einem selbstfahrenden Uber-Auto verletzt worden. Davor waren Testvehikel von Uber innert 18 Monaten an nicht weniger als 37 Unfällen beteiligt.
Damit nicht genug. Ein amerikanischer Bundesstaat fordert von Uber ein halbe Milliarde Dollar, weil der Konzern seinen Fahrern keine Sozialversicherung gezahlt hat. Und der ehemalige Uber-Gründer verkaufte einen Fünftel seiner Aktien, sobald es ihm rechtlich erlaubt war. Der Börsenkurs fiel auf ein Rekordtief. Diese Unglücksserie widerfuhr Uber allein in diesem November.
In der Schweiz sehen die Gewerkschaften ihre Chance gekommen. Die Niederlagen von Uber im Ausland liefern ihnen Argumente für die nationale Debatte um den Techkonzern aus Kalifornien. Die Zeiten seien vorbei, da Uber einseitig wahrgenommen wurde als Verkörperung einer technologischen Revolution. Ein Umdenken sei zu erkennen bei den Behörden, sagt Roman Künzler, der Verantwortliche bei der Gewerkschaft Unia. Nun will die Unia im Kampf mit Uber nachlegen.
Anfang November wurde bekannt, dass der Kanton Genf ein Verbot gegen Uber erlassen hatte. Der Genfer Staatsrat Mauro Poggia erklärte, Uber komme seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nach. «Sie müssen die Fahrer per sofort anstellen und Sozialleistungen wie etwa AHV bezahlen. So wie andere Firmen auch.»
Was damals nicht bekannt wurde: Die Unia hatte zuvor bei den Genfer Behörden auf ein Verbot gedrängt. Gewerkschafter Künzler sagt: «Wir haben seit 2016 immer wieder verlangt, dass Genf das Uber-Modell untersucht und das geltende Recht endlich durchsetzt.»
Nun will die Unia an den Genfer Erfolg anknüpfen. Der Kanton habe seine Hausaufgaben gemacht, nun seien andere an der Reihe. In der Pflicht seien vor allem die Kantone Zürich, Waadt und beide Basel. Künzler: «Diese Woche gehen entsprechende Schreiben an diese Kantone heraus.» Zunächst will die Unia vor allem Fragen stellen und Antworten verlangen. Je nachdem sollen Vorstösse in den kantonalen Parlamenten folgen. «Die Behörden müssen das Arbeitsrecht vollziehen. Sie können nicht länger wegschauen.»
Oben auf der Prioritätenliste der Unia steht das Thema Nachzahlungen. Ein Arbeitsgericht in Lausanne hatte im Frühjahr entschieden, dass Uber einem Fahrer nachträglich 18000 Franken zahlen muss. Der Fahrer sei ein Angestellter gewesen. Entsprechend stünden ihm Sozialleistungen zu.
Laut Unia schuldet Uber indessen nicht nur Sozialleistungen, sondern auch Löhne und Entschädigungen für die Autokosten. Der Konzern zahle zu wenig, um die Existenz seiner Fahrer zu sichern. Von Gesetz wegen müsse er dies aber. Künzler: «Rechnet man alles ein, kommt man auf Nachzahlungen im hohen zweistelligen Millionenbereich.»
Mit derlei Forderungen liegt die Unia quasi international im Trend. Der US-Bundesstaat New Jersey verlangt ein halbe Milliarde Dollar an Nachzahlungen. Und Kalifornien will Uber via Gesetz dazu verdonnern, seine Fahrer wie feste Angestellte zu entlöhnen. In der Schweiz nimmt der Druck ebenfalls zu. Die Suva hat einen früheren Entscheid bestätigt: Uber muss gemäss der Schweizerischen Unfallversicherung seinen Fahrern auch Sozialleistungen zahlen. Uber ist demzufolge Arbeitgeber seiner Fahrer, und nicht bloss eine Vermittlungsplattform.
Eine neue Front gegen Uber kann die Unia mit dem Entscheid in London eröffnen. In der Schweiz dreht sich die Debatte bisher um die Frage: Ist Uber ein Arbeitgeber oder nicht? In London dagegen wurde Uber gestern die Lizenz entzogen, weil es die Sicherheit von Passagieren gefährdet habe. Damit geht es in London um die Sicherheit im Verkehr. Die Transportbehörde kam zum Schluss: Ja, Uber gefährdet diese Sicherheit.
Auf 14000 Fahrten kam es laut Londoner Behörden zu einer Gefährdung der Passagiere. Uber habe nicht verhindert, dass seine App überlistet wurde. Und zwar haben Fahrer, welche die nötigen Scheine nicht hatten, ihre Fotos hochgeladen auf die Konten anderer Uber-Fahrer. Mit diesem Trick konnten sie Gäste abholen, als ob sie selber der gebuchte Fahrer waren. In der Schweiz wisse laut Unia niemand, ob die Fahrer von Uber alle Vorschriften einhalten und die nötigen Scheine haben.
Zwar werde dies vom US-Konzern verlangt, sagt Künzler. Aber es werde nicht überprüft, ob die Fahrer sich daran halten. Künzler: «Ohne Kontrollen können Fahrer die Verkehrssicherheit gefährden.» Der Kontrast zu den Taxifahrern sei gross. Diese müssten eine vertiefte Fachprüfung ablegen und würden regelmässig von Behörden kontrolliert. Künzler: «Solche Regeln sind nötig für eine Branche, die Teil des öffentlichen Verkehrssystems ist.»
Uber hat angekündigt, in die Berufung zu gehen. Der Entscheid der Londoner Behörde sei «aussergewöhnlich und falsch.» Man habe sich fundamental gewandelt und sei nun in puncto Sicherheit vorbildlich.
Ich wäre ja immer noch für eine revolution des Taximarktes. Richtig disruptiv. Aber eben. Nur in Harmonie mit geltendem Recht.
Dafür könnte man das Geschäft mit den Taxi-Lizenzen ruhig aufheben. Jeder soll Uber-Fahrer sein dürfen, aber Uber muss sauber die Sozialabgaben bezahlen.